Sommerloch: Glutamat ist tot – es lebe das Glutamat!

Billige chinesische Restaurants nutzen es als Geschmacksverstärker, und manchmal soll auch ein Sternekoch danach greifen. Glutamat ist böse, erzeugt allergische Schocks und vielerlei Beschwerden! Aber Achtung – die meisten von uns Essen es tag-täglich. Ein Grund zur Rehabilitation?

Manch Journalist füllt Sommerlöcher mit besonders schreierischen Geschichten, mit besonders provokanten Thesen. Dackel sind ausserirdische Wesen. Am Mars wohnen Kannibalen (mit Life-Bildern von unserer Aussenstelle Curiosity). So erobern Sie jede Frau / jeden Mann in 3 Minuten -garantiert.

Sommerloch haben wir in der Küchenteise zwar keines. Noch einige Notizen sollten schon längst fertig sein. Doch dem Reiz der sommerlichen Provokation können wir uns nicht entziehen…

Zunächst wollten wir ein absolutes Glutamat-Verbot fordern. Weg mit diesem Zeug! Verbannt es aus unseren Küchen! Doch das wäre zwar populistisch gewesen, doch nicht sonderlich provokant. Ist ja schon absoluter Mainstream, diese Forderung…

Und wir bekamen es offengestanden auch mit der Angst zu tun! Kein Tomatisieren von dunklen Fonds. mehr. Kein 10-jähriger Parmigiano Reggiano mehr zum 25-jährigen Aceto Balsamico Tradizionale. Keine Fischsauce mehr in der asiatischen Küche. Keine schwarzen Oliven mehr, keine Pilze, … Darauf wollen wir doch nicht verzichten!

Ja, in all diesen Produkten ist Glutamat. Eine ganze Menge sogar. Und oft werden sie (auch in der Spitzengastronomie) als Geschmacksverstärker eingesetzt.

Doch was ist mit den allergischen Schocks, Haar- und Zahnausfall, roten Beulen auf der Haut? Alles oft beobachtet beim „Glutamat-Chinesen“und wissenschaftlich bewiesen? Wo die Beweise sind – ach kommen sie mir doch nicht mit Doppel-Bindtests und solchen Zeug, es gibt Phänomene, die stehen da darüber.

Nun, vielleicht waren beim Chinesen auch Erdnüsse oder Krustentiere die Ursache der Allergie. Fakt ist: Wir essen tagtäglich Glutamat, eine menge natürlichster Lebensmittel enthalten Glutamat,  der menschliche Körper enthält Glutamat (2 Kilo angeblich) und sogar Muttermilch ist voll von Glutamat..

Die Japaner haben es klug gemacht: Umami heisst dort der „fünfte Geschmack“. Im wesentlichen nichts anderes als Glutamat. Einfach „Gourmet-tauglich“ benannt.

Ein abenteuerliches Experiment

Wir haben ein abenteuerliches Experiment gewagt. Steng unter medizinischer Überwachung und der Beobachtung durch die Sekte „Weg mit dem Glutamat – so ein Teufelszeug! e.V.“.

Ein Glutamat Dealer – nennen wir der Anonymität halber ihn in Anlehnung an eine obskure Comic Figur einfach „Globi“ – hat uns in einer dunklen Ecke eine Tube „Taste #5 – Umami“ verkauft. Hochkonzentriert, vollgestopft mit Tomatenmark, Knoblauch, Anchovispaste, schwarze Oliven, Balsamico-Essig, Porcini-Pilzen, Parmesan-Käse (und Zitronensäure, Olivenöl, Essig, Zucker, Salz – aber sonst nichts). Damit ist nicht zu spassen!

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Nun, was tun damit? Aus der Ferne betrachten? Auf die Haut streichen? Oder gar die orale Einnahme wagen?

Sicherheitshalber haben wir gründlich recherchiert. Ausgerechnet bei der seriösen Neuen Zürcher Zeitung sind wir fündig geworden.Bei Wolfgang Fassbender’s „Nachgewürzt“. Was soll bloss aus dieser Journaille (unpassendes Zitat von Karl Kraus – wir schätzen die NZZ sehr) werden, wenn sie Rezepte mit Glutamat verbreitet??

So haben wir 15 Minuten des Sommerloches investiert, Pasta gekocht, Taste No. 5 beigefügt, mit Olivenöl und Basilikum verfeinert und den 10-jährigen Parmesan darübergerieben.

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Wie hat’s geschmeckt? Nach Tomaten, nach Oliven, nach Anchovis. Nach Parmesan. Eigentlich gar nicht so schlecht – ein paar weitere Komponenten in der Sauce könnten das ganze noch ansprechender machen. Aber für die „schnelle Küche“ ein durchaus ansprechendes Resultat!

Übrigens – bei unseren Recherchen ist uns auch ein Gast-Beitrag vom Professor Vilgis bei den werten Sternefressern ins Auge gestochen.  Wenn man bei vier wohl Sterne-verzehrenden „glorreichen Halunken“ (Selbstbeschreibung) ein wenig vorsichtig sein sollte, der Professor ist seriös. Und der Artikel zum Thema Glutamat sehr lesenswert.

Ein Plädoyer für gutes Essen

Schöne Bescherung – Glutamat beim Chinesen, Glutamat in der Sterneküche. Provokativ verwehren wir uns der Verteufelung dieser Zutat!

Dennoch möchten wir für gutes Essen plädieren. Lautstark und voller Überzeugung. Schlechtes Essen wird mit Glutamat nicht besser! Vielleicht intensiver, doch nicht besser… Deshalb lieber die tomatisierte dunkle Sauce, ob selbstgemacht oder im Sternerestaurant. Unbedingt!

Auf Wiedersehen, Sommerloch!

So, wertes Sommerloch, unsere Schuldigkeit haben wir getan. Und ab in Deckung vor dem Aufschrei!

Wären da nur nicht diese roten Beulen auf der Haut…

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4 Kommentare

      • Guter Punkt! Wissenschaftlich gesehen schreiben wir hier etwas unsauber, verwenden wie im Sprachgebrauch oft üblich – den Begriff Glutamat für die (Salze der) Glutaminsäure. Ein wenig mehr zu Glutamat vs. Glutaminsäure auf noch nicht allzu technischem Niveau z.B. auf der Seite der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung): http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=189

        In jedem Fall: Schlechtes Essen wird dadurch nicht besser. Aber es ist u.a. in jeder Menge gutem Essen schon von Natur aus vorhanden und eine Welt ohne Unami Geschmack wäre langweiliger 😉

        • so true ! was ich allerdings, so sehr ich den koch bewundere, etwas lächerlich finde ist, wenn im gericht dann der Name „Umamisoße“ zu lesen ist 😀

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