Geschichtenerzähler

Alvin Leung ist Geschichtenerzähler.

Die Schlagzeile „Tätowierter kanadischer Toningenieur (aka ‚Demon Chef‘) kocht verwegene und moderne chinesische Menüs (aka ‚X-treme Chinese Cuisine‘)“ erweckt Aufmerksamkeit.

Bei Tisch setzt sich die fesselnde Geschichte dann fort. Doch auf subtilere Weise als erwartet: Mehr ‚Alice im Wunderland‚ als tätowierter Hardrock.

Unsere Geschichte beginnt an einem Freitag Abend am Tresen zur Küche. Das Restaurant ist gut besucht, einzig den Chefs Table mit direktem Blick in die Küche haben wir heute für uns. Wir sind gespannt auf unsere heutige 16-gängige Reise.

Unser Dinner im Restaurant Bo Innovation in Hong Kong

Egg Waffle

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Street Food – die Hong Kong’er lieben ihre Eierwaffeln. Ein schneller Snack, der meist süss gefüllt ist.

Im Bo Innovation kommen die Eierwaffeln statt des Brotes an den Tisch; in einer Papiertüte. Der leicht süssliche Teig ist gefüllt mit Frühlingszwiebeln.

Air: Century egg, pickled young ginger

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Über ein Stück Holz eines Pfahles aus dem nahen Hafen von Hong Kong wabert Trockeneis wie auch gerade draussen der Nebel über dem Meer. Doch da ist ein überraschender Duft – Rose. Auf den Löffeln befindet sich eine „Air“ mit einem Hauch von Ingwer, tausendjährigem Ei und mit Rosenaroma– spannend.

Caviar: Smoked quail egg, crispy taro nest

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Das Spiel der Texturen verführt uns beim nächsten Gang: Das wunderbar cremiges geräuchertes Wachtelei, das knusprige Nest aus dünn geraspelter Taro-Wurzel, die Körner des chinesischen Kaviars – ein tolles Mundgefühl; und auch geschmacklich ist dieser Klassiker aus dem Bo Innovation perfekt abgestimmt. (8/10)

Oyster: Tongue, Sichuan green sauce

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Meeresfrüchte werden in der chinesischen Küche oft getrocknet. Im nächsten Gang ist die Fin de Clair Auster jedoch frisch und mit schönen jodigen Aromen, sie ist auf einer filigranen grünen Sauce mit einer leichten Pfeffernote platziert.

Die dünn aufgeschnittene Ochsenzunge steuert Fleischigkeit und Umami bei. Der schwarze Fat Choy darauf ist gefriergetrocknet und gibt eine schöne Textur. (8+/10)

Bamboo: Foie gras „chu yeh ching“ miso, pickled indian lettuce stem

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Die nun folgende Gänseleber wurde vor der Zubereitung in chinesischem Bambusblätter-Schnaps mariniert. Streifen von eingelegtem Kopfsalat mit indischen Aromen, dünne Radieschenscheiben und ein paar Tropfen aus der Flasche des „chu yeh ching“-Schnapses runden das Gericht ab.

Die gebratene Gänseleber ist nicht zu schwer, das Gemüse macht das Gericht lebendig – sehr gelungen! (8+/10)

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Umami: Toro, har mi oil, mixed noodles

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Die chinesische Küche ist voll von Umami. Wer also an das „China-Restaurant Syndrom“ glaubt, ist hier fehl am Platz (wir ja nicht: Glutamat ist tot – es lebe das Glutamat).

Das Team hat getrocknete Seefrüchte – eine „Umami-Bombe“ – für 48h bei kleiner Hitze in Öl gekocht, dieses hat den Geschmack des Meeresgetiers in sich aufgesogen. Ein paar Tropfen davon werden über den kurz geflämten Toro (ein Stück vom Bauchlappen des Thunfisches) und über die gelierten und krossen Nudeln gegeben.

Der fettige Thunfisch zerschmilzt fast in unserem Mund, und das ganze ist eine wunderbare Kombination! Und wir können einfach nicht genug bekommen von den Aromen der getrockneten Shrimps… (9/10)

Baby Food: Chili crab

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Unsere märchenhafte Reise führt uns weiter nach Singapur, bekannt für die „Singapore Chilli Crab“. Alvin Leung verwandelt sie in liebevoll präsentiertes ‚Baby food‘. Der Chilli Crab-Schaum ist dezent scharf, in diesem befinden sich Stücke von Krabbenfleisch. Gefriergetrocknete Brötchenstücke geben Textur.

Nachdem wir auch das Logo des Glases lächelnd betrachtet haben, verschlingen wir das Ganze mit unseren „Hello Kitty“ und „Peter Rabbit“-Löffeln und fühlen uns wieder ein wenig wie Kinder! (7+/10)

Molecular: Cha siu bao

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‚Cha siu bao’, das ist ein mit gegrilltem Schweinefleisch gefüllter Dim Sum. Wir lassen die nun gebrachte Sphäre vom Löffel in den Mund gleiten, eine warme Flüssigkeit befindet sich darin, welche unsere Geschmacksknospen die Aromen des Vorbildes erschmecken lässt. (7/10)

Tomato „pat chun“ chinese vinegar, fermented chines olives „lam kok“, marshmallow with green onion oil

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Der nächste Gang ist der Tomate gewidmet. Nach chinesischer Denke von rechts nach links:

Zunächst eine Tomate, welche in altem, in Hong Kong hergestelltem, süsslichem „Pat Chun“ Essig bei 70 Grad gekocht wurde. In der Mitte eine Sphäre mit Tomatengeschmack, über welche dehydrierte, getrocknete chinesische „Lam Kok“ Oliven gestreut wurden, dazu eine Oliven-Majonaise. Ganz links dann ein Marsmallow aus Tomatenschaum gefüllt mit Frühlingszwiebel-Öl.

Tomate – Balsamico – Oliven – Zwiebel: Das wären vertraute Geschmäcker. Die Kombination im Bo Innovation erinnert daran, schmeckt irgendwie vertraut und dann doch ganz anders. Erneut lassen wir uns vom Geschmack, aber auch von den Geschichten dahinter verführen. (8/10)

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Black Truffle: „chan dan chee“

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In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben in Hong Kong die „Tea Restaurants“ (Chan Chaan Teng) mit ihrem günstigen westlichen Essen Einzug gehalten. Ein typisches Frühstück dort – natürlich Speck, Ei und Toast.

Alvin Leung nimmt diese Geschmäcker auf, er variiert sie von Textur und Zubereitung, und er veredelt sie. Im kleinen, runden Sandwisch sind Ei, eine Scheibe Speck und dicke Scheiben von schwarzer Trüffel. Die Butter befindet sich als Trüffel-Butter-Pulver neben dem Sandwich.

Das ganze duftet so richtig verführerisch nach Trüffel. Im Mund sind alle Komponenten fein abgestimmt. Speck, Ei und Trüffel spielen auf Augenhöhe miteinander und ergeben ein schönes Gesamterlebnis.

Wer gemeint hat, dass etwa ein Frühstück mit Trüffel-Eierspeis und Speck eigentlich eine sehr triviale Sache ist, erlebt hier den Gegenbeweis. (7+/10)

Red Mullet: Black garlic, black bean, yuzu, mullet roe

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Auf einer Creme von schwarzem Knoblauch und schwarzen Bohnen wird nun eine perfekt auf den Punkt gebratene Rotbarbe serviert.

Die Schuppen wurden mit sehr heissem Öl übergossen und sind schön knusprig. Eine Zubereitungsart, welche auch im deutschsprachigen Raum beliebter wird, aber dort keinesfalls immer gelingt (nicht knusprige Schuppen sind dann hart und zäh).

Durch den japanischen Paprika erhält das Gericht Schärfe, die Yuzu-Zesten über dem Fisch geben Frische und Lebendigkeit. (8/10)

Blue Lobster: Sichuan hollandaise, chili shaohsing consomme, Chinese leek dumpling, charred corn

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Die Szechuan-Küche liebt ‚verbrannte‘ Aromen. Und so wird der zarte Hummer auf Shrimps-Dumpling auch von angekohlten Mais-Stücken in einer Consommé mit chinesischem Reiswein. Darauf noch ein Tupfen Hollandaise mit Szechuan-Pfeffer, welchem nachgesagt wird, die Zunge zu betäuben.

Das ganze ergibt ein sehr rundes und geschmackvolles Gericht! (8+/10)

Mao Tai: Hawthorn, lemongrass, passion fruit

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Der Maotai ist ein chinesischer Schnaps, gebrannt aus Hirse und Weizen, und manchmal auch als das chinesische Nationalgetränk bezeichnet. Darin eingelegt hat die Küche getrocknete Hadedorn (diesen bekommen sonst Kinder, wenn sie krank sind).

Mit Zitronengras und Passionsfrucht ergibt sich daraus ein erfrischender Drink, welcher aus einem „Königsbecher“ (das adäquate Trinkgefäss für frühere Chinesische Herrscher) getrunken wird. Über die komplizierte Handhabung sehen wir hinweg und fühlen uns  kurz wie Königin und König. (7/10)

Abalone: „Bo“ chicken rice, razor clams

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Risotto auf Chinesisch? 9-jähriger (und damit härterer) italienischer Acquerello-Reis wird in einer wunderbar intensiven Hühnersuppe gekocht, Butter oder Käse wird keiner beigefügt – somit eine Anleihe an die italienische Küche, doch kein Ersatz für ein schlotziges Risotto.

Der Reis ist noch schön körnig, darauf befinden sich bissfeste (doch keinesfalls zähe) Abalone-Stücke sowie Schwertmuscheln. Im Mund ergibt das so ungefähr den besten Geschmack einer Hühnersuppe, den man sich vorstellen kann; ergänzt um abwechslungsreiche Texturen und Meeres-Aromen und alle Komponenten perfekt aufeinander abgestimmt. (9+/10)

Saga-Gyu: Black truffle, „cheung fun“

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In unserer märchenhaften Reise finden wir uns nun auf einem Strassenmarkt wieder. Einem sehr luxuriösen Strassenmarkt, zugegeben.

Was uns da als Street Food serviert wird, ist dünn aufgeschnittenes A3 Wagyu-Beef mit schöner Balance von Fleisch und Fett, schwarzer Trüffel und „Cheng Fun“ Reisrollen. Ein sehr feines, wenn auch eher schweres Gericht. (8/10)

Almond: Genmai, okinawa black sugar, cinnamon

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Als leichtes Vordessert folgt nun ein Tofu mit zweierlei Mandeln: Jener aus Nord-China, welche eher bitter schmeckt und jener aus Süd-China mit süsslichen Aromen.

Dieser wird in einem Genmai-Tee (japanischer gerösteter Grüntee), Zimt und schwarzem Zucker serviert, erfrischt unseren Gaumen und stimmt uns auf das Dessert ein. (7/10)

Coconut: Palm sugar, coconut water, chocolate, pina conlada, cherry, pandan

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Eine wunderbare Kombination aus Kokosnuss in verschiedenen Varianten, Kokosnusswasser-Meringuen, Palmöl-Eis, Pandasus-Tupfen, Schokolade mit Kokosfett und Kirsch-Brandy-Gelee ergibt ein geschmacklich überzeugendes und texturell abwechslungsreiches Dessert. (8+/10)

Eight Treasures Petit Fours with Eight Treasures Tea

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„Eight treasures“ – 8 Kräuter, Blüten und Beeren sind die Zutaten des „8 Schätze“-Tees, den wir zum Abschluss erhalten. Die Ingredienzien werden uns in einem Glas gezeigt, und dazu gibt es 8 Petit Fours aus eben diesen Zutaten, welche sehr fein schmecken.

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Eine märchenhafte Schatzkiste versüsst uns nun den Abschied: In ein kleines Papiertütchen dürfen wir nun einige der Bonbons in der Kiste für den Nachhauseweg einpacken.

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Unser Küchenreise-Rating 

Im Internet wird das Bo Innovation oft geliebt, aber auch immer wieder kritisiert. 3 Michelin Sterne – sind das nicht viel zu viel für jemanden, der z.B. nicht einmal ein richtig schlotziges Risotto hinbekommt! Und all diese molekularen Gimmicks!

Der Guide Michelin definiert 3 Sterne als „eine der besten Küchen, eine Reise wert“: Die Küche des Bo Innovation ist kreativ, sie ist aufwändig, sie ist technisch akkurat umgesetzt und sie schmeckt. Sie verbindet traditionelle chinesische Elemente mit westlichen Einflüssen und modernen Zubereitungstechniken, sie ist in ihrer Art einzigartig.

Und Alvin Leung ist ein Geschichtenerzähler: Faszinierende kulinarische Märchen, Assoziationen und Erinnerungen. Wer sich zu einer märchenhaften Reise verführen lässt, wer sich darauf einlässt, wird in den vollen Genuss seiner Küche kommen. Manchmal will Acquerello-Reis auch kein Risotto sein… Wer einen fixen und eng definierten kulinarischen Rahmen hat (ob westlich oder chinesisch), könnte sich schwerer tun.

Unsere erwachsene Seite hat eine Küche auf meist sehr hohem Niveau genossen. Und mit leuchtenden Kinderaugen haben wir uns von den erzählten Geschichten verführen lassen. Das Bo Innovation ist definitiv eine Reise wert!

Aufgrund seiner Einzigartigkeit empfehlen wir dem kulinarisch offenen Reisenden, das Restaurant in Hong Kong auf die „must visit“ Liste zu setzen. und bevorzugt den Chef’s Tablezu reservieren.

5 – Unbedingt wieder

(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)

 

Wie bewerten andere?

Der Guide Michelin vergibt für die Küche des Restaurants Bo Innovation in Hong Kong

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Blogroll – was schreiben andere?

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Das Finanzielle

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Die Kosten für unser Dinner im Bo Innovation mit Chef Table Menü für 2 Personen, Champagner vorweg, Wein, Wasser und einem Espresso betrugen umgerechnet ca. EUR 830. Wir bitten das abgeschnittene Bild der Rechnung zu entschuldigen.

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Bo Innovation

60 Johnston Road

Wan Chai, Hong Kong

(Ein Lift befindet sich auf der Höhe der Hausnummer 60, etwa gegenüber des Restauarants Akrame. Mit diesem in den 2. Stock zum Eingang des Restaurants / zur Restaurantterasse fahren)

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