Sterne-Ambitionen

Atlantis ist wieder auferstanden.

1970 eröffnet war das Hotel ein Sinnbild von Luxus in Zürich. Muhammed Ali bereitete sich dort auf einen Kampf vor, Freddy Mercury spielte am Flügel der Bar gross auf. Also nicht nur C- oder B-, sondern die A-Promis der damaligen Zeit.

Doch irgendwann war der Ruhm verschwunden. Das Hotel verschwand, nach dem sich auch der letzte F-Promi nicht mehr blicken liess, heruntergewirtschaftet schliesslich 2004 durch Konkurs am Meeresboden. Diente danach Flüchtlingen, Hausbesetzern und schliesslich Studenten als Unterschlupf.

Und widersetze sich mehrfach Revitalisierungsversuchen. Doch nun, unter finanzkräftiger Mithilfe aus Katar, ist das Atlantis  Anfang Dezember 2015 wieder auferstanden! Betrieben durch die Giradino-Gruppe, welche in St. Moritz, Ascona und Locarno schon mit drei weiteren luxuriöse Hotels vertreten ist.

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Auch in Zürich das Restaurant Ecco, dessen beide Schwesterbetriebe unter Leitung des deutschen Executive Chefs Rolf Fliegauf schon zweifach mit zwei Sternen ausgezeichnet wurden. Wieviele Sternderln dürfen’s denn in Zürich sein, bitteschön?

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Unser Dinner im Restaurant Ecco im Atlantis by Giradino in Zürich (CH)

Wir haben uns unser Menü aus dem angebotenen „Deluxe-Menu“ (6-8 Gang, CHF 184-204) und dem „Fine Menu“ (3-5 Gänge, CHF 148-174) zusammengestellt.

Grüsse aus der Küche

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Manches aus dem heutigen Menü sind „Bekannte“ aus einem der anderen Ecco-Restaurants. Das muss keinesfalls schlecht sein, wie schon die knusprige Hühnerhaut mit Innereiencreme, Eigelb und Schnittlauch zeigt! Fängt ja gut an, natürlich im allerbesten Sinne, denken wir uns. (8/10)

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Brot schwarz wie Ebenholz, Butter weiss wie Schnee, Kresse rot wie Gras: Ein hausgemachtes Malzbrot von nahezu schwarzer Farbe wird uns danach gereicht; dazu strahlend weisse, geräucherte wie aufgeschlagene Butter, Meersalz und grasgrüne Gartenkresse mit einer kleinen Schere zum „selber abschneiden“. Bei Schneewittchen zu Hause könnt es nicht besser sein.

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Nein, das ist eh kein Surf & Turf, sondern viel Besser: Am einen Teller eine Schwertmuschel wie eine Miesmuschel mit essbarer Schale; das ist der Geschmack des Meeres, der sich da in unserem Mund ausbreitet.

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Dazu gibt’s zwei weitere Kleinigkeiten als mehr fleischlicher Kontrast. Eine Roulade aus und ummantelt von Rindfleisch mit Senfperlen und ein Röllchen mit einer Hülle aus krossen Kartoffeln mit wunderbaren Röstzwiebelnd und Sauerrahm. (8+/10)

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Der finale Gruss ist dann eine gebeizte und geflämmte Königsmakrele, etwas Makrelentatar, eingelegte Radieschen, eine Kräutervinaigrette und etwas Krokant. Eine schöne Kombination, auch wenn diesem Gericht der letzte Tick an Spannung zu fehlen scheint. Dennoch, Ladies and Gentlemen, this was a great start! Start your engines for the menu! (7+/10)

marinierte entenleber – grüner apfel – ceralien

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Enteneber ist irgendwie ein Wintergericht, das liegt an der Schwere des Produktes. Gut, Winter ist es ja, auch wenn die Temperaturen manchmal an Frühling erinnern. Da kann man mit einem solchen Gang nichts falsch machen.

Umso (positiv) überraschter waren wir von der Leichtigkeit und Frische des Gerichtes! Der Hauptdarsteller sind eine Terrine und ein Eis von der Entenleber. Darüber wird ein Apfelessig gesprüht, am Tisch ein Granny Smith-„Fonds“ angegossen. Dessen Säure beflügelt das Gericht quasi; und die Ceralien am Teller sind knusprig, doch leicht und geben eine schöne Textur.

In Summe ein tolles Gericht, zu welchem wir auch bei sommerlicheren Temperaturen nicht nein sagen würden! (8+/10)

brüggli lachsforelle – gurke – austernemulsion

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Auch wenn der Lachs in der Spitzengastronomie (manchmal unberechtigt) zum Nebendarsteller in „Grüssen“ degradiert wurde, so hat die Lachsforelle in den letzten Jahren einen grossen Aufschwung genommen.

Grossartig auch am folgenden Teller das Produkt aus de Kanton Schwyz als Filet wie auch als Tatar. Begleitet wird das ganze von Gurke, einer Alge aus 800m Tiefe (diese Erklärung des tollen Services hat uns so fasziniert, dass wir gleich alle weiteren Details vergessen haben), einer Austernemulsion wie auch Buttermilch mit schöner, leicht säuerlicher Note. Der kann was, der Gang! (8/10)

jakobsmuschel – kohlrabi – haselnuss

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Die Idee hinter dem nächsten Gang sagt uns sehr zu. Die (nussige) angebratene Jakobsmuschel wird mit Haselnuss (halbe angeröstete Nüsse sowie ein am Tisch angegossener Haselnusssud) und Kohlrabi (eingelegt bzw. „pickeld“, wie gerade modern) kombiniert.

Doch die Muschel ist ein wenig „brav“, und es fällt ihr schwer, mit der Power der anderen Komponenten mitzuhalten. Somit ist das Gericht nicht so ausgewogen wie wir es erhofft hätten. (7/10)

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bio eigelb „carbonara“

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Nun kommt er, der Gang, den der Gast, der Service und die Küche gleichermassen fürchtet. Der sich aber auch in den allerbesten Küchen nie ganz vermeiden lässt. Der „enttäuschende“ Gang.

Bei Carbonara kommt uns rauchiger Speck, flüssiges Eigelb und Umami-Parmesan in den Sinn; in Kombination mit den (für CHF 40 extra) angebotenen weissen Trüffeln wäre das schon fast ein Geschmacksorgasmus.

Doch das ganze ist für uns ein Reinfall. Da sind angebratene Röllchen vom Speck, welche (kaum verwunderlich) Röstarmomen verströmen – einfach viel zu intensiv. Da sind Stücke von etwas, was uns von Konsistenz und der Intensität des Geschmackes (intensiv, salzig) wieder an Hühnerhaut erinnert.

Und der Eidotter: Flüssiges Eigelb hätte vielleicht noch die Elemente verbinden, die Extreme abfedern können. Doch hier ist der Eidotter recht fest (oder ist „wachsweich“ das passendere Wort) und verbindet gar nichts. Somit haben das filigrane Schinkengel, der zarte Spinat und das Aroma der weissen Trüffel leider nicht den Hauch einer Chance, sich gegen die Röstaromen durchzusetzen. Schade! (5+/10)

atlantik rotbarbe – artischocke – seeigel

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Doch die Rotbarbe versöhnt uns dann gleich wieder. Bei gutem Essen sind wir ja sowieso nie nachtragend, sondern eher begeisterungsfähig wie kleine Kinder.

Der Fisch steht bei diesem Gericht gar nicht so im Mittelpunkt. Richtig gut wird es bei der Artischocke – einerseits angebraten, andererseits hauchdünn aufgeschnitten als säuerlich marinierter, grossartiger Artischockensalat.

Und grossartig wird es dann mit der am Tisch angegossenen Seeigel-Sauce, wir schwelgen und geniessen ihre süsslichen und leicht salzigen Aromen, ihre Intensität (den literarischen Vergleich mit „Gold“, welchen wir schon zwei mal zu diesem Gericht gelesen haben, wiederholden wir nicht). (7+/10)

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Und vor dem Hauptgang muss ein kleiner Spaziergang erlaubt sein. Hinaus in die sehr schöne und bereits mit Leben gefüllte Bar, in welcher gleich die Live-Musik starten wird.

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Und in das denkmalgeschützte Stiegenhaus, wo wir auch einen Blick in die Küche werfen können.

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luma kalb – petersilie – salzzitrone

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Kalb ist langweilig und Rind für Weicheier? Bei den schnell gemästeten und hochgezüchteten Turbo-Kälbern mag das sicherlich der Fall sein.

Der Kalbsrücken von Luma (eine junge Schweizer Firma, welches das Fleisch mit Hilfe eines Edelschimmelpilzes bis zu vier Wochen am Knochen reifen lässt) ist nicht nur wunderbar zart, sondern hat auch einen sehr schönen Eigengeschmack. Dazu gibt es ein Kalbsbries (ein paar Röstaromen mehr würden uns gefallen, aber das ist Geschmackssache); über das Gericht ist Kalbsherz gehobelt.

Quinoa, Petersilie und der Geschmack von Salzzitrone ergänzen das gericht; und wir möchten Euch nicht vorenthalten das der Jus mit Kalbsschwanz voll Power, Kraft und auch noch supertoll ist! (8/10)

„cheescake“ – pistazie – sanddorn

Die Cheese-Cake wird in unterschiedlichen Varianten von Creme bis Gefrorenes ‚dekonstruiert‘ dargeboten, sie harmoniert schön mit der Pistazie (als Creme und als eine Art Schwamm) wie auch dem Sanddorn und ergibt ein filigran-gutes Gericht. (7/10)

mandarine – kaffeeschokolade – sauerklee

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Interessant angelegt ist das zweite Dessert: Auf einer Schoko-Ganache befinden sich leicht bitterliches Mandarinen-Granité, Sauerklee-Eis und getrocknetes Mousse von der Kaffeeschokolade.

In Summe vielleicht kein spektakulär-aussergewöhnliches Gericht, doch eine spannende Kombination von Geschmäckern und Temperaturen und ein perfekter Wohlfühl-Gang. (7+/10) 

Petit Fours

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Den Einstieg in den grossen Reigen der kleinen Süssigkeiten zum Abschluss bildet ein Ingwereis mit Joghurtschaum Joghurtespuma und Spekulatius- gelungen! (7+/10)

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Danach folgen eine weiterer Kleinigkeiten, dankenswerterweise auf einem kleinen Kärtchen erklärt. Wir geniessen Cassis und Quinoa mit einem Baiser; Bratapfel mit Nussbutter und Brioche; eine Passionsfrucht-Praline sowie einen grossartigem, in einem Glas servierten Trüffel aus Schokolade. (8/10)

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Gut gesättigt, doch beschwingt und zufrieden verlassen wir das Restaurant und geniessen noch ein paar Takte Live-Musik in der anschliessenden Bar.

Unser Küchenreise-Rating

Zwei Sterne in Ascona, zwei Sterne in St. Moritz: Die beiden anderen Ecco-Restaurants unter Executive Chef Rolf Fliegauf haben schon länger höhere Weihen. Da sind die Erwartungen für das von seinem ehemaligen Sous-Chef Stefan Heilemann geleitete Restaurant in Zürich hoch.

Wir waren nur wenige Tage nach der Eröffnung des Restaurants zu Gast. Oft fährt die Küche in solchen Momenten noch mit angezogener Handbremse. Nicht so in unserem Fall: Was hier auf den Tisch kam, hatte zwar oft eine ähnliche Handschrift wie die Gerichte in den anderen Ecco-Restaurants, aber es war bereits auf sehr hohem Level. Kreativität, Qualität der Zutaten und technische Umsetzung überzeugten bereits weitgehend.

Auch das Ambiente (im Restaurant wie auch in Bar und Hotel) mit der Mischung aus Historischem und Modernen gefiel und vorzüglich, der Service war gleichfalls schon rund und eingespielt. In Summe eine Spitzenleistung nach nur wenigen Tagen!

Wir denken, das Ecco im Atlantis in Zürich ist auf dem richtigen Weg zu hohen Bewertungen; und es ist definitiv die spannendste Restaurant-Neueröffnung in Zürich im Jahr 2015! Ja, Atlantis ist wieder auferstanden!

 

Restaurant Ecco im Hotel Atlantis by Giradino (CH)

Bewertung Essen (?): 8 / 10
Küchenreise-Rating (?): 5 – unbedingt wieder
Guide Michelin: noch nicht bewertet
Gault Millau: noch nicht bewertet
Gusto:
Küchenchef: Stefan Heilemann (Executive Chef: Rolf Fliegauf)
Adresse: Dötschliweg 234 CH-8055 Zürich
Telefon: +41-44-456 55 55
Web: http://atlantisbygiardino.ch/dining/#ecco
Kosten (Rechnung): Ca. CHF 680 (2 Personen)
Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.
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