Kulinarische Klassik
Sonntag vormittag in Berlin. Die Koffer sind schon fast gepackt, der Tag bis zum Abflug am Abend noch nicht gefüllt. Es ist spät geworden gestern abend, der Magen knurrt, aber um 11h noch frühstücken gehen? Oder lieber gleich einen feinen Lunch?
Sonntag vormittag in Berlin. Gastronomische Wüste. Fast alles, was Hauben, Punkte oder Sterne hat, ist über mittags geschlossen. Fast alles, Fischers Fritz bietet sieben Tage die Woche Mittagslunch. Ein schneller Check bei Opentable, ja es gibt noch Tische. Und schon ist die Reservierung gemacht.
Sonntag mittag in Berlin. Wir betreten das Restaurant. Wir sind die ersten. Gut, es ist erst 12h, kein Wunder. Wir werden nicht die einzigen bleiben, aber doch fast. Das Restaurant (2 Michelin Sterne, 19 Gault Millau Punkte) im Regent Hotel ist elegant, aber konservativ eingerichtet. Wobei konservativ ja kein Nachteil sein muss.
Sonntag mittag in Berlin: Zur Einstimmung zwei Glas Champagner von Pierre Jouet Grand Brut zu doch recht stolzen EUR 21. Kalkulieren wir doch mal: 21 * 7.5 ergibt für eine Flasche im Offenausschank EUR 157.50. Der Flaschenpreis beträgt EUR 115. Bei unserer Google Schnellrecherche kommen wir auf einen Einzelhandelspreis von knapp EUR 30 (bei Angeboten sogar unter EUR 25). D.h. die Flasche hat einen Multiplikator von knapp 4, das offene Glas von deutlich über 5. Sofern unserer laienhafte Rechnung korrekt ist.
Dennoch möchten wir es hinausrufen, ein Plädoyer am Sonntag mittag in Berlin: „Liebe Gastronomen, macht das Essen teurer (ok, leichter gesagt als getan) und die Getränke dafür zu marktnäheren Preisen, sonst beginnt das irgendwann die Freude an Champagner, Wein & Co zu vermiesen!“
Doch nun zum Essen: Das Fischers Fritz bietet auch Sonntag einen Business Lunch an, aus den in der Karte angeführten Vor- und Hauptspeisen sowie Desserts / Käse können z.B. 3 Gänge gewählt werden. Gelesen, getan, und schon ging es los.
Unser Lunch im Restaurant Fischers Fritze in Berlin
0. Gruss aus der Küche
Zunächst erreichten unseren Tisch ein paar Gewürzcracker. Ohne Frühstück stillt dies den ersten Hunger beim Studieren der Karte (wie auch das später gereichte, ausgezeichnete Brot mit gesalzener Butter), konnten uns darüber hinaus aber nicht zu sehr begeistern.
Danach der eigentliche Gruss aus der Küche, wenn meine Erinnerung richtig ist, ein Stück gebeizter (?) Lachs mit Zuchini und einer Creme (?), welche u.a. geröstete Pinienkerne enthielt (meine Erinnerung schwächelt, und das Bild ist leider nicht selbsterklärend…)
1.a Carpaccio vom Saibling mit Chicorée-Haselnusssalat und LImetten-Vinaigrette
Dann als Vorspeise ein Saibling Carpaccio (sehr gute Produktqualität) mit einer Limonen-Vinaigrette (lebendig, frisch, eine gute Ergänzung) und mit Haselnüssen (bin nicht ganz sicher, wie verarbeitet – geröstet war’s glaube ich nicht) – was für eine tolle Kombination. Darauf der Chicorree-Salat, schön die leichte Bitternote, uns etwas weniger begeisternd das Dressing desselben. Ein sehr schöner Einstieg!
1.b Vichysoisse mit Tatar von der Dorade
Die zweite Vorspeise am Tisch war eine Vichysoisse (eine Cremesuppe mit Kartoffeln, Lauch, ..), darin ein Tatar von der Dorade. Ein klassich gutes Gericht.
2.a Confit vom Kabeljau mit Couscous und Jus von Korinthen und Salzzitronen
Es folgte der Hauptgang: Der Kabeljau überzeugte wieder mit guter Produktqualität; sehr geschmacksintensiv, vielleicht einen Hauch zu trocken für unseren Geschmack. Der Couscous mit Korinten eine schöne Ergänzung. Lange in positiver Erinnerung bleibend der Jus, welcher die beiden Teile des Gerichtes zu einem harmonischen Ganzen verband, auf einer Lammfonds-Basis hergestellt, mit der süsse der Korinthen und der Bitterkeit dünner Schalenstücke von der Salzzitrone ausgezeichnet schmeckend.
Beachten sie die Blüten auf dem Bild – sie werden ihnen später erneut begegnen 😉
2.b Sauté von Calamaretti, Pfifferlingen und Koreander
Die Sautee von Calamaretti sowie mit Pfifferlingen und Koreander ebenfalls ein sehr schönes Genusserlebnis.
3. Pre-Dessert: Passionsfrucht-Sorbet mit Kokos Mousse
Intensives Sorbet von der Passionsfrucht, das Mousse von der Kokosnuss gibt dazu einen schönen Kontrast.
Der akribische Leser erkennt bestimmt die Blüten auf dem Bild wieder 😉
3. Geschmorte Ananas in bretonischem Butterkaramell mit gerahmtem Vanilleeis
Und nun zum Dessert: Eine im Ofen geschmorte Ananas, sehr lecker; eine Scheibe auf den Boden des Tellers gelegt. Darauf eine Kugel gutes rahmiges Vanilleeis. Eine getrocknete Ananasscheibe – geschmacklich intensiv – daraufgesteckt, mit ein wenig Blattgold als Deko. Drumherum flüssiger bretonischer Butterkaramell, die Meinungen am Tisch darüber gespalten: Von „Zu süss, erschlägt alles sonst“ bis zu „wie lecker“.
Und wieder, schon zum dritten Male an diesem Sonntag mittag in Berlin, entdecken wir eine identische Blumendeko, die beiden Blümchen, auf dem Teller 😉
Zum Abschluss dann noch Kaffee und Truffe:
Das Finanzielle:
Ca. EUR 180 für 2x 3 Gänge, 2 Glas Champagner, 2 Glas Weisswein, 2x Kaffee und Wasser.
Unser Küchenreise Rating:
Sonntag am frühen Nachmittag in Berlin: Das Resümee ist nicht ganz einfach: Klassische Französische Küche in hoher Perfektion. Konservativer Rahmen vom Setting bis zu den Speisen. Nahezu alles, das uns geschmeckt hat, aber wenig, das uns zum Jauchzen gebracht hat, dass uns überrascht und beglückt zurückgelassen hat. Preislich am oberen Ende (nicht wegen der Menüpreise, der Rest macht es aus) für ein ‚leichtes‘ 3 Gang Menü. Soll heissen, wir kommen gerne wieder, wenn es sich mal ergibt, würden aber nicht wegen des Luches im Fischers Fritze extra nach Berlin reisen. Können uns aber schon vorstellen, dass die Küche andere – Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden – euphorischer stimmt.
3 – Wenn es sich ergibt wieder
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Fischers Fritz
im Hotel Regent
Charlottenstrasse 49
D-10117 Berlin Mitte