Aussergewöhnliche Regionalküche
Biss kam uns zuvor mit einem aktuellen Bericht über die Villa Merton („Der Koch der Wiesen und Wälder„). Wir setzen dennoch nach, wir sind der Meinung, dieses Restaurant verdient mehr Aufmerksamkeit.
(Bericht publiziert im Juli 2012. Das Restaurant erhielt im Nov. 2012 den zweiten Michelin Stern.)
Im der konservativen Villa des Union Club gelegen hat sich hier zumindest Abends eine hoch innovative Küchenlinie herauskristallisiert (Mittags scheint es auch ’normalere‘ Gerichte zu geben). Der Chef Matthias Schmidt setzt auf Regionalität (alles nur aus Zutaten aus der Umgebung) und versteht es, auch mit Gemüse hervorragend zu kochen. Ja, jeder Hobbykoch schafft das perfekte Rindsfilet, doch aus einer Petersilienwurzel ein Gourmetgericht zu zaubern ist ungleich anspruchsvoller. Wir fühlen uns von den Ideen an das gehypte (aber leider noch nicht besuchte) Noma in Kopenhagen (Regionalität, Gemüse), an das Steiereck in Wien (Gemüse) oder das Margaux in Berlin (Gemüse) erinnert. Die Villa Merton ist mit 16 Gault Millau Punkten und einem Michelin Stern dekoriert, mal sehen, wohin die Reise noch führt!
Eine persönliche Küchenreise zu einer der aufregendsten Dinners in Frankfurt sollte man sich jedoch schon jetzt nicht entgehen lassen…
Unser Dinner in der Villa Merton in Frankfurt
0. Grüsse aus der Küche
Zu Beginn erreichten eine Vielzahl von Grüssen aus der Küche unseren Tisch, teils vom freundlichen Service, teils auch vom Chefkoch Matthias Schmidt serviert. So macht Dinner und Wein aussuchen noch mehr Spass…
0.a Ziegenfrischkäse, Birne, Dillblüte
Ein Bällchen aus Ziegenkäse, Birnenstücke links und rechts, aufgespiesst auf einem gebackenem Spaghetti (essbar), dekoriert mit einer Dillblüte war der Einstieg in den Abend.
0.b Wachtelei im Lauchstroh
Danach folgte ein Wachtelei (noch ein wenig flüssig) im Lauchstroh, cremig das Ei, ein wenig bittere Aromen vom Lauch – sehr fein!
0.c Frankfurter Schmandkekse
Nun Frankfurter Schmandkekse, in einer Keksdose präsentiert – ausgezeichnet.
0.d Mehlfische mit grüner-Sauce Majonnaise
Danach gute Mehlfische mit einer Majonnaise von der grünen Sauce, wir essen ja in Frankfurt.
0.e Karottensaft mit Weizengrasöl
Regionalität bedeutet in der Villa Merton auch, Olivenöl durch Weizengrasöl zu ersetzen. Dieses erlebten wir das erste Mal beim nun servierten Karottensaft.
0.f Gelbwürste auf Heu geräuchert mit Senf
Nun erreichten uns Gelbwürste mit Senf, auf Heu geräuchert. Rauch stieg noch aus dem Gefäss, am Bild sieht man es nicht, dort leider nur unscharf.
0.g Herrschaftsgespritzer gefroren
Als die Reblaus kam, wurde der Apfelwein wieder zum Herrschaftswein. Hier ein Sorbet vom Herrschaftsgespritzen mit Verweine, diesmal (optisch an einen Apfel erinnernd) am nicht essbaren Stengel.
0.h Brot aus der Tüte
Das Brot schilesslich aus einer (am Tisch aufgeschnittenen) Papiertüte, mit Biobutter und (erneut als Ersatz für Olivenöl) reginoalem Weizengrasöl. Unser Resümee – die Grüsse aus der Küche waren ein kreatives Feuerwerk, und gemundet haben sie auch sehr!
1. Blattpetersilie / Ziegenmilch; Wurzel mariniert, gestockt mit Saiblingskaviar und Gundermann
Der erste Gang – Eine marinierte Wurzel von der Petersilie, dazu eine Art Joghurt von der Ziegenmilch, Gundermann, Saiblingskaviar. Was für eine Kombination, schon optisch beeindruckend, geschmacklich in neue – und sehr spannende – Welten entführend. So soll ein Regionaler Gemüsegang schmecken!
2. Gurke / Zander: Salat, gegrillt mit Kräutern und Löwenzahnknospen
Friche Gurkenstücke, Zanderscheiben, dazu Löwenzahnknospen, welche etwas sauer schmecken, auf die Art wie bei Kapern. Das ganze in einer Suppe, welche eine leichte Bitterkeit (an Anis erinnernd) aufwies. Das ganze mit Kräutern / Dill ergänzt. Wundbar unterschiedliche Geschmäcker, welche sich zu einem tollen Ganzen zusammenfügen!
3. Weisse Radieschen; mit Essig, Vogelmiere und Beeren
Radieschen, das ist doch gewöhnlich, das ist doch langweilig… Keinesfalls, wenn man sie in der Villa Merton geniesst. Dreierlei Varianten vom Radieschen, roh mariniert / gegrillt / als Sorbet, dazu Vogelbeere sowie Vogelmiere (ein Kraut). Ein beeindruckender Gang!
4. Henne / Wacholder; Pfaffenstückchen confiert, Jus und gefrorener junger Lauch
Von der Henne nun das Pfaffenstück (die Pfaffen haben früher nur das beste gegessen, so sagt man…), dazu ein rohes ein, gefrorener (vorher angbratener) junger Lauch, ein toller Jus. Wieder unterschiedliche Konsistenzen und Geschmäcker, welche im Mund – vom Ei getragen – zu einem tollen ganzen verschmelzen. Einzig das Stück getrocknete Hennenhaut obendrauf konnte uns (wie so oft) nicht begeistern.
5. Ein Rehbock steht im Walde; Rücken glasiert mit eingeweckten Fichtensprossen, Waldpilzen und Spitzkohl
Der Rehbock steht im Walde – genau so schmeckt es auf dem Teller. Ein sous vide butterzart zubereiteter Rehrücken, ein tolles Rehjus dazu, Fichtennadeln, Pilze, noch nicht aufgegangene Hollunderblüten. Dunkelrot das Fleisch, intensiv; tiefgründig und lange im Mund der Jus.
Dazu gekühlte Hagebutte (ein Gratinee, recht süss) mit Kürbiskernen (ein toller Kontrast, gibt trockene / ‚fette‘ Aromen) und Traubenkernen.
6. Handkäs / Musik
Der Frankfurter Regionaliät geschuldet ist der nächste Gang – Handkäs mit Musik. Der Handkäs flüssig, die Vinaigrette molekular in ‚Kaviarkapseln‘ verpackt. Kümmel, Brotstücke, Zwiebel – diese moderne Interpetatoin von Handkäse und Musik mundet!
7. Rote Beete / Sanddorn; Sorbet mit Emulsion mit Sonnenblumenkernen
Als Dessert ein Rote Bete Eis, rohe rote Beete Kügelchen, Standort.
Dazu wieder sehr kreativ serviert karamellisierte Sonnenblumenkerne (in den Papiertütchen, welche in einer – nicht zum Verzehr bestimmten – roten Beete stecken).
8. Patisserie
Als süsser Abschluss noch tolle Früchte auf Eis…
… sowie Quittengelee mit Steinsalzkaramelchips, Petersilienwurzeln und rote Rüben Chips.
Das Finanzielle:
2 mal das 7 Gang Menü, dazu 2 Glas Champagner, Wasser sowie ein toller Rotwein zu akzeptablen EUR 450,-
Unser Küchenreise-Rating:
Alles in allem genossen wir ein beeindruckendes Menü, kreativ und eigenständig! Es war toll, und wir sind höchst gespannt, wie die Entwicklung in der Küche der Villa Merton weitergeht!
Wir möchten die Entwicklung in der Villa Merton weiter verfolgen, unser Küchenreise-Rating daher:
5 – Unbedingt wieder
(1 – nie wieder, 2 – wenn’s die Umstände erfordern, 3 – wenn es sich ergibt, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Blogroll – was schreiben andere:
- Highendfood (Juli 2009)
- Sternefresser (2010)
- Biss (August 2011)
- Restaurant Ranglisten Forum (2010)
Villa Merton im Union International Club Am Leonhardsbrunn 12 60487 Frankfurt