Chef, die Warp 2 Barriere ist durchbrochen!

In Star Trek durchbricht der erste Mensch mit viel Aufwand 2143 die „Warp 2“ Geschwindigkeitsbarriere und legt die Basis für die Entwicklung des „Warp 5“ Antriebes. Silvio Nickol hat im März 2012 die 2 Michelin Sterne Barriere erfolgreich durchbrochen und Ambitionen auf den 3 Punkt. Captain – ähm Chef – die Richtung stimmt!

Bericht publiziert im Juli 2012. Das Restaurant erhielt im Nov. 2012 den 18. Gault Millau Punkt.

Das „Silvio Nickol“ ist Stadtgespräch. Vom Wörthersee kam der Medienberichten zufolge 2 Meter grosse Deutsche Silvio Nickol nach Wien. Im Palais Coburg bekocht er nun seit 2011 die Gäste im nach seinem Namen benannten Restaurant. Erklärtes Ziel – „3 Sterne“. Der Zwischenschritt von deren 2 Sternen und 18 Punkten ist in 2012 erreicht.

Futuristisch der Rahmen im sonst altehrwürdigen und geschichtsträchtigen Restaurant Coburg. Fast fühlt man sich an Star Treck erinnert – so mögen sich Regisseure in den 60er Jahren das Gourmet Restaurant des nächsten Jahrtausends vorgestellt haben! Auf irgendeinem Stern – mit Warp 5 Antrieb schnell zu erreichen. Wobei 3 Michelin Sterne es auch tun würden.

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Ungewöhnliches polarisiert: Die beste Küche der Stadt, der beeindruckenste Weinkeller (Coburg-Österreichisch „Weinarchiv“), die aussergewöhlichste Location. Oder aber auf Gästeseite fest in russischer Hand, fokusierend auf das Statussymbol Wein und weniger auf die Küche, und das exklusivste Bordell der Stadt gleich nebenan. Wir wollen uns da unser eigenes Urteil bilden!

Und finden die Räumlichkeiten aussergewöhnlich, doch beeindruckend. Und erleben die russische Familie an einem der Nachbartische als kulinarisch interessiert.

Der Service – jung, charmat, aufgeweckt und qualifiziert – Spitzenklasse! Einzig der „Chef’s Table“ scheint mehr eine Vermarktungsstrategie für die „billigen Plätze“ in einem schlauchförmigen Raum beim Eingang des Restaurants zu sein, an welchen via Monitor das Geschehen aus der Küche übertragen wird – wir wären davon enttäuscht gewesen!

Doch wir starten ja im Hauptteil des Restaurants unser Menü. Am Website gibt es deren zwei, die „Grosse Lust“ (8 Gänge) und die „Kleine Lust“ (5 Gänge). im Restaurant geht es im wesentlichen darum, die Anzahl der Gänge auszuwählen (bis zu 12 Gängen) und sich dann überraschen zu lassen. Jeder zusätzliche Gang über dem 8ten für nur EUR 10 Mehrpreis – ein attraktiver Deal!

So berechnen wir den Durchschnitt aus (aufgerundeten) 18 Punkten und 2 Sternen, das ergibt die Zahl 10. Folglich erscheint uns diese Zahl passend für die Anzahl der Gänge.

Die Weinkarte des Coburg ist phänomenal. Ein dickes Buch, mehr als 5’500 Weine mit Jahrgängen seit 1727. Doch wir empfehlen die Weinbegleitung: Was hier offen offeriert wird, gibt es an anderen Orten nur in ganzen Flaschen – wenn überhaupt. Kurz stimmen wir uns mit dem Sommelier ab, worauf der Fokus liegen soll / wie sehr wir auch (teurere) Raritäten einfliessen lassen möchten. Dann kann es losgehen!

Unser Dinner im Restaurant Silvio Nickol im Palais Coburg in Wien

0. Grüsse aus der Küche

4 verschiedene Champagner wurden uns zum Start offeriert. Wir wählten einen Dom Ruinart Rosé 1986. Aus der für uns geöffneten Flasche wurde der gereifte Champagner in zwei normale Weingläser eingeschenkt. Bernstein-faren, kräftig moussierend, intensiv und mit Aromen wie trockenen Früchten und Orangen zog er uns in seinen Bann.

Die Wassergläser sind eher Trinkbecher im Star Treck Stil. Ungewöhnlich, doch uns hat es nicht gestört und zum Ambiente passt es.

Dann ging es los mit den Grüssen aus der Küche: Zunächst ein paar Kräeter mit Salz auf einem Steinblättchen sowie eine Art Grapefruit-Drink in kleinem Glas.

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Danach die Haute Cuisine Version der Schinkenstulle.

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Sodann ein paar „Spiesse“, einmal mit Falaffel ,einmal mit Hüttenkase.

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Danach ein Sushi vom Pulpo mit einem feine Schärfe gebenden Wasabi-Tupfen.

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Es folgte ein Cornetto mit Tatar von Lachs und von Rind.

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Der letzte in einer Vielzahl von Grüssen dann „Aal mit Grün“, Aal mit Gurke und Avokado in unterschiedlichen Zubereitungsarten – ein erfrischender und guter Abschluss dieses Feuerwerks an kulinarischen Einstimmungen!

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Unser Hunger auf mehr war geweckt!

1. Gänseleber Schokolade

Falsche Fährten können die Neugierde des Geniessers wecken. Die Champignons auf dem Teller des 1. Ganges waren eine solche falsche Fährte, in wirklichkeit waren diese aus Gänseleber, welche toll mit schokoladigen Komponenten am Teller harmonierte.

Sehr schön dazu auch der Chateau Yquem 1986 im Glas.

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2. Bausatz „Hollandaise“ Spargel, Ei, Nussbutter

Der Frühling ist Spargelzeit, doch warum immer gleich geniessen. Wie in einem Bausatz hat Slivio Nickol das klassische Spargelgericht auseinandergeommen und wieder neu zusammengestellt. Spargel, Brösel, Ei, Nussbutter – eine ansprechende und kreative Interpretation.

Im Glas gab es dazu aus der Wachau einen Grünen Veltliner Loibnerberg Smaragd von Pichler aus dem Jahre 2006, schön gereift und intensiv.

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3. Fluss Flusskrebse, Steinplize, Kohlrabi, Zwiebelsauce

Das nächste Gericht dann Fusskrebse mit Steinpilzen, Kohlrabi und einer für gegenüber den wunderbaren Krebsen zu intensiven Zwiebelsauce. Dazu ein Riesling Felsenberg 1. Gewächs vom Weingut Schäfer-Fröhlich von der Nahe.

4. Nudelauflauf Tomate, Parmesan, Bohnen

Beim Nudelauflauf wiederum verschiedene Komponenten, welche sich in typischerweise in einem solchen wiederfinden, auf andere Art zsuammengesetzt. Die Pasta mit innen Parmesan hat uns sehr gemundet, in Summe kam uns dieses Gericht aber zu „trocken“ rüber. Als Weinbegleitung dazu ein Jermann Vinnaioli Vintage Tunina 2008 aus dem Friaul.

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5. Salzig Seeforelle, Sellerie, Malz

Die Seeforelle kombiniert mit einem Stanizel mit Selleriecreme sowie mit Malz – letzterer für uns zu intensiv im Vergleich zu den anderen Komponenten. Als Wein genonossen wir dazu einen Cote de nuit aus dem Jahr 2007.

6. Nimm 2 Schwanz, Bries, Pastinaken

Das Kalbsbries schien uns ok, der geschmorte Schwanz wirkte auf uns etwas fasrig. Die Idee hinter dem Teller ist eine gute, die Umsetzung wirkte auf uns an diesem Abend nicht perfekt. Im Glas dazu ein Pinot Noir aus dem Burgund (Chambolle-Musigny 2002).

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7. Weidmannsheil Reh, Wirsing, Roennaisersauce

Der zweite Fleischgang dann ein guter Maibock, dazu ein toles Glas mit Wirsing und Kartoffelmousseline; die Sauce eher schwer, aber intensiv. Ein 1996’er Bordeaux vom Château Pontet-Canet begleitete diesen Gang, die Aromen von Feige, Zwetschke und ein wenig Cassis gefielen uns gut.

8. 3KäseHoch Mimolette, Karotte, Pistazie

Ach wie schnell verfliegt die Zeit! Schon der Käsegang – ein Drei-Käse Kuchen, intensiver Cheddar, schön kombiniert mit der Frische der Karotte am Teller sowie mit Pistazien. Toll! Dazu ein Gewürztraminer der Domaine Weinbach aus dem Jahr 2002.

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9.a Vitamingemisch

Als Pre-Dessert dann ein „Vitamingemisch“, Orangen von der Orange, Bittertöne von Graipefruit sowie (Erd?)Nuss – toll! Ein Glas Champagner „Femme de Champagne“ von Duval-Leroy war dazu genau das richtige.

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9.b Erdbeermilchshake Erdbeere, Milch, Shake

Frische und getrocknete Erdeeren, Milcheis, Karamelltupfer und mehr im Glas – ein fruchtiges und erfrischendes erstes Dessert. Dazu ein vorzüglicher Süsswein von Kracher, ein Rosenmuskateller 2005.

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10. Nutella Banane, Schoko, Joghurt

Zurück in die Jugendzeit – die Kombination von Nutella, Banane, Joghurt und Erdnuss erinnert an die Vorlieben aus der Kundheit und der Jugend. Der Geschmack hat sich seither weiterentwickelt, und die Interpretation von Silvio Nickol übertrifft auch jene „von früher“ bei weiten. Begleitet wurde der Gang von einem 1997 Vintage Port von Taylors.

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11. Petit Fours

Der Abschluss – zum Kaffee noch diverse Petit Fours. Wären wir nicht schon gut gesättigt, würden wir am liebsten wieder gleich von vorne starten!

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Das Finanzielle:

Fast EUR 870 für 2x das 10-Gang Menü mit Champagner vorab, Weinbegleitung, Wasser und Espresso sind nun wahrlich kein Discount Preis, sondern setzen auch preislich Massstäbe in Wien. Dies ist zu einem grossen Teil der einzigartigen Weinbegleitung geschuldet. Doch das gleichfalls hoch dekorierte Steirereck (Platz 11 in der von Pellegrino gesponserten „Restaurant-Weltrangliste“) ist preislich klar attraktiver.

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Unser Küchenreise-Rating:

Für uns ist das Silvio Nickol hinter dem Steirereck klar zum zweitbesten Restaurant der Stadt aufgestiegen, beim Weinkeller sogar zum besten. Das Essen ist vorzüglich, der Service toll! Einzig die Preise sind sehr hoch.

Die weiterhin hohen Ambitionen freuen uns, und (positive) Konkurrenz belebt den Wiener Restaurantmarkt, welcher durch verschiedene Schliessungen der letzen Jahre ohnedies gelitten hat.

Wir möchten unbedingt wieder mal kommen und die weitere Entwicklung des Restaurants verfolgen!

Der Guide Michelin hat das Restaurant Silvio Nickol mit 2 Sternen bewertet, der Gault Millau hat 18 Punkte verliehen.

5 – Unbedingt wieder
(1 – nie wieder, 2 – wenn’s die Umstände erfordern, 3 – wenn es sich ergibt, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)

Blogroll – was schreiben andere:

  • Sternefresser (2011)
  • Restaurant Ranglisten Forum (seit 2011)
  • Die Presse (März 2012)
  • Mangoblüte (Juni 2012)
  • docflo (Dezember 2011)
  • Weine & Feinkost Unterwegs (Januar 2012)


Restaurant Silvio Nickol im Palais Coburg

Coburgbastei 4
A-1010 Wien

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1 Kommentar

  1. Ein toller Bericht. Und die Weinbegleitung ist ernstlich beeindruckend – d’Yquem by the glass bekommt man wahrlich nicht oft. Da ist der hohe Preis auch nicht verwunderlich.
    Weiter so – eure Berichte machen Spaß!

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