Fata Morgana der Vorstadt? Real!
Irgendwo in der Wiener Vorstadt findet sich unerwartet ein Gourmettempel. Das Restaurant Mraz überzeugt durch kreative und spannende Küche. Keine Fata Morgana – ganz real!
Graue Vorstadt in Wien Brigittenau. Der 5er rumpelt durch die enge Kurve. Es wird dämmrig, der Billa ist schon zu, der Bipa gegenüber auch. In der Videothek brennt noch Licht. „DVD Abverkauf“ – ja, heute lädt man Filme doch von iTunes. Ein Kolpoteur preist die morgige Ausgabe der Kronenzeitung an – „Arnie brettert mit Panzer durch die Kaserne“ oder so, wie interessant.
Hier irgendwo soll es sein, eines der besten Restaurants von Wien. Cafe Monika, türkischer Sportkulturverrein, Cafe Palme – nein, wir sind noch nicht am Ziel. Werden wir in der Vorstadt hungrig bleiben? Da – ein paar erleuchtete Fenster, eine gepflegte Tür, hoffentlich ist das jetzt nur keine Fata Morgana!
Doch die Türklinke fühlt sich real an, die Tür lässt sich öffnen und auch der Raum dahinter, das Lächeln der Gastgeber ist real: Wir tauchen ein in die wundersame Welt des Restaurant Mraz (1 Michelin Stern, 17 Gault Millau Punkte).
Endlich mal warm ist es an diesem Frühlingsabend. Wir werden zu unserem Tisch im mit Sonnensegel überdachten Innenhof geführt und beginnen uns wohzufühlen.
Unser Dinner im Restaurant Mraz in Wien
0. Grüsse aus der Küche
Bei einem Glas Champagner erhalten wir den ersten Gruss aus der Küche, einmal Ziegenkäse in Roter Rübe und Aalcreme, einmal Schweinebauch mit einer Art Puffreis umhüllt. Fein!
In der Pexiglasröhre dabei befindet sich – wie praktisch – gleich die Karte. Sicher kein Zufall. Doch so genau wollen wir nicht nachfragen..
Jetzt geht’s Schlag auf Schlag mit weiteren Grüssen:
– Fisch & Chips mit Remouladensauce
– Brot mit Butter und Olivenöl
– Gebeizte Forelle mit Waldorf Salat, Wasabi und Algenblatt: Gut!
Wir haben die Zeit gut genutzt. Die Karte studiert. Arnie braucht einen Panzer, um durch die Kaserne zu fahren. Wir haben auch ohne solchen den Weg in die Vorstadt gefunden – wir scheuen kein Risiko. Und wählen das Menü „No Risk No Fun“ – neun Gänge nach Markus Mraz. Würden Sie 9 Gänge von jemandem Essen wollen, den sie noch nie persönlich gesehen haben? Eben – aber wir scheuen ja kein Risiko.
1. „Dosen Sardine“ Ceviche – Oliven – Topinambour – Birne
Das Menü wird eröffnet mit Dosensardine. Sie zweifeln an unserer Menüwahl? Lassen Sie sich nicht in die Irre führen!
Die Sardine wird in offener Dose zum Tisch gebracht und dort dann auf dem Teller platziert. Weitere Mitspieler am Teller sind eine essbare Sardinengräte, Staudensellerie und – wenn die Erinnerung nicht täuscht – Topnambur-Creme. Ausgezeichnet die Sardine, köstlich die Kombination, kreativ die Idee – eine starke Eröffnung!
Getrunken haben wir dazu im Rahmen der Weinbegleitung einen Sauvignon Blanc aus dem Burgenland.
2. „Pop Art“ Langostinos – tomaten kunterbunt – schwarzer Knoblauch – Umami
Marilyn lebt – die nächste Fata Morgana. Zumindest ist auf dem „Teller“ unseres nächsten Gerichts ein Bild von ihr zu finden. Sowie eine gebratene Langustine – ok. Und sehr feine Variationen von der Tomate, sowie ein wenig „modernem“ scharzem Knoblauch. Ein Riesling vom Bründlmayer im niederösterreichischen Kamptal war ein guter Begleiter.
3. Karotte, flüssig Mandeln – Schneekrabbe – Kakao
Eine süssliche Karottensupe mit einem stück wunderbar knackiger Karotte sowie Schneekrabben und ein wenig Mandeln und Kakao – der Chef ist zweifelsohne kreativ und das Resultat ist ansprechend. Ein zurückhaltender Wachauer Grüner Veltliner vom Weingut Pichler-Krutzler fand sich diesmal im Glas.
4. Gänseleber Erdnuss – Spargel – Rhabarber
Gänseleber und Erdnuss – eine spannende Kombination! Die Rhabarbercreme gibt dazu noch Säure und Frische. Ein Sämling Süsswein begleitet ansprechend.
5. Donaulachs im Aquarium
Ach hätte doch jeder Donaulachs (auch Huchen genannt) ein solches Aquarium! Eingesperrt mit Gurkensauce, Fischauce, Dillsauce und einer Auster – toll! Dazu gibts einen am Tisch frisch gemixten Cocktail aus Gurkenwasser, Austernwasser, Pfeffer und österreichischem Gin vom Reisetbauer – gurkig und lecker! Der Chardonnay im Glas war gleichfalls eine passende Wahl.
6. Dry Aged Mangalitza Schwein – von Graf Franz aus Munderfing Chorizo – Feigen – Feta
Adeliges Schweinefleich? Nun der Graf Franz ist eigentlich Franz Graf, Fleischermeister aus Salzburg. Dessen Produkte, so schreiben die Oberösterreichischen Nachrichten, von einem Restaurant auch schon als „Gammelfleisch“ beworben wurden. Gourmets nennen das eher „Dry Aged“.
Das Fleisch vom Mangalitza Schwein war intensiv und ausgezeichnet, das Stück Kruste auf dem Teller köstlich. Feta, die feinen Zwiebelringe und die Sauce gleichfalls sehr ansprechend. Einzig die Chiorzo Creme schien uns zu scharf und intensiv und für uns die anderen Komponenten überdeckend.
Im Glas war diesmal ein Blaufränkisch Chevalier von Iby aus dem Mittelburgenland der Hauptdarsteller. Ach ja, den Teller haben nicht wir so zerstört. Der gehört so…
7. Kaese vom Wagen Trüffelhonig – Marillenchutney – Rosinensalat – Essignüsse – Oliven – Pesto
Nun war es Zeit für den Käse, das Mraz verfügt über einen wohlsortierten Käsewagen. Dazu Trüffelhonig, Marillenchutney, Rosinensalat, Essignüsse, Oliven und Pesto sowie ein Le Volte von Ornellaia im Glas.
8. Ich seh etwas was du nicht siehst und das ist …. ROT!
Das erste Dessert – eine Art rotes Lagerfeuer auf einem Stein serviert. Zu Beginn das (allerdings kalte und nicht glühende) Himbereis, dann unter anderem (fast bittere) Schokolade und HImbeeren. Geschmacklich einen wunderbare Kombination zum Thema Schoko – Himbeer!
9. Mraz & Sachertorte
Besuchen Sie Wien, so bringen Sie den daheimgebliebenen doch eine Sachertorte mit. Sie werden Klischees bedienen, Freunde glücklich machen und sogar ein paar neue Freunde gewinnen.
Die Mraz’sche Sachertorte ist – wie nach den ersten 8 Gängen zu erwarten – etwas anders. Dekonstruiert, könnte man sagen. Da ist ein guter Schokolade-Schwammkuchen, da ist ein feines Vanille-Schlagobers. Da ist eine dehydrierte Marille – im Originalzustand mögen wir sie mehr. Und da ist eine supertolle selbstgemachte Schokolade, auf der Unterseite irgendwie „schaumig“.
Schwer zu transportieren zu Daheimgebliebenen, doch ein solches Gericht will man ohnedies nicht teilen! Auch in Kombination mit dem Rosenmuskateller von Lageder.
10. Petit Fours
Zum Espresso dann noch ein paar kleine, aber feine und wiederum sehr kreative Petit Fours.
Nacht ist es geworden im Mraz’schen Innenhof. Und wir sind satt und zufrieden ob dieser wunderbar kreativen kulinarischen Reise!
P.S. Zur Einleitung: Der 5er ist eine Strassenbahn, Billa eine Supermarkt-Kette und Bipa eine Pafümerie-Kette. Die Krone ist die Kronenzeitung, Österreichs auflagenstärkste Boulevardzeitung. Die angesprochene Schagzeile ist dieser entnommen, allerdings nicht vom Tage unseres Besuches.
Das Finanzielle:
Zwei Mal das 9-gängige „No Risk, no Fun“ Menü, dazu die Weinbegleitung, Champagner vorab, Wasser und Kaffee summieren sich auf faire EUR 340.
Unser Küchenreise Rating:
Eine wundersame Reise ist das Menü im Mraz – wunderbar kreativ! So weckt man kindliche Freude im Gast, bringt die Augen zum leuchten. Doch nicht nur die Kreativität überzeugt, hier wird auch auf hohem Level gekocht. Wir haben den Abend sehr genossen und kommen gerne wieder!
4 – Gerne wieder
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Restaurant Mraz & Sohn
Wallensteinstrasse 59
A-1200 Wien