Kulinarischer Bauhaus-Stil am See

Formvollendet, praktisch und schnörkellos – so wird der Bauhaus-Stil in der der Architektur beschrieben. Wenige Komponenten am Teller, klares Geschmacksbild, reduziert auf das wesentliche –  so haben wir das Restaurant Belvedere am Vierwaldstättersee erlebt und genossen.

Der Gault Millau hat sein Verdikt gesprochen: Neu 16 Punkte für das Restaurant Belvéderè mit Chef Fabian Inderbitzin [Anmerkung: Und neu auch ein Michelin Stern]. Schon vorher ist die Medienmaschine angerollt: Auf Artikel in 3 Ausgaben der Schweizer Illustrierte, wie der GM vom Ringier Verlag publiziert, weist die Homepage des Restaurants hin.

Wir haben uns unser Urteil ein paar Wochen vor dem Erscheinen des Gault Millau gebildet. Hergiswil – da fällt einem der Vierwaldstättersee ein oder die Glasi Hergiswil (eine der letzten Glashütten der Schweiz, welche besichtigt werden kann). Interessiert uns heute alles nicht! Auf zum Seerestaurant Belvedere!

Am grossen Parkplatz stellen wir den Wagen ab. Von aussen ist das Belvedere – sie verzeihen den Ausdruck – hässlich. Eine Sünde vergangener Jahrzehnte. Doch treten Sie ein, und plötzlich finden Sie sich wieder in einer anderen Welt! Grosszügig sind die Räume, und modern designet; farblich herrschen Grau- und Weisstöne vor, das braune Parkett und das eine oder andere stylische Accessoire. Und dann die Aussicht durch die lange Fensterfront zum See– schon im Herbst bei schlechtem Wetter beeindruckend. So richtig toll muss es an einem warmen Sommerabend auf der Terasse sein!

Stop! Dies ist kein Architekturblog, dies ist ein Fress-Blog. Wir wollen ja über das Essen berichten. Und malträtieren Sie dennoch mit einer weiteren Anleihe aus der Architektur – Bauhaus. Die klaren Linien, die Konzentration auf das Wesentliche, das setzt sich am Teller fort. Keine Schnörckel, dafür Geschmack. Bauhaus-Stil am Teller.

14 Speisen stehen Abends zur Wahl. Diese können sie frei nach Lust und Laune kombinieren.  2 Gänge, wenn Sie gerade auf Diät sind. 4 Gänge, wenn das Mittagessen ausgiebig und die Torte am Nachmittag gar gross war. 6 Gänge, wenn Sie hungrig sind. Das Tasting Menü mit 8 Gängen, wenn Sie genauso verfressen kulinarisch interessiert sind wie wir.

Unser Menü im Restaurant Belvédère in Hergiswil

0. Gruss aus der Küche

Vorab wurden wir aber erstmal mit einem Gruss aus der Küche überrascht. Kaninchen mit orientalischen Aromen – sehr gelungen. Der Orient fängt am Vierwaldstättersee an. Wie auch der Balkan am Wiener Rennweg beginnt, so soll Staatskanzler Metternich das einst gesagt haben. Welche ein Zufall, das Wiener Schloss Belvedere ist gleich am Rennweg; und wir essen heute im Restaurant Belvedere. Haben wir Sie endgültig verwirrt? Klare Linien am Teller, nicht in diesem Beitrag…

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1. Tuna / Avocado~Melone~Curry

Roher Tuna in guter Qualität auf einer Scheibe Wassermelone, mit Melonenstückchen. Gelungene Kombination! Die Melone macht das Gericht lebendig, Avocado und die leichte Schärfe des Curries runden das ganze wunderbar ab. Ein sehr schöner Einstieg!

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2. Foie Gras / Balsamico~Grüner Apfel~Brioche

Das zweite Gericht ist schon optisch ein Genuss. Formen, Farben – klare und reduzierte Linien, bis hin zum Brioche-Quader. Bauhaus am Teller halt, haben wir das schon mal erwähnt?

Geschmacklich ist die Gänseleber sehr gut, die Balsamico Creme gelungen. Doch der Apfel – stellen Sie sich kurz einen Granny Smith in Hochform vor. Ja, einen, bei welchem Sie – wenn Sie hineinbeissen – anfänglich das Gesicht verziehen. Nicht weil er schlecht ist, gar nicht. Aber weil die Säure intensiv ist, bevor dann der Geschmack den Mund erfüllt.

Gänseleber und Apfel – das eine bringt die Cremigkeit, das andere die Lebendigkeit. So ist das normalerweise. Unser Apfel hat die Geschmacksknospen zugedonnert. Der Gänseleber keinerlei Chance gelassen. Wo bleibt die Balance?

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3. Erbsensuppe / Poularde~Eierschwämmli~Wachtelei

Weiter zur Erbsensuppe. Optisch erneut stylish; die grüne Suppe wird am Tisch auf die Eierschwämmli (Pfifferlinge), die Poularde (Huhn) und ein Spiegelei gegossen. Unser Liebling auf diesem Teller ist eindeutig die Erbsensuppe selbst – fein abgeschmeckt, sophistiziert. Die Pfifferlinge ok, das Fleisch gut gelungen. In Summe ein sehr schöner Gang!

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4. Challans Ente / Pfirsich~Entenleber~Fenchel

Erneut ein Beispiel für die Inderbitzin’sche Küche: Wenige, aber ausdrucksstarke Komponenten am Teller. Da ist die Ente; sowie ein Stück gebratene Entenleber. Da sind eine Art Rilettes von der Ente, welche eine bodenständige Note hinzufügen. Die Scheibe vom Pfirsich verfeinert. Einzig der Fenchel, unter der Ente positioniert, wirkt auf uns zu dominant – Geschmacksache. Aber der wunderbar intensive Fonds macht das mehr als wieder gut!

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5. Tagliatelle / Stanser Ziegenfrischkäse~Artischocken~Steinpilz

Da war in der Küche jemand verliebt! Ja, ja, wir haben es gemerkt! Die Steinpilze erschienen uns deutlich zu salzig. Von der Pasta waren wir Meckerer auch nicht so richtig begeistert. Gut der Ziegenkäse. Irgendwie lässt uns das Gefühl nicht los, dass die Idee hinter dem Gericht nicht perfekt am Teller gelandet ist.

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6. Zander / La Ratte Kartoffeln~Aubergine~Sauce Rouille

Gut der Zander, doch für uns wirkte es, als hätte er ein wenig zu lange am Pass auf das freundliche Service-Personal gewartet. Die Sauce Roulile intensiv und mit einiger Schärfe – im Wechselspiel mit dem Zander droht sie immer wieder, das Ruder zu übernehmen. Da hilft der Nocken von Ra Ratte Kartoffelpüree und die Auberginen, für Ausgleich zu sorgen.

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7. Kalbsfliet / Aprikose~Lauchzwiebel~Polentagebäck

Gutes Kalbsfilet, durch die Aprikose in Sauce / am Teller in die süssliche Richtung positioniert. Unscheinbar die Polenta-Rolle, welche separat in einem kleinen Tässchen gereicht wird – wir lieben diese! Die Anwärterin auf die beste Polentarolle der Welt!

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8. Coulant / Mango~Kokos~Passionsfrucht

Zwei Küchenreisende – 50% davon verrückt nach Schokolade, 50% haben beruflich zu viel davon gesehen. Einig sind wir uns – die Qualität der Schokolade am Teller ist top!

Am Teller zunächst eine Art „Schokoladestrasse“ u.a. mit Schokoladecreme. Darauf luftiges und wunderbar schmeckendes Eis – Mango war unser persönliche Lieblingssorte! Separat in kleinem Tässchen dann noch ein wunderbar gelungener Coulant mit flüssiger Schoklade innen drinnen. So macht Dessert Essen Spass!

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9. Petit Fours

Der Abend neigt sich dem Ende zu; und somit ist es Zeit für die Petit Fours. Pistazien-Macarons, Kokos-Krokant, Himbeer-Zitronentörtchen und mehr – alles erklärt auf der kleinen Karte, welche uns dazu gereicht wird. Diese sagt auch Danke für den Besuch – eine sympatische Geste!

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Das Finanzielle:

Ein Mal 8, einmal 7 Gänge; vorab Champagner / Haus-Apero, dazu Wein, Wasser und Espresso – das ergibt in Summe faire CHF 430.

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Unser Küchenreise-Rating:

Die Küche der klaren Linien, die Reduktion auf wenige Komponenten, die Kreativität hinter den Speisen hat uns sehr gefallen! Das Austarieren der Komponenten zu einem Gesamtwerk schien uns an unserem Abend nicht bei jedem Gericht perfekt gelungen.

Dennoch alles in allem ein sehr gelungener Abend in angenehmer Atmosphäre! Das Belvedere ist schon jetzt ein Highlight am und um den Vierwaldstättersee – wir werden die weitere Entwicklung gespannt verfolgen!

4 – Gerne wieder
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)

Seerestaurant Belvedere
Seestrasse 18a
CH-6052 Hergiswil

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