Der talentierte Mr. Karr
Lesen wir einen Krimi, zittern wir mit den Guten. Werden Sie über das Böse siegen, wird der Fall gelöst, behält das Recht Oberhand?
In Patricia Highsmith’s spannungsgeladenem Roman „Der talentierte Mr. Ripley“ ist all das anders. Tom Ripley – ist der Bösewicht. Und dennoch ist die Sympathie des Lesers stets auf der Seite der talentierten und charmanten Romanfigur.
In Süddeutschland schätzt man die gute, klassische Küche. Der Gast honoriert Beständigkeit und Qualität. Doch nicht unbedingt das innovative. So weit die Vorurteile.
Doch im Restaurant Karr in Langenargen am Bodensee ist all das anders. Frederik Karr bricht mit Traditionen, ist Modernisierer. Sanft zwar, doch bestimmt. Und plötzlich sind die Sympathien des Gastes auf der Seite des talentierten und gleichfalls charmanten Mr. Karr.
Doch lassen Sie uns ausholen. Schon der Vater war mal ein „junger Wilder“. War Anfang der 80er Jahre etwa Sous-Chef im Tantris, damals wohl dem angesagtestem 3-Sterne Tempel in Deutschland. Und ergriff dann mit seiner Frau die Gelegenheit, sich am Bodensee selbständig zu machen.
Klassisch und mit intensiven Aromen, so wird seine Küche beschrieben. Krankheitsbedingt hat dann vor kurzem sein Sohn übernommen. Und dieser bringt Erfahrung und Ideen unter anderem aus dem Ophelia in Konstanz oder Steinheuers Alten Post in Bad Neuenahr mit.
Einige Klassiker gibt es noch immer auf der Karte. Doch daneben das Menü Innovative: 13 Gänge, aus welchen der Gast ein Menü zusammenstellen oder sich mit 7 Gängen überraschen lassen kann. Wir haben letzteres getan. Und waren gespannt!
Unser Dinner im Restaurant Karr in Langenargen
Amuse – Gruss des Hauses
Butter und Brot werden an unseren Tisch gebracht. Eine Rotweinbutter, um genau zu sein – fein. Das Brot – geht so. „Aufgebacken“, fragen wir uns?
Ein guter Einstieg ist der Gruss aus der Küche, eine Tasse mit einem grasgrünen Kräuterschaumsüppchen mit ganz kleinen, gerösteten Brotstückchen, welche eine schöne Textur beisteuern.
Rindercarpaccio – Pinienkerne, Kresse, Gauda
Beim ersten Gang lässt Mr. Karr sein Talent aufblitzen. Und zeigt, wie man Klassiker sorgfältig modernisieren kann.
Das Carpaccio vom Rind ist von intensivem Geschmack. Statt Parmesan kombiniert es Frederik Karr mit 5-jährigem Gouda. Der hierzulande oft unterschätzte niederländische Käse bringt einen wunderschönen rezente Touch.
Das gewählte Olivenöl ist ein wenig kratzig und dadurch kommt keine Langweile auf; und es steuert eine schöne Bitternote bei. Der Friseesalat bringt Frische, die gerösteten Pinienkerne und Brotwürfelchen (die kommen uns doch bekannt vor) Röstaromen und eine interessante Textur. In Summe ein moderner Klassiker quasi – gelungen!
Stunden Ei 62° – Trüffel, Kartoffelschaum, Blattspinat
Das nun folgende Gericht zeigt, dass es die Küche versteht, klassische Geschmacksbilder präzise umzusetzen. Ein 62 Grad gegarte Stundenei mit schön flüssigem Kern (und aussen Eiweiss – das ist Geschmackssache) wird kombiniert mit Kartoffelschaum, Blattspinat und Trüffel. Eine aromatisch intensive und geschmackvolle Kombination, welche jeden Winterabend bereichert!
Krustentierbisque & Jacobsmuschel – Estragon
Auch die mit Estragon aromatisierte Bisque von Krustentieren ist präzise gearbeitet, aromatisch tiefgründig und perfekt abgestimmt. Die angebratene Jacobsmuschel dazu ist ok, doch mag uns nicht so zu begeistern wie die Suppe.
Steinbutt – Karotte, Schwarzwurzel, Kartoffel, Pastinake, Paprikasud
Spannend aufgebaut und wiederum auf der innovativen Seite ist das nun folgende Gericht. Der Steinbutt befindet sich in einem ein wenig gelee-artigen, köstlichen Paprikasud mit leichter Schärfe. Eingelegte Cranberries steuern Säure bei, ein Pastinakenpüree einen Hauch Süsse.
Weitere Begleiter sind Schwarzwurzeln (hoch lebe dieses verkannte Gemüse) und knackige, karamellisierte Karotten sowie die wohlschmeckende, geflämte Fettflosse (Als Laien sind wir verblüfft, dass der Steinbutt eine solche hat).
Das ganze ergibt einen abwechslungsreichen, intensiven Teller, der Freude macht!
Maispouldarde & Wachtel – Marone, Sellerie, Spitzkohl, Waldpilze, Dauphine
Optisch ist der nächste Teller auch auf der modernen Seite. Maispoularde und Wachtelbrust sind die Hauptdarsteller.
Begleiter sind Waldpilze, Sellerie und Spitzkohl, Pommes Dauphines und Maronen, vieles davon in verschiedenen Zubereitungsarten und Konsistenzen. Geschmacklich gefällt uns das ganze gut, doch wir denken, ein wenig Reduktion bei den Komponenten könne das Gericht noch kraftvoller machen.
Lammrücken – Lammbratwürstle, Bohnen, Artischocken, Chicoree, Gratin
Jetzt wird’s so richtig rustikal, meint man, wenn man den Namen des Gerichtes liest. Der Teller wird sicher auch keinen ‚konservativen Esser‘ verschrecken, doch er ist – anders als so oft – eher von Leichtigkeit als Rustikalität geprägt.
Der rosa Lammrücken wird mit sehr feinen Bratwürstle vom Lamm kombiniert. Das grüne der Bohnen als Beilage ist knackig und gibt dem Gericht Frische. Die Bohnen selbst und das Gratin geben Erdung, die karamellisierte Artischocke Süsse. Und der Fonds eine Menge Aromatik und Wohlgeschmack. So wünschen wir uns Klassiker!
Warmer Schokokuchen – Granité, Passionsfrucht, Mandarine
Sorgfältige Leser dieser Seiten wissen, dass man uns mit Schokoladenem durchaus begeistern kann. Somit ist ein perfekter Schokoladekuchen (innen mit wunderbar flüssiger Schokolade) – wie hier als süsser Abschluss gereicht – immer willkommen.
Gerade, wenn er noch ergänzt wird mit Quark-Gratiné, welches eine säuerliche Note und damit Frische beisteuert. Mit Schokoladeeis, mit Schoko-„Staub“. Mit einer Baiser-ähnlichen Rolle (Quark?). Lebendig, frisch und gut kommt uns da spontan in den Sinn.
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Unser Küchenreise-Rating
Wir durften so einige Restaurants in der Bodensee-Region besuchen. Da waren grossartige Erlebnisse darunter, doch in der Breite scheint uns das kulinarische Angebot noch immer eher traditionell geprägt.
Auch daher gefällt uns der „frische Wind“ im Restaurant Karr. Frederik Karr baut auf der Linie seines Vaters auf, doch er modernisiert die Küchenlinie Schritt für Schritt. Und scheint dabei den Spagat zwischen den Erwartungen von Stammkunden und dem Ansprechen neuer Zielgruppen durchaus gut zu meistern.
Seine Gerichte sind präzise gekocht und basieren auf einer starken technischen und handwerklichen Basis. Sie sind aromatisch intensiv und kombinieren kreativ klassische und moderne Elemente.
Der Service ist freundlich und überzeugt; und auch Frederik Karr bringt immer wieder einen Gang an den Tisch und erklärt charmant die Speisen, reisst den Gast mit seiner Begeisterung mit!
Auf der Weinkarte finden sich sowohl lokale Weine aus der Bodensee-Region sowie einige internationale „Top-Weine“.
Wir sind gespannt, wie sich die Küche im Restaurant Karr weiterentwickelt. Wenn das Ziel eine weitere Modernisierung ist, so denken wir, dass alle Voraussetzungen dafür gegeben sind! Der junge Küchenchef ist talentiert, zweifelsohne! Und wie Mr. Ripley versteht er es, den Gast auf seine Seite zu ziehen.
Der Vater hat ihm dazu wohl das optimale Rüstzeug mitgegeben und wir meinen, er kann stolz auf ihn sein.
In jedem Fall werden wir das Restaurant auch in Zukunft gespannt beobachten.
4 – Gerne wieder
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Wie bewerten andere?
Der Gault Millau bewertet das Restaurant Karr in Langenargen mit 16 Punkten. Der Gusto vergibt 6 Pfannen.
[/tab][tab title=“Kosten“]Das Finanzielle
Für zwei mal das 7-gängige Überraschungsmenü, Sekt, Wein, Wasser und Kaffee haben wir in Summe faire EUR 257 ausgegeben.
[/tab][tab title=“Adresse“]Die Adresse
Restaurant Karr (im Hotell Karr)
Oberdorfer Strasse 11
88085 Langenargen
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