A Little Bit Of Nothing
Weshalb wir im Restaurant Horváth nicht wirklich satt wurden. Und auch nicht so ganz zufrieden.
Pünktlich um 19:30 steigen wir aus unser Taxi, betreten wir das Restaurant. Sympathisch die Atmosphäre! Wirtshaus-Ambiente, Kerzenlicht, eine grosse Schank beim Eingang, dunkles Holz, beim Mobiliar eine gelungene Mischung aus alt und neu.
Und an diesem Sonntag Abend ist das Restaurant beinahe voll – Beeindruckend! Mit viel Engagement und einer sehr eigenständigen Küchenlinie hat es das Restaurant von Sebastian Frank und Jeannine Kessler geschafft, zum Stadtgespräch zu werden. Man liebt es oder man hasst es, hören wir vorab. Doch unberührt lässt es wohl keinen.
Wir geniessen zum Einstieg einen Sekt vom Grünen Veltliner von Jamek, einem der Top-Weinproduzenten aus der Wachau. Und blättern in den ‚Geschichten aus dem Wienerwald‘ des unglücklicherweise viel zu früh in Paris von einem Ast erschlagenen Autor Ödön von Horváth.
Lesen vom „süssen Wiener Mädel“ Marianne, vom biederen Fleischhauer Oskar, vom Hallodri Alfred und dem Zauberkönig Doch halt, nun werden einige Stücke heller und dunkler Brotsorten uns serviert und die Menükarte gebracht, das erfordert unsere Aufmerksamkeit!
Beim Blutwurstbrot – in Wien auch „Blunznbrot“ genannt – müssen wir erstmals an wichtige Station im Lebenslauf von Chefkoch Sebastian Frank denken: Das Wiener Restaurant Steirereck (Lesen Sie mehr: Kulinarischer Fixstern am Wiener Firmament). Auch dort ist diese Sorte Dauergast am Brotwagen.
Dazu gibt es noch ein wenig Kartoffelpüree mit Nussbutter (gute Idee!) sowie Butter und Kürbiskernöl.
Unser Dinner im Restaurant Horváth in Berlin
Ein Menü von bis zu 10 Gängen wird im Horváth angeboten. „unendlich … unentbehrlich … unentgeltlich …“ – zumindest die Bedeutung des „unentgeltlich“ wird uns nicht ganz verständlich.
Der Gast kann auch 4 / 6 / 8 Gänge daraus wählen, dann wird das ganze ein „Menü Surprise“, die Küche wählt aus. Gemäss freundlichem Service hat der Gast dann kein „Mitspracherecht“, einzig auf Allergien & Co würde Rücksicht genommen. Weshalb das so sei, wurde bei unserer Frage nicht klar.
Anyway, wir haben uns für alle 10 Gänge entschieden. Schliesslich wollen wir einen Querschnitt durch die intensiv diskutierte Küchenlinie von Sebastian Frank bekommen!
Gruss aus der Küche
Doch zunächst ein Gruss aus der Küche: Ein kleines Stück angebratener Butterkrebs mit Rettich und Zitronencreme. Die Konsistenz des Kürbis wirkt etwas dumpf auf uns, das ganze als eher belanglose Aneinanderreihung von Komponenten – mehr ein Nebeneinander als ein Miteinander. (-/10)
stör | schweinerippe | stangensellerie
Der erste Gang wird uns gebracht. Drei Komponenten prägen den Teller. Da ist ein kleines Stück Stör, sehr scharf angebraten und mit klaren Röstaromen. Dann ist da eine geselchte und gebratene Schweinerippe, in ihrer Knusprigkeit und Intensivität an Frühstücksspeck erinnernd. Und dann sind da vergorener Stangensellerie mit Zitrone, oxidierter Apfel sowie knackigem Mangold und Kopfsalat.
Was ein schönes Miteinander von schönem Säurespiel, Röstaromen und dem fettigen Fleisch ergeben könne, kippt leider ganz stark auf die saure Seite. Gerade die Grösse des Störs ist einfach zu klein, um sich behaupten zu können. (6/10)
Ach ja, zu jedem Gang wird uns ein kleines Kärtchen mit allen Zutaten überreicht. Uns gefällt das, so können wir besser ‚verstehen‘, was wir da gerade verspeisen. Und auch das kommt uns aus dem Wiener Steirereck sehr bekannt vor.
lauch | brot | rettich
Basis des nächsten Tellers ist eine Creme von Graubrot und Pumpernickel. Darauf platziert sind scharf angegrillt das Herz vom Lauch / Lauchröllchen, weisses und grünes Lauchpüree, eine salzige Buttercreme sowie leichte Schärfe gebender schwarzer Rettich.
Eine spannendes Gericht mit guter Kombination der Aromen und erfrischender, gut eingebundener Säure. Schade einzig, dass die Portion sehr klein ist. (7/10)
champignon | rahm | schwarzwurzel
Dem leichten Knurren unseres Magens hat auch der nächste Gang wenig entgegenzusetzen.
Zwei gegrillte Champignonköpfe, dazu Schwarzwurzel in Zitronen-Gemüse-Dressing mit angenehmen Säurespiel, ein hervorragender saurer Kümmelrahm sowie Röstzwiebelgewürz mit Cayennepfeffer in Bröselform: Von Aromen und Textur passt das sehr gut, gegen den Hunger kommt das Gericht nicht an. (7/10)
zwiebel | taubenklein | kohlrabi
Weiter in Richtung Fleisch: Zwei Ofenzwiebel gefüllt mit „Entenklein“ werden kombiniert mit kleinen Stücken vom Taubenherz (darauf jeweils Kohlrabi, sowohl gegart als auch roh). Ein Zwiebelsud mit Haselnussöl wird am Tisch angegossen.
Die gefüllten Ofenzwiebel lassen uns etwas ratlos zurück. Hervorragend der Sud (sowie die gerösteten Haselnuss-Stückchen), geschmacklich gelungen! (6/10)
zeller | herbsttrompete | walnuss
Zeller, das ist die österreichische Bezeichnung für Sellerie. Diese wurde für den 5. Gang im Salzteig gebacken, dann in Scheiben geschnitten und oben angegrillt (leichte Karamell-Aromen). Darauf sind kalte getrocknete und eingelegte Herbsttrompeten – ein angenehmer Temperaturkontrast – und der Herbsttrompetenessig darauf gibt ein lebendiges Säurespiel.
Eine Walnusscreme sowie eine geschälte und gebackene Walnuss ergänzen das gut. Für danach bekommen wir noch ein Glas mit warmen Selleriesaft, intensiv und fast ein wenig Gelee-artig. (6/10)
fasan | grünkohl | paprika
Es wird immer später, und so wirklich viel im Magen haben wir noch nicht. Die Pause seit dem letzten Gang ist mittlerweile quälend lange. Um 22:04 (ja, wenn der Magen knurrt, schaut man irgendwann genau auf die Uhr) erhalten wir diesen dann endlich.
Die Fasanbrust darauf wurde kurz gegrillt, ein sehr kleines Stück (innen wunderbar rosa) davon auf unseren Teller gelegt. Begleitet wird sie von geröstetem und cremigem Blattspinat, Knoblauch, Rahm und einer Paprika-Minze Creme.
Am Tisch wird dann noch ein Fonds von frittierter Fasanhaut angegossen – dieser ist vorzüglich, ach wie gerne hätten wir jetzt einen Löffel! Die anderen Komponenten an Teller sind zu klein dimensioniert, um ihn einfach mit aufzunehmen. (7/10)
Zwischengang: Suppengrün
22:31 mittlerweile. Wir reklamieren, das sei ja alles zu langsam. Er könne uns absolut verstehen, erwidert der freundliche Service-Mitarbeiter. In sein nicht erwähntes „sorry, aber jetzt wird alles superschnell“ interpretieren wir seine realistische Einschätzung über den weiteren zeitlichen Ablauf und seine bedauernde Resignation, dies nicht ändern zu können.
Doch um 22:43 ist es dann so weit – als Zwischengang wird das „Suppengrün“ gebracht. Gekochtes Suppengemüse, eine Vinaigrette von rohem Gemüse, ein wenig Sud vom Röstgemüse, eine Meerrettich-Senf-Mayonnaise. Am Tisch kommt noch ein wenig Liebstöckl-Granité dazu.
Eine gute Idee, eine feine Sache! (7/10)
petersilie | topinambur | apfel
Um 22:56 erreicht uns dann der „Sous Vide“ zubereitete und dann gebratene Topinambur. Eher grösser (relativ zur Portionsgrösse) ist das Stück, doch für uns auch sehr fest und nicht ganz leicht zu teilen. Begleiter sind Boskop-Apfel (etwas Säure und Knackigkeit), gedörrter ‚Rubinette‘-Apfel, Topinambur und Gefrorenes von der Blattpetersilie.
Von Konsistenz und Geschmack lässt uns dieser Gang wieder etwas ratlos zurück. (-/10)
schulterscherzel | brezellauge | blaukraut
23:14 – auf dem nächsten Teller findet sich ein kleines Stück Schulterscherzel, welches am Holzkohlegrill zubereitet wurde. Innen noch rot, aussen mit schönen Röstaromen, und von der Konsistenz eher fest auf uns wirkend.
Dazu eine Blaukrautreduktion mit Gänseschmalz, eine Pasta vom Röstgemüse, Zwiebel, eine Brezellauge und ein sehr feiner Gänsebraten-Jus. Schöne Aromatik, intensiv, ansprechende Röstaromen; einzig mit kleinen Abstrichen für das Fleisch (7/10).
erdnuss | quitte | keks
23:37 – das erste Dessert wird gebracht. Ein Erdnuss-Sorbet, Quitte (süss-sauer, als Gelee), kandierte Birne. Und „karamellisiertes Mehl“ darüber gestreut. Letzteres ist „staubig“, dominiert das Gericht und nimmt damit den anderen Komponenten jede Chance, eine tragende Rolle zu übernehmen. (-/10)
vollmilch | holler | heu
23:54 – wir sind beim abschliessenden Dessert. Ein lauwarmes Vollmilchmouse auf Hollunderbeerenmark, dazu Fenchelpollen, Bronzefenchel, Heu-Öl, geeistes Heu mit Kerbelknolle und Vollmilch-Meringue.
Der Gang hat erdige Noten und lässt uns immer wieder an Fencheltee denken. (6/10)
Schweineblutpraline
Die an Stelle eines Petit Fours gereichte Schweineblut-Praline haben wir nicht fotografiert. Wir vermuten, diese polarisiert; doch wir lieben Spannendes jenseits von 08/15. Und so gefällt uns auch der süssliche, karamellige Geschmack, auch wenn das Ganze im Mund ein wenig eindimensional ist. (7/10)
Unser Abend neigt sich dem Ende zu. Auch nach 10 Gängen hat sich kein richtiges Sättigungsgefühl eingestellt.
Wir bitten um Rechnung und Taxi und planen die weitere Nahrungsaufnahme an diesem Abend. Schade, dass Rutz, Cordobar & Co Sonntag Nacht nicht geöffnet haben…
[tabs title=“Tabs Group Title“ active=1 event=“click“] [tab title=“Rating“]Unser Küchenreise-Rating
Von den Eindrücken unseres Besuches im Restaurant Horváth sind wir verwirrt.
Da ist die beeindruckende Kreativität der Gerichte, die faszinierend eigenständige Küchenlinie. Starke Ideen, welche immer wieder aufblitzen. Und die Inspirationen aus dem Wiener Steirereck. Hier können wir es nachvollziehen, dass der Michelin die Küche von Sebastian Frank mit einem Stern ausgezeichnet hat.
Doch die technische Umsetzung auf den Teller scheint uns an diesem Abend nicht so ganz zu gelingen. Nicht immer scheint ausgewogen, scheint wohl abgestimmt, was wir da auf den Tisch bekommen. Manches lässt uns schlicht ratlos zurück
Und da ist mehr als nur das Kulinarische: 10 Gänge sind viel, doch die Portionsgrössen waren für uns definitiv zu klein!
Und das Timing in der Küche hat so gar nicht gepasst: Lange Pausen im Menü, und so hat es in Summe 4.5 Stunden gedauert, bis wir die „Kleinigkeiten“ alle bekommen hatten. Daher werden wir im Moment kaum wieder kommen.
2 – Kaum wieder
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Wie bewerten andere?
Der Guide Michelin bewertet das Restaurant Horváth in Berlin mit 1 Stern. Der Gault Millau vergibt 17 Punkte, im Gusto erhält das Restaurant 8 Pfannen.
[/tab][tab title=“Blogroll“]Blogroll – was schreiben andere?
- Auf zu neuen Ufern! (Sternefresser, 2013)
- erkocht! (2013)
- The Tastemaker (Englisch, 2013)
- Foodie in Berlin / Barcelona (2012)
- Gourmet Unterwegs (2011)
- Restaurant Ranglisten – Restaurant Horváth (Berlin)
Das Finanzielle
Die Rechnung für das 10-Gang-Menü für 2 Personen, Sekt, Wein, Wasser und Kaffee betrug etwas über EUR 400.
[/tab][tab title=“Adresse“]Die Adresse
Paul-Lincke-Ufer 44a
D-10999 Berlin
[/tab] [/tabs]
Das entspricht ziemlich genau der Erfahrung die ich machen durfte: http://www.erkocht.de/2013/06/restaurant-horvath-berlin/
Danke für den Kommetar & den Link – habe ihn auch in die Blogroll-Sektion im Artikel aufgenommen…
Restaurant Horvath in Kreuzberg: an dem Service müssen wir allerdings noch ein wenig arbeiten – sehr dürftig und gar nicht sterneverdächtig. Kommen erstmal nicht wieder. Wir wünschen uns die alte Besitzerin zurück, die definitiv bessere Kellner hatte.