Abschiedsessen
Seit 10 Jahren ist Steffen Mezger im Bayrischen Hof, seit 5 Jahren Chefkoch im mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant Atelier.
Nun wird er weiter ziehen. Nach Aschau, als Küchenchef in die Residenz Heinz Winkler.
Kaum bekannt, sind wir daher so schnell wie möglich nach München ins Atelier. Um nochmals zu geniessen, was wir dort bald vermissen werden. Und um zu erahnen, was uns im bayrischen Aschau vielleicht bald erwartet.
Unser Dinner im Restaurant Atelier im Bayrischen Hof in München
Ein Glas Bollinger La Grande Année 2004 hilft, Abschiedsschmerz in Vorfreude auf den Abend zu verwandeln. ‚Atelier 5‘ und ‚Atelier 7‘ – die Zahl steht für die Anzahl der Gänge – stehen auf der Karte zur Auswahl und können beliebig kombiniert werden.
Der „Durchschnitt“, 6 Gänge, sagt weniger zu, also wählen wir gleich deren 8. Sowie die angebotene Weinbegleitung.
Grüsse aus der Küche
Schon wird uns der erste Gruss aus der Küche gebracht. Zwei Löffel, der eine mit einer Goudacreme, einem halben kleinen Radieschen sowie eingelegter Gurke, rund im Geschmack und fein.
Am zweiten ein Stück Jahrgangssardine (welche an den Nachbartischen als Sardelle annonciert wurde auch bei uns wahrscheinlich schon eine solche war) mit einem Stückchen kandierter Aubergine, hier waren wir erschlagen von deren Süsse. (6/10)
Und auch Butter, Salz, ein (eher belangloser) Brunnenkresse-Erbse-Aufstrich und eine feine Brotauswahl wurden an unseren Tisch gebracht. Guter Service ist, wenn auch bei Butter & Aufstrich gegebenenfalls nachgebracht wird – im Atelier perfekt gemacht!
Kohlrabi steht im Mittelpunkt des zweiten kleinen Tellers vorab; als dünne rohe Scheiben sowie in gekochter Form. Seine Aromen werden unterstützt von Joghurt und Kopfsalat (in flüssiger, grüner Form) – gelungen! (7/10)
Guter Service gibt dem Gast das Gefühl, individuell auf ihn einzugehen.
Linkshänder sind da ja eigentlich leicht zu begeistern – wenn dies erkannt und entsprechend aufgedeckt wird. Meist hilft da auch ein Schild mit „Linkshänder“ nicht weiter; wir haben mal darüber geschrieben.
Im Atelier hat der hervorragende Service dies jedoch schon jetzt entdeckt und berücksichtigt. Kompliment, wir sind beeindruckt! Und eine Eintagsfliege ist das auch nicht, bei unserem letzten Besuch war es genauso!
Doch für den nächsten Gang benötigen wir gar kein Besteck: Die beiden kleinen Oktopus-Bällchen, herausgebraten in Pfannkuchenteig und mit einer wunderbaren Sauce sind hervorragend! Und ohne jene Plumpheit, welche „frittierte Grüsse“ manchmal aufweisen. (8/10)
Königskrabbe mit Avocado und Chili
2012 Riesling Qualitätswein trocken, Dr. Bürklin-Wolf, Pfalz
Der erste „richtige“ Gang des Menüs: Königskrabbe. Von guter Qualität ist das Meerestier, auf den Punkt zubereitet. Und kombiniert mit Avocado (ein Stück der Frucht, Creme etc.), mit Gemüse, mit eine angenehme Schärfe gebendem Chili.
Ein Tick mehr Säure hätte das ganze noch lebendiger gemacht, doch in Summe ein schöner Start! (7/10)
Räucheraal mit Mönchsbart und Tamari
2011 Sauvignon Blanc, Qualitätswein trocken, Weingut von Winning, Pfalz
Der nun folgende Räucheraal ist eine starke Ansage: Fleischig, fettreich, intensiv im Geschmack. Mariniert in Tamari-Sauce (eine Art intensive Sojasauce ohne Weizen) ist das ganze im Mund ein Hochgenuss. Schönes Säurespiel in der Marinade, abmildernder Joghurt, Mönchsbart und fermentierte Charlotten, auch die Gesamtkomposition gefällt uns sehr! (8/10)
Bachforelle mit Topinambur und Morchel
2010 Sancerre „Clos de Beaujeu“, Domaine Gérard Boulay, Loire
Die Bachforelle ist auf den Punkt zubereitet mit leichten Röstaromen, der Cremespinat perfekt abgeschmeckt. Die mit Charlotten angebratenen Morcheln, die Spinatblätter und gar der Topinambur (für uns als Nicht-Topinambur-Liebhaber) harmonieren ausgezeichnet. (7+/10)
Geangelter Wolfsbarsch mit Artischocke und Jamón Ibérico de Bellota
2008 Ex Vero II, Weingut Werlitsch, Steiermark
Beim Wolfsbarsch lässt sich erneut weder über Qualität noch über Zubereitung irgendetwas meckern – perfekt. Am Tisch wird ein (rahmiger) Artischockensud angegossen, dazu Artischocke auf verschiedene Art zubereitet (getrocknete Chips, angebraten) sowie zurückhaltend wunderbar ergänzend der Jamón Ibérico de Bellota – sehr fein! (8/10)
Sot-l’y-laisse vom Perlhuhn mit Marone und Buchenpilz
2009 Odysseus garnacha Blanca, Vinedos de Ithaca, Priorat
Für die Geistlichen nur das Beste: Das Pfaffenstück ist, so sagt man, das beste Stück.
Im Atelier haben wir das geschmacklich intensive Stück vom Perlhuhn wunderbar zart zubereitet genossen, dazu Maroni / Maronicreme, Buchenpilze, Parmesanschaum und einen fein ziselierten Fonds. Ausgezeichnet! (8+/10)
Rücken, Haxe und Bries vom Poltinger Lamm mit Rübchen und Lauchzwiebel
2010 Phantom, Bogle Winery, Russian River Valley
Das Poltinger Lamm gibt es öfter auf der Karte von Steffen Mezger. Rücken, Haxe und Bries (letzeres ohne Röstaromen – das ist Geschmackssache – unter Parmesanschaum) wurden kombiniert mit Rübchen und Lachzwiebel. Kritik auf hohem Niveau – der Fonds schien und doch recht salzig. Doch in Summe fein. (7/10)
Ziegencamembert mit Zuckerwurzel und Sauerklee
„Alte“ Pflanzen rücken wieder in den Fokus der Gastronomie, so auch die Zuckerwurzel. Eher süsslich (und manchmal etwas faserig wirkend) begleitet sie den Camembert von der Ziege (dieser frisch, schöner Geschmack); Sauerklee setzt kleine Kontrapunkte, Joghurt verbindet das ganze. (6/10)
Felchlin Centenario Concha 70% und Palmer Mango
2011 Oberäuser Brücke, Riesling Auslese Goldkapsel, Weingut Dönnhoff, Nahe
Vor dem eigentlichen Dessert gibt es noch das Pre-Dessert: Ein Petersilienwurzeleis mit Sanddorn und Tapioka. Tapioka-Fans sind wir ja keine (und haben immer die Assoziation von Bubble Tea). Auch hier wirkt die Sanddorn-Tapikoa-Kombination auf uns eher plump und den Geschmack des Petersilienwurzeleis in den Hintergrund drängend. (6/10)
Das eigentliche Dessert, eine ‚Palmer‘ Mango mit Felchlin Schokolade, beides in verschiedenen Zubereitungsarten, ist dann aber ein höchst erfreulicher Abschluss des Menüs mit klarem Geschmacksbild für uns (8/10).
Petit Fours
Aus, Schluss, vorbei? Nein, ein paar Petit Fours, ein Sacherschnitte sowie Pralinen werden noch an unseren Tisch gebracht und versüssen uns den Espresso.
[tabs title=“Tabs Group Title“ active=1 event=“click“] [tab title=“Rating“]Unser Küchenreise-Rating
Unser Abschiedsessen ist gelungen! Kreative Gerichte, handwerklich und geschmacklich ausgezeichnet umgesetzt. Die Küche hat eine eigenständige Handschrift, die Qualität der Zutaten ist sehr gut.
Steffen Mezger wird definitiv eine Bereicherung für Heinz Winklers Residenz sein. Wir bedauern seinen Abgang im Atelier, freuen uns auf einen Besuch im bayrischen Aschau.
Doch auch auf einen erneuten Besuch im Atelier freuen wir uns. Das Ambiente gefällt uns sehr, der Service mit Enrico Spannenkrebs und Susanne Brandhuber(wir hoffen, der letztere Name ist uns korrekt in Erinnerung geblieben) ist Weltklasse! Und auf die Küchenlinie unter Jan Hartwig, bisher Souschef von Sven Elverfeld im Wolfsburger Aqua sind wir gleichfalls gespannt.
4 – Gerne wieder
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Wie bewerten andere?
Im Guide Michelin hat das Restaurant Atelier in München einen Stern. Der Gault Millau bewertet Steffen Mezger und Team mit 17 Punkten. Der Gusto vergibt 8+ Pfannen.
[/tab][tab title=“Blogroll“]Blogroll – was schreiben andere?
- Arbeitsplatz kreativer Menschen (Küchenreise, 2013)
- Werkstatt von Weltformat (Sternefresser, 2012)
- Kulinarisches München (bushcook, 2011)
Das Finanzielle
Für das 8-Gang Menü für 2 Personen, Champagner, Wasser (stolze EUR 10.90 je 0.75l) und Wein haben wir für 2 Personen in Summe knapp EUR 600 bezahlt.
[/tab][tab title=“Adresse“]Die Adresse
Restaurant Atelier
im Hotel Bayrischer Hof
Promenadenplatz 2-6
D-80333 München
[/tab] [/tabs]
„Oktopus-Bällchen, herausgebraten in Pfannkuchenteig“ – auf japanisch Takoyaki. Wirklich super!
Ja, genau – und lecker 🙂