Warten auf Nils

Eine leere Landstrasse nahe Bergisch-Gladbach. Am Strassenrand steht ein Schloss.

Wir, Estragon und Wladimir, warten dort auf den nächsten Gang.

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Die Gegenwart ist für den Wartenden eine sinnlose Zeit. Der wahre Grund des Wartens liegt ja in der Zukunft.

Er wird eintreffen, der nächste Gang, bestimmt. Doch genaues weiss man nicht.

Estragon: Komm, wir gehen!

Wladimir: Wir können nicht.

Estragon: Warum nicht?

Wladimir: Wir warten auf den nächsten Gang.

Estragon: Ah!

Ein junger Bote kommt an den Tisch. Die Ankunft des nächsten Ganges wird sich verzögern, erklärt er. Doch er wird kommen – ganz bestimmt.

Manchmal dauert es etwas länger…

Wir entschuldigen uns für die Entfremdung von „Warten auf Godot“. Doch möchten ein schwieriges Thema ansprechen: Wartezeiten.

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Wenn wir das Glück haben, ein tolles Restaurant zu besuchen, sind wir hungrig und voll Vorfreude. Glücklicherweise nahen meist schnell die ersten Grüsse der Küche, bald darauf startet das Menü.

Manchmal kann es länger dauern. Doch was ist zu lange?

15 min – kleiner 1. Gruss der Küche. 32 min – Bestellung aufnehmen. 42 min – Überreichen der Weinkarte.48 min – Brot. 54 min – Aufnahme Getränkebestellung. 71 min – 2. Gruss. 81 min – 1. Gang.

Sorry, das scheint uns dann doch zu lange. Klar, bei vollem Haus kann es auch in der besten Küche drunter und drüber gehen.

Doch dann braucht es den Service, der die Gründe dafür erklärt. Der die Erwartungen richtig setzt. Und kein ‚Warten auf Godot‘.

Unser Dinner auf Schloss Lerbach in Bergisch-Gladbach

Gegen 19:33 nehmen wir also Platz an unserem Tisch. Ein Glas Paillard 1er Rosé sowie ein Glas Deutz Blanc de Blanc 2007 (letzteres etwas arm an Kohlensäure die letzen Schlucke aus der geöffneten Flasche) verkürzen uns die Wartezeit.

Neben einigen a la Carte Gerichten werden auf Schloss Lerbach zwei Menüs angeboten: Das Degustationsmenü sowie das Menü „Pures Gemüse“ (rein vegetarisch), jeweils in 6 oder 8 Gängen erhältlich. Wir nehmen ersteres als Basis, tauschen jedoch 3 Gänge mit zweiterem.

Unsere Getränkebegleitung – wir votieren bis zum Hauptgang für „Unvergoren“ (nicht-alkoholische Begleitung) und wählen für danach einen 2005er Assmanshäuser Höllenberg von August Kesseler. Empfehlen würden wir, die Wein- und Saftbegleitung aktiv vorzustellen; das ist in unserem Fall nicht geschehen. In jedem Fall – wir sind gespannt!

Amuse Bouche

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Ein erster kleiner Gruss aus der Küche erreicht uns (19:48) – ein Stückchen Focaccia mit Tyhmiangelee und Zwiebel (gelungen) sowie Fette Henne mit Avocado(7/10)

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Wir harren der Dinge, geben dann unsere Bestellung auf (20:05).Auch die Weinkarte naht nun (20:15), weder die Weinbegleitung noch die Begleitung „Unvergoren“ wird erwähnt. Doch wir wissen ohnedies Bescheid, sind auch schnell entschlossen.

Mit zunehmend knurrendem Magen erhalten wir dann (20:21) eine feine Auswahl an Brot, dazu bretonische Salzbutter und ein ansprechender Rucola-Aufstrich. Und schliesslich ordern wir auch unsere Getränkebegleitung (20.27).

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Als zweiter Gruss der Küche wird uns nun (20:44) dreierlei gebracht: Eine Jakobsmuschel wird mit Pilzcreme, kleinen Pfifferlingen und Gundermann (?) ein feiner erdiger Start. In einem Gläschen befindet sich ausgezeichnete Leber unter Radieschenschaum. Am dritten Tellerchen etwas Gebackenes (unsere Erinnerung hat uns hier verlassen) mit Sellerie. (8/10)

Dazu gereicht wird ein roter-Trauben-Saft.

Bauernsalat: Marinierte Bohnen – Schafskäse – Oliven – Gurke

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Das Brot ist längst gegessen. Der versprochene Nachschub lässt noch auf sich warten. Doch nun, endlich, der erste Gang (20:54). Knapp über 80 Minuten sind wir schon hier, und dementsprechend hungrig.

Das Thema ist „Bauernsalat“ und demonstriert, wie „Einfaches“ und „Kantiges“ auf hohem Niveau interpretiert werden kann! Harmonisch-runder Geschmack von Gurke, von verschiedenen Bohnen; dazu dezent-aromatischer Schafskäse (als Creme, gefriergetrocknet), unterschiedliche Blüten und intensiv schmeckende, kleine Olivenstreifen als Akzent.

Jürgen Dollase (FAZ Gourmetvision Nr. 25) hat bei diesem Gang die Befreiung von Wahrnehmungsblockaden aufgrund zu vieler vordergründig-assoziativer Fixierungen erlebt. Das können wir so nicht bestätigen – viellicht haben wir auch einfach zu wenige der angesprochenen Fixierungen. Doch das Resultat hat uns mit Harmonie und Abwechslung in der Textur durchaus überzeugt. (7+/10)

Beeindruckt hat uns das gereichte Getränk: ein Tonic-Water mit gefrorenem Püree von entsafteter Gurke. Je länger im Glas, umso intensiver werden die Gurkenaromen, welche dann wunderbar mit der Bitterkeit des Tonic harmonierten.

Grüner Spargel: Misocreme – Sojaschaum – Umeboshi Pflaumen

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Polarisierend sei der Spargelgang (21:23), das hörten wir schon mehrfach im Vorfeld. Da uns Polarisierendes immer interessiert, haben wir ihn selbstverständlich gewählt.

Der sautierte grüne Spargel ist wunderbar knackig, Misocreme, Sojaschaum und Umeboshi-„Pflaumen“ (eher eine Aprikose) versetzen uns in eine asiatisch inspirierte Welt. Wunderbar ist das am Tisch angegossene Pflaumen-Espressojus; Geschmack und Bitterkeit des Kaffee harmonieren wunderbar.

Auch an unserem Tisch polarisiert dieses Gericht; doch definitiv eine aufregende Kreation! (8/10)

Als Getränk erhalten wir einen roten Umeboshi-Saft, hier sind wir uns einig: Dessen Süsse erschlägt unsere Geschmacksnerven.

Seesaibling: Hollunderkapern-Vinaigrette – Kressepüree  – Saiblingskaviar

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Perfekt auf den Punkt ist der nun folgende Seesaibling (21:38). Die Hollunder-Kapern-Vinaigrette ist präsent durch recht intensive, für uns fast zu dominante Säure, doch in Kombination mit dem Kressepüree spannend im Geschmack. Die Haut des Saiblingskaviar ist sehr fest, doch letztlich trägt dies zum abwechslungsreichen sensorischen Erlebnis bei diesem Gang bei. (7+/8)

Pfifferlinge: Eigelb – Sauerampfer – Radieschen

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Im Mittelpunkt des 4. Ganges (22:02) stehen die Pfifferlinge. Kombiniert werden diese mit einem wachsweichen Eigelb, mit der schönen leichten Schärfe und Bitterkeit der Radieschen, mit Sauerampfer. Sehr ansprechend! (8/10)

Dazu erhalten wir eine Pilztee-Essenz; wir verstehen, dass verschiedene Pilze über lange zeit stark eingekocht wurden. In der Nase hat uns das erinnert an die Aromen eines Glases mit getrockneten Pilzen.

Backhendl: Stubenküken – Kartoffelsalat – Gurke

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Quasi Wienerisch wird es beim nächsten Gang (22:25). Das Stubenkücken (hier passend österreichisch mit „ck“ geschrieben) mundet sehr gut, Kartoffelsalat und Gurke sind mal ganz anders interpretiert, leicht und gleichfalls ansprechend im Geschmack. (7/10)

Das Getränk, eine Pfeffertraube (Traubensaft, schöne Pfefferaromen) gefällt uns in der Kombination mit der Speise.

Reh aus der Eifel: Lorbeerjus – Topinambur – Grüne Mandeln

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Wir sind beim Hauptgang (22:53), es wird eine Spur konventioneller und klassischer. Ein Stück vom Reh aus der Eifel mit tiefgründigem Lorbeer-Jus, dazu Topinambur und grüne Mandeln. (8/10)

Brin d’Amour: Lerbacher Honig – grüne Erdbeeren – frische Mandeln

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Nun ist Käse angesagt (23:25). Ein Brin d’Amour wird kombiniert mit grünen Erdbeeren. Der Lerbacher Honig ist das verbindende Element am Teller, welches sowohl Erdbeeren wie Käse aromatisch aufblühen lässt. Dezente frische Mandeln sowie eine Mandelcreme unter dem Käse ergänzen gut. (7/10)

Johannisbeere: Waldmeister – Cassissorbet – Buttermilch

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Der nächste Gang (23:57) ist erneut klassisch angelegt und zeigt so auch die beeindruckende Spannbreite der Küche auf. Wir versinken glücklich in den Aromen von Kirschen, Cassis-Sorbet, Waldmeister, Johannisbeere, Schokolade und von Kürbiskernen. (8/10)

Süsse Naschereien

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Zum Kaffee (0:10) erhalten wir dann noch ein paar weitere vorzügliche Süssigkeiten.

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Warten auf die Speisen von Nils Henkel – unser Gesamteindruck ist geprägt von den Wartezeiten an diesem Abend. Wir waren mit den zeitlichen Abläufen nicht zufrieden, und wir haben keine Ambition im Service bemerkt, die Erwartungen richtig zu setzen. Gerade die Zeit bis zum ersten Gang war viel zu lange; und auch Kleinigkeiten wie Brotnachschub („kommt gleich …. „muss noch gebacken werden“ … „noch immer nicht da?“) dauern dann 45 Minuten.

Kulinarisch entwickelt sich das „Pure Nature“ Konzept sehr spannend. Das vegitarische Menü „Pures Gemüse“ spielt keinesfalls die zweite Geige. Es ist aber auch nicht so ‚dogmatisch‘ geprägt wie wir das etwa im früheren Berliner Margaux empfunden haben, sondern leichter, runder, ja beschwingt.

Handwerklich ist die Küche hervorragend, die verwendeten Produkte ausgezeichnet. In vielen Gerichten zeigt sich ein sehr eigenständiger und kreativer Stil von Nils Henkel; doch die Küche beherrscht auch die mehr klassischere Seite. Die Geschmäcker sind rund, die Aromen harmonisch abgestimmt.

Die Getränkebegleitung „Unvergoren“ ist eine grossartige Idee! Endlich eine Alternative zu Wein oder „nur“ Wasser. Manches davon war uns aber einfach zu süss, um Gänge mit feinen Aromen noch bestehen zu lassen.

Wenn es sich ergibt, werden wir das Restaurant gerne wieder besuchen.

3 – Wenn es sich ergibt wieder 

(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)

Wie bewerten andere?

Der Guide Michelin zeichnet die Küche von Nils Henkel mit 2 Sternen aus. Der Gault Millau vergibt 19 Punkte. Der Gusto bewertet das Restaurant Schloss Lerbach in Bergisch-Gladbach mit 9 Pfannen.

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Blogroll – was schreiben andere?

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Das Finanzielle

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Für das „Pure Nature“ Menü, der Saftbegleitung „Unvergoren“ (bis vor der Hauptspeise), Champagner vorab, einer Flasche Rotwein, Wasser und Kaffee betrug die Rechnung knapp EUR 600.

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Die Adresse

Gourmetrestaurant Nils Henkel im Schloss Lerbach
Lerbacher Weg
D-51465 Bergisch Gladbach
Tel. +49 2202 – 2040

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