Lass uns gute Freunde bleiben…

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Grüß Dich, liebes Steirereck!

Kennen gelernt habe ich Dich schon vor sehr langer Zeit. Ja, damals habe ich mich gleich ein wenig in Dich verknallt.

Du hast mir dann gezeigt, was gutes Essen ist. Du hast mich verführt mit dem Schmelz vom Gänseleber oder mit dem Duft des „Stinkekäses“ aus den Geheimladen Deines Käsewagens. Du hast mir die grosse Küche nahegebracht. Ich habe mich in Dich verliebt.

Schon damals, ich gestehe es, war ich Dir bald nicht immer treu. Dem Bristol, dem Hilton Plaza, dem Altwienerhof habe ich begehrliche Blicke zugeworfen. Irgendwann von Ihren Verlockungen probiert. 

Und dann bin ich plötzlich aus der Stadt abgehaut. Nicht einmal richtig verabschiedet habe ich mich von Dir. Doch wenn sich die Gelegenheit ergab, habe ich Dich wieder mal besucht. Und in diesem Momenten war es wieder wie früher.

Vor bald 10 Jahren bist dann auch Du umgezogen.  Zwar nur in den Nachbarbezirk, doch dafür vom alten Vorstadt-Haus direkt in eine mondäne Villa mit Garten. Mann, was war ich beeindruckt! Dort hast Du immer mehr einen ganz eigenen und einzigartigen kulinarischen Stil entwickelt.

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Und Du bist ein Star geworden! Ganz vorne dabei in einer Liste der weltbesten Restaurants hast Du auch international Furore gemacht. Ach was war ich stolz auf Dich, ach was hab ich mich gefreut!

Doch irgendwann haben wir uns entfremdet. Du wurdest immer regionaler  ich finde internationale Einflüsse spannend. Du legst viel Focus auf Succo, Gemüse und alte Sorten; ich liebe auch Röstaromen, und mal Fleisch; und die Sorte ist für mich nur ein Mittel zum Zweck des perfekten Geschmackes.

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Und während Deine Küche eine wahre Kreativitätsschmiede ist, wirkt Dein Service auf mich unruhig und manchmal unrund; und manchmal gar Wienerisch-bürgerlich-differenzierend, was mich – ich gestehe es – dann nicht so richtig fesselt.

So hast Du Deinen Stil, Deine Interessen gefunden und ich die meinen. Sie sind unterschiedlich geworden. Sei mir bitte nicht böse, meine ganz grosse Liebe ist  erloschen. Doch lass uns gute Freunde bleiben!

Servus,

Deine Küchenreise

 

Mein Dinner im Restaurant Steirereck in Wien

Ganz neu umgebaut und herausgeputzt ist das Steireck im Wiener Stadtpark. Von aussen ist das Restaurant verspiegelt und schon fast futuristisch wirkend, innen ist alles heller und freundlicher geworden.

Das Ambiente gefällt mit hellbraunem Holz und hohen, bei schönem Wetter hochschiebbaren Fenstern; ein fast schon nordisch inspirierter Look. Der grosse Speisesaal ist mehreren kleineren, lichtdurchfluteten Räumen gewichen.

An zwei grösseren Tischen werden wir heute ein acht-gängiges Menü mit Weinbegleitung geniessen:

Steirereck Happen

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Zur Begrüssung werden zwei kleine Happen gereicht, danach höre ich das von mir schon erhoffte Geräusch des heranrollenden Brotwagens:

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Dieser Brotwagen ist weithin bekannt und berühmt und auch für mich jedes Mal ein Highlight.

Wie auch der „Brot-Andi“, Andreas Djordjevic, welcher nach Eigen-Definition „gelernter Aufschneider“ ist. Der Gault Millau hat ihn 2014 gar mit dem ‚Servicepreis‘ ausgezeichnet, und das wohlverdient.

Mit spürbarer Begeisterung erläutert er das breitgefächerte Brotangebot; unterstützt von Wiener Schmäh, wie ihn die Wiener lieben und auch die Nicht-Wiener sympathisch finden. Er ist einer jener Charakterdarsteller, für die der Service jedes Restaurants dankbar ist.

Die es (beim Scheiben dieses und der früheren Artikel versuche ich mich immer an die Personen im Service zu erinnern) sonst im Steirereck nicht zu häufig zu geben scheint oder die – immer jemand neuer am Tisch – sich nicht entfalten können.

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Doch zurück zum Brot: Eine absolute Sünde ist das Blunznbrot (Brot mit Blutwurst). Es bringt den Esser nach gierigem Verzehr einiger Stücke in Gefahr, die Sättigungsgrenze beim Menü zu frühzeitig zu erreichen. Natürlich kann ich dennoch nicht widerstehen.

Schwarzauer Bergforelle mit Melone, Gurke & gebleichtem Erbsen-Spargel

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Das Menü startet: Aus der Gegend um Schwarzau am Gebirge in Niederösterreich stammt das klare Gebirgswasser, welches über die 1. Hochquellwasserleitung Wien versorgt. Und dort züchtet Peter Brauchl die Schwarzauger Bergforelle.

In der Küche des Steirerecks wird sie in bester ‚Sushi-Qualität‘ roh zubereitet, nur mit Limettensalz aromatisiert. Der Fisch gefällt mir durch Frische und Eigengeschmack. Kombiniert wird dieser unter anderem mit einer in Verjus, Ginger Ale und Balsamessig gebeizten Gurke sowie mit roher und gedämpfter Honigmelone. Ein leichter, spät-sommerlicher Einstieg! (7/10)

Sommerkürbis mit Süßerdäpfeln, Paradeiser, Mandeln & Lavendel

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Der nächste Gang ist ein rein vegetarischer. Heinz Reitbauer kombiniert unterschiedlich marinierten sowie gedämpften Sommerkürbis mit karamellisierten Süsserdäpfeln (Süsskartoffeln), grünen und gerösteten Mandeln, einer Paradeiser-Vinaigrette (Tomaten-Vinaigrette) und Lavendel.

Grüne Aromen treffen auf klare Geschmäcker; das Gericht ist erfrischend und voll sommerlicher Leichtigkeit. (7/10)

Chioggia Rüben mit Duftrosen, Steinpilze & Verbene

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Es bleibt vegetarisch, und das Steirereck demonstriert, dass der Verzicht auf Fisch und Fleisch keinesfalls ein Nachteil sein muss.

Aromatisch sind die Chioggia-Rüben, welche unter anderem in Nussbutter konfiert wurden. Die Steinpilze dazu geben in Kombination mit klein gewürfelten Pekannüssen einen schönen Geschmack und ansprechende Textur. In Himbeeressig und Rösenöl marinierte Radieschen und Duftrosenblätter ergänzen das ganze. Ein Gang mit interessanten, erdigen Geschmacksnoten! (7+/10)

Über Holzkohle gegrillter Stör mit Kohlrabi, Quinoa & Holunder

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Der nun folgende Stör wurde in Birnenmost, Holunderbeerensaft und Balsamessig eingelegt und dann über Holzkohle gegrillt. Er überzeugt durch feste Struktur und ansprechenden Geschmack.

Begleitet wird er von Kohlrabi, sowohl mit rohen als auch gekochten Aromen, von gekochtem Quinoa und einem am Tisch angegossenen, gar sehr dezent im Hintergrund bleibenden Schnittlauch-Öl. (6+/10)

Lammzunge mit Eierschwammerl, Duwickler Karotte & Gartenmelde

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Der nächste Gang wird dominiert durch die intensiven, süsslichen Aromen der Duttwicker Karotte (einer alten, fast ausgestorbenen Sorte), dem Geschmack der gekochten, gebratenen Lammzunge sowie den Röstaromen der Leinsamen-Cracker.

Nicht sonderlich geschmacksintensiv waren der Gartenmelde-Saft sowie die Eierschwammerl. (7+/10)

Kalbschlepp & Kalbsbries mit Fisolen, Moosbeeren & Wasserblatt

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Der Kalbsschlepp ist quasi der Ochsenschwanz vom Kalb. Einige längliche, doch eher trockene und fast fasrige geschmorte Stücke befinden sich zwischen den Fisolen (grüne Bohnen), geschmacklich sind sie sehr fein. Die mit Moosbeeren eingelegten roten Zwiebeln steuern den gewissen ‚Kick‘ bei.

Das glasierte Kalbsbries ist wohlschmeckend, lässt mich jedoch Röstaromen vermissen. Der Saft/Fonds mit Fisolensucco ergibt eine eher dünnliche Begleitung zum Gericht; ich würde mir mehr Tiefe und Intensität wünschen. (7/10)

Spannend und ungewöhnlich im Glas ist das Stigl Männerschokolade 2014Ber, ein Stout mit einer Note von Kakao von Zotter.

Affinierter Käse aus unserer Meierei

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Grossartig ist jedes Mal der Käsewagen im Steirereck, die Auswahl aus bestens affinierten Käsen ist vorzüglich! Ich habe das Vergnügen, davon einige Stück auszuwählen.

Erwähnt sei, dass das Steirereck über einen grossen „Käse-Keller“ verfügt und auch in der Meierei (dem Zweit-Restaurant einen Stock tiefer) die Käseteller zu den Highlights gehören.

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Warme Trinitario-Schokolade mit Ananas-Pericon-Sorbet & Kokos Makronen

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Wie der Satz aus dem Siebträger geformt ist der braune „Kuchen“ am Teller, er besteht aus gemahlenem und gebackenem Java-Kaffee mit Bitterschokolade und einer Kaffeecreme. Leicht bröselig ist die Konsistenz, verblüffend fein und spannend der Geschmack.

Am Teller wird das begleitet von Milchschaum mit Zimtblüten auf einem karamellisierten Zwetschkenbrand (Zwetschke: Österreichische Schreibweise von Zwetschge, bzw. eine Pflaumenart). In einer Tasse wird dazu ein Sorbet von Datteln und Zwetschken gereicht. Eine kreative Idee, welche gekonnt umgesetzt wurde! (8/10)

Herbstlicher Ausklang mit Dirndl & Zwetschke

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Herbstlich ist der nun folgende Ausklang: Geeiste Zwetschkenknödel, Zwetschkenkuchen, Cornellkirschen und Sportgummi setzen die Kornelkirsche („Dirndl“) abwechslungsreich in Szene.

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Und auch einige Flaschen Wein (und nicht nur diese) sind in der Zwischenzeit geleert.

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Unser Küchenreise-Rating

Das Steirereck bietet eine eigenständige und kreative, modern-österreichische Küchenlinie.

Gemüse und Kräuter, alte Sorten und lokale Produkte stehen im Mittelpunkt der Gerichte; und oft wird die klassische Beilage zum verdienten Hauptdarsteller.  Heinz Reitbauer und Team haben eine klare und oft einzigartige Handschrift entwickelt!

Die Produktqualität ist vorzüglich, die Zutaten (nachzulesen auf den bei jedem Gang ausgehändigten Kärtchen) umfassend, die Geschmäcker am Teller fokussiert und klar. Auf klassische Luxusprodukte wird meist verzichtet. Fonds und Saucen sind oft mit Gemüsesäften zubereitet und wirken dadurch erfrischend-leicht, doch nicht so intensiv.

Und doch, irgendetwas geht mir immer ab bei all der Regionalität und Eigenständigkeit. Aber das ist eine Frage der persönlichen Präferenzen.

Das Publikum ist ein Mix aus Wienerisch und – anders als die verwendeten Produkte – sehr international. Mediale Aufmerksamkeit und die prominiente Platzierung in einem internationalen Restaurant-Ranking haben das Interesse weit über die Stadt- und Landesgrenzen geweckt.

Der Service hat mich – von einzelnen Ausnahmen – bei meinen letzten Besuchen nie so richtig überzeugen können. Viele meist junge Gesichter im fliegenden Wechsel, manchmal Hektik, doch bei allem wenig Raum, um deren Persönlichkeit wirken zu lassen. Zumindest sofern man, so wirkt es, man sich nicht besondere Ehren als Stammgast, Hofrat oder Kommerzialrat verdient hat.

Die Weinkarte bietet eine vorzügliche Auswahl an österreichischen Tropfen wie auch an internationalen Trouvaillen. Schade einzig, dass die einige Wochen vor dem Menü vom Restaurant angekündigten Highlights wie Triebaumer Mariental 2008 oder Kracher TBA Zweigelt Nouvelle Vague 2008 dann letztlich durch andere Weine ersetzt wurden.

Liebes Steirereck, auch wenn meine grosse Liebe erloschen ist: Lass uns gute Freunde bleiben!

4 – Gerne wieder 

(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)

Wie bewerten andere?

Der Guide Michelin bewertet das Restaurant Steirereck in Wien mit zwei Sternen. Der Gault Millau vergibt für die Küchenleistung des Teams um Heinz Reitbauer die österreichische Höchstwertung von 19 Punkten.

In der Liste der ‚The World’s 50 Best Restaurants‘ war das Steirereck 2013 auf Rang 11 und 2014 auf Rang 16.

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Blogroll – was schreiben andere?

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Das Finanzielle

Für das Menü mit Weinbegleitung habe ich im Rahmen eines Events des Restaurant-Rainglisten Gourmetclubs attraktive EUR 216 bezahlt.

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Die Adresse:

Restaurant Steirereck

Am Heumarkt 2A

A-1030 Wien

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