Unter Tage
Es gab Zeiten, da war ich noch jünger als heute. Und während Frauen ja bekanntlich immer 30 bleiben, sind bei mir diese seit ein paar Tagen (welch charmante Untertreibung) überschritten.
Damals, in meiner Jugend, habe ich Abende, ja manchmal ganze Nächte in verrauchten Kellerlokalen zugebracht. Fensterlos-dunkel die Räume, stickig die Luft, laut die Musik.
Kulinarisch waren das eher anspruchslose Tage. Kellerküche quasi. Nach kulinarisch geglückter Kindheit war das die Zeit von „Spezialitäten“ wie dem Benno-Schnitzel, ein nach dem Wirten benanntes Hühnerschnitzel in intensiver Knoblauch-Sauce. Oder Teufelsnockerl mit grünem Salat.
Und ich dachte, in Kellerlokalen müssten immer so sein. Das Essen dort bestünde immer aus Schnitzel nach Art des Wirten und aus Teufelsnockerln. Ach, wie habe ich mich damals doch geirrt!
Kürzlich begabes sich, und viele Jahre später war ich wieder zu Gast in einem Keller. Meine charmante Begleiterin konnte ich diesmal gut erkennen, keine Rauchwand trennte uns. Keine laute Musik störte unser Ohr.
Und erst das Essen. Das Essen. Das Essen!
Unser Dinner im Tiger-Restaurant im Tigerpalast in Frankfurt
Das Tiger-Restaurant befindet sich im Untergeschoss des Frankfurter Tigerpalastes.
Amuse Bouche
Regional ist der Einstieg: Ein Löffel mit Handkäs mit Musik, eine Gelee-Kugel mit Tafelspitz mit Kräutern, grüne Sauce sowie ein Schmandkeks – allesamt geschmacklich fein abgestimmte Miniaturen – gefallen uns zum Start. (7/10)
Brot wird an unseren Tisch gebracht.
Der zweite Gruss ist dann schon das erste Highlight: Zweierlei von der Bergforelle (gebeizt und als Tatar) mit süsslichem Senf-Honig-Eis und einer Dillcreme ist eine phänomenale und fein ziselierte Variante eines bekannten Geschmacksbildes! (8+/10)
Gartengurke – in Texturen
Da mag noch einer sagen, die Gurke hat – ausser im Gurkensalat zum Schnitzel – in der Küche nichts verloren. Die Variationen der Gartengurke in abwechslungsreichen Texturen und mit mit Wildkräutern bieten intensiven, vollen Geschmack, Radieschen und Rettich ergänzen gut und mit leichter Schärfe. Erneut ein Highlight! (8+/10)
Bio-Gänseleber – Mariniert & geeist
Ein Cesars Salad mit Gänseleber – so in etwa ist die Idee hinter dem nun folgenden Gericht. Passt das? Und ob!
Die dünne Scheibe Gänseleber hat tollen Schmelz und ist in genau richtiger Proportion zu den andern Komponenten. Das Gänseleber-Eis darauf gibt einen erfrischenden Temperaturkontrast. Der Romanosalat findet sich unter anderem als Creme oder Würfel am Teller, ein hauchdünnes Stück Anchovis darauf, Parmesan-Geschmack ergänzt toll. (8/10)
Rote Wildgarnele – Glasiert
Eine glasierte und schön glasige rote Garnele wird uns nun serviert. Dazu gibt es einen asiatischen Sud mit rund eingebundenen Zitronengras-Aromen, ein Krustentier-Kimchi und eine Reiscreme. Sehr fein! (8/10)
Skrei von den Lofoten – Konfiert
Auf den Punkt zubereitet und schön glasig ist nun der konfierte Skrei von den Lofoten. Begleitet wird dieser von einer Bourride, einem Paprikarelish und weisser Bohnencreme – all das harmoniert und ist perfekt abgeschmeckt. (8/10)
Mieral-Taube – Brust & Praline
An einen reifen Burgunder erinnert uns das nächste Gericht – filigran, rund und doch voll Kraft. Die Mieral-Taube – die Brust angebraten und als Praline – hat diesen leichten wildigen Geschmack, den wir lieben. Frühlingsmorcheln und Erbsenconfit sind wunderbare Begleiter, der Pata Negra Geschmack. Am Tisch angegossen wird ein toller Taubenfonds. (7+/10)
Limousin-Lamm – Rücken, Backe & Bries
Als zweiter Fleischgang steht nun das Limousin-Lamm am Programm – Rücken, Backe und Bries. Ganz hält der Gang nicht mit dem Rest des Menüs mit: Das Bäckchen ist eher fest, das Filet irgendwie recht trocken. Das Lammbries und die Begleiter Lahmacun-Fladenbrot-Röllchen, ein Kleks Ayran und die würzigen Linsen wie auch der Kreuzkümmeljus geben dem ganzen eine schöne Note sind jedoch sehr gefällig. (6+/10)
Pre-Dessert
Mit schönen abwechslungsreichen Texturen und dem Geschmack von Karotte, Passionsfrucht und Anis kann uns das nun gereichte Pre-Dessert voll und ganz überzeugen! (8+/10)
Bio Grand Cru Madagaskar – Schokolade
Nun wird es wunderbar schokoladig: Eine intensive Bio Grand Cru Madagaska Schokolade, erfrischendes Kafirlimettteneis, eine Nusserde und eine (vermutlich Valrhona) Caramélita-Grenache – Milchschokoladiges mit Karamell. Das ist viel Textur, das ist Schokoladen- und Nussgeschmack, das ist angenehme Säure im Eis – einzig die grossen „Brocken“ im Gericht sind uns texturell schon zu viel, hier könnte das Dessert noch ausgewogener sein. (7+/10)
Petit Fours
Einige feine Petit Fours versüssen uns dann noch den Abschluss eines tollen Abends!
[tabs title=“Tabs Group Title“ active=1 event=“click“] [tab title=“Rating“]Unser Küchenreise-Rating
Meine Erinnerung an die Kellerlokale meiner Jugend ist nun überschrieben. Ausradiert. Gelöscht. Mit der früheren „Keller-Küche“ hat das im Tigerpalast gebotene so gar nichts zu tun.
Im Gegenteil: Die Küche von Christoph Rainer scheint uns im Moment die Beste von ganz Frankfurt zu sein! Mit einem Tick Vorsprung gar vor dem Lafleur jetzt mit Andreas Krolik. Doch die Rochaden (Krolik vom Tigerpalast in das Lafleur, Rainer neu in den Tigerpalast) sind erst vor kurzem passiert, beide Küchen werden sich noch entwickeln.
Was hat uns bei unserem Besuch gefallen? Die kreativen Gerichte, die harmonischen Kreationen. Die erstklassigen Produkte, welche technisch perfekt zubereitet wurden. Klare Aromen, tolle Abstimmung. (8/10)
Der Service gleichfalls einen Teil dazu beigetragen, dass wir den Abend geniessen durften! Und die Atmosphäre mit den an die Cabarets früherer Zeiten erinnernden Bilder ist auf ihre Art speziell und schön.
5 – Unbedingt wieder
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Wie bewerten andere?
Christian Rainer hat im April 2015 das Tiger-Restaurant im Tigerpalast in Frankfurt übernommen. An seiner letzten Arbeitsstätte, i der Villa Rothschild, wurde seine Küche vom Guide Michelin mit zwei Sternen ausgezeichnet.
[/tab][tab title=“Kosten“]Das Finanzielle
Für das Menü (einmal sieben, einmal vier Gänge), Sekt vorab, Wein und Wasser haben wir in Summe ca. EUR 415 bezahlt.
[/tab][tab title=“Adresse“]Die Adresse
Tiger-Restaurant im Tigerpalast
Heilgkreuzgasse 16
D-60313 Frankfurt
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Interessant, Eure beiden Berichte zu Tigerpalast und Lafleur. Welches der beiden würdet ihr für eine grössere Gruppe empfehlen?