Race for the Stars

Ausnahmezustand in Hamburg. Die halbe Stadt ist abgesperrt wegen eines Radrennens. Und Radrennen ist Dramatik – voll von Geschichten über Überraschungssieger und gestrauchelte Helden, über klare Favoriten und unauffällige Underdogs.

Ausnahmezustand auch in der Sterne-Gastronomie. Kevin Fehrling, bis vor kurzem mit drei Michelin-Sternen im La Belle Epoque ausgezeichnet, hat sein neues Restaurant eröffnet. In welche Kategorie wird er sich einordnen? Das wollen wir heute ergründen.

Nicht in jene der unauffälligen Underdogs, soviel ist klar. Die Marketingmaschinerie ist mit allem Drum und Dran angelaufen, die Ansagen sind stark. Ein einziger grosser Chef’s Table, Wohnzimmeratmosphäre, einzigartige Kompositionen am Teller. Erwartet uns ein Geniestreich? Oder einfach nur Marketing-Hype?

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Unser Dinner im Restaurant The Table in Hamburg

Mit Umwegen hat uns der ortskundige Taxifahrer zur Shanghaiallee in der Hafencity gebracht. „The Table“, nein das kenne er nicht, ob das neu sei? Er findet es dennoch zügig, ist schliesslich der einzige halbwegs fertiggestellte Neubau an der Strasse.

Es ist noch fast leer, als wir eintreffen. Industrieller Chic, hohe Räume, hohe Fenster. Und nun erblicken wir ihn, den lange, gewundene Tisch, den Namensgeber für „The Table“. Schon am Website, in vielerlei Berichten hat er uns stylish und fast übermächtig angestrahlt. In der Realität wirkt er luftiger, einladender.

Hinter dem Tisch mit den wirklich bequemen Barstühlen befindet sich der offene Teil der Küche. Hier werden heute Abend für uns die Gerichte finalisiert, angerichtet.

Im Hintergrund erklingt klassische Musik, später dann Filmmusik. Ein Luftzug voll sommerlicher Abendluft weht durch die offenen Fenster und erfrischt uns. Wir fühlen uns willkommen.

Der erste Teil der Gäste trifft heute um 19h ein, der zweite Teil eine Stunde später. Angeboten wird – und auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal – ein einziges Menü: Sieben Gänge, sechs Kleinigkeiten vorab und deren drei zum Abschluss.  Der Einsatz beträgt EUR 180, die Weinbegleitung steht mit EUR 95 feil.

Diese Wette gehen wir ein. Und sind gespannt auf die Leistung des Favoriten.

Grüsse aus der Küche

Champagner 

Regional ist in? Kevin Fehling kocht international, alles andere würde die Kreativität und die Möglichkeiten einschränken. Ja, um Champion zu werden, muss man auch mal gegen den Strom schwimmen.

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Die beiden ersten Kleinigkeiten sind eine Liebeserklärung an Italien. Auf einem Miniaturabbild des Tisches im Restaurant erhalten wir einen Burrata & Melonen Macaron und einen Sardiniencracker.

Der Macaron ist angenehm luftig, nicht zu zuckerig und mit einem Touch Basilikum; die rote Melone erfrischend und von leichter Süsse, der Burrata cremig. Auch der Cracker ist ein filigranes Kunstwerk mit Feta, getrockneten Tomaten und intensiven schwarzen Olivestückchen. Das ist italienischer Sommer pur!

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Im Glas dann Auster & Ponzu, wir schmecken die aufgewühlte Brandung des Meeres, einen fülligen Umami-Geschmack, mineralische Frische. Das japanische Fischbrötchen am kleinen Teller, ein Baiser mit Bonito-Flocken, darin Hamachi, gefällt uns mit Frische, intensiven Aromen und leichter Schärfe gleichfalls vorzüglich!

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Ein Klassiker der französischen Küche ist der Hummer „Thermidor“, im The Table wird er modern interpretiert und als Miniaturversion serviert.

In einem dünnen Krokantzylinder befinden sich Hummertatar, eine Hollandaise, ein wenig Saiblingskaviar sowie gefrorene Cognac-Perlen, welche im Mund schmelzend dessen Geschmack freisetzen und für einen spannenden Temperaturkontrast sorgen. Erneut ein geschmacklich wunderbar rundes und präzise konstruiertes Gericht!

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Einfach, doch genial ist dann der chinesisch inspirierte Aal-Bun. In einem Bambuskorb wird das chinesische Brötchen, gefüllt mit glasiertem Aal, gedämpft und dann mit Erdnusscreme und einer süss-sauren Gurke kombiniert.

Fluffig die Hülle, die Fülle mit einem schönen Spiel aus Süsse und Säure, rund und elegant. Ein Gericht, welches geschmackliche Wärme ausstrahlt und uns auch an einem Winterabend gefallen wird.

In Summe ist das ein Einstieg, welcher uns begeistert! (9/10)

Geflämmte Makrele & Tatar mit Rettich, Soja-Kaviar und Dashi-Sud

2013 Sancerre „La Moussière“, Mellot / Loire

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In der Küche wird nun der nächste Gang, die geflämmte Garnele, vorbereitet.

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Der Fisch mit schönen Röstaromen erhält als Gegenpol Rettich und einen am Tisch gereichten Meerrettich-Schnee, dazu einen wärmenden Dashisud unter anderem mit Kombu-Algen und Bonito-Flocken. Die fettige Makrele spielt den Gegenpol zur Schärfe von Rettich/Meerrettich, der Sud wirkt als verbindendes Element.

In einem Glas wird dazu ein Makrelentatar mit Sojakaviar gereicht. Beide Elemente sind dezent von der Aromatik und harmonieren schön im Wechselspiel mit dem Hauptteller. Wenn wir träumen dürfen: Mit den jodigen, salzigen Noten eines Osietra Kaviar hätte uns diese Beigabe vielleicht noch mehr begeistert. (8+/10)

Gänseleber „Tom Kha Gai“ mit Kaisergranat & Mango

2013 Juracon „Clos Uroulat“, Charles Hours / Süd-West-Frankfreich

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Thailändisch inspiriert ist der nun folgende Gang: Die Gänseleber mit wunderbarem Schmelz wird kombiniert mit den Elementen der Tom Kha Gai.

Da ist die Frische des Kaisergranats. Die grüne Mango steuert Süsse und eine schöne Säure bei, welche die Gänseleber lebendig werden lässt. Dekorative Tupfen am Teller bringen eine angenehme Schärfe ins Spiel, ein paar Reiskörner einen Tick an Textur.

Ein grossartiges Gericht, welches uns von einem weissen Strand in Thailand träumen lässt! (9+/10)

Jacobsmuschel „LBE“ mit Erdbeere, Rhabarber & Waldmeister

2012 Weisser Burgunder, Von Winning / Pfalz

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„La Belle Epoque“, Du warst die Geburtsstunde der Kombination von Erdbeere, Rhabarber und Waldmeister. Was dort in vielfachen Facetten seinen Weg auf den Teller fand, setzt die Küche nun im The Table fort.

Am Hauptteller eine angebratene Jakobsmuschel mit säuerlichem Rhabarberkompott und süsslicher Erdbeere, umschmeichelt vom Waldmeisterfonds. Auf der Platte roh aufgeschnittene Marinierte Muscheln mit eben jenen Elementen. Im Zylinder ein Muscheltatar mit Waldmeister-Hollandaise und Rhabarberkompott.

In Summe eine höchst spannende geschmackliche Reise, mit fein balanciertem Geschmacksbild eher auf der „süssen“ Seite, doch mit der einen oder anderen spannenden Ecke! (9/10)

Carabinerio mit orientalischem Couscous, Kumquats, Erbsencrème & Arganöl-Hollandaise

2013 Cartology, Chris Alheit / Hemel & Aarde

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Weiter zieht es uns in den Orient. Ein Carabiniero wird mit orientalisch gewürztem Cous Cous, mit Kumquats, einer vorzüglichen Erbsencreme und eine Hollandaise mit Arganöl begleitet. Filigran und rund, wenn auch nicht mit so ganz grossem Wow-Effekt wie die vorhergegangenen Gänge (8/10)

Challans Entenbrust mit Reiscreme, Himbeere, Reisessig-Hollandaise & Shisojus

2011 „Le Poiré“ Fiefs Vendéens, Saint Nicolas / Loire

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Endlich mal wieder Ente! Perfekt zubereitet ist die rosa Tranche aus der Challans-Entenbrust. Die Reisessig-Hollandaise, Reiscreme, Sishojus und Himbeer-Törtchen wie Himbeergel geben eine schöne Kombination aus Süffigkeit, lebendiger Säure und Süsse. Die Ente hat Biss und einen schönen Eigengeschmack und wurde Sous Vide rosa zubereitet, die Haut ist fettfrei und von sanfter Krossheit. (9/10)

„Oliven“ mit Martiniperlen, Mandelcreme, Hollunderblüte & Estragoneis

2012 Sauvignon Blanc Auslese, DrautzAbele / Wüttemberg

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Der erste Eindruck täuscht manchmal, und hinter Bekanntem verbergen sich Überraschungen.

Zwei Oliven sehen wir vor uns, bei genauerer Betrachtung entpuppen sie sich als mit Kugeln aus einer Ganache von weisser Schokolade und Mandeln, welche täuschend echt mit einem Olivengel überzogen sind.

Kombiniert werden diese mit Hollunderblütengel, Martiniperlen und einem phänomenalen Estragoneis auf Mandelstückchen. Das passt alles eigentlich toll, und doch lassen uns die Geschmacksnoten ein wenig verwirrt zurück, fehlt uns der letzte Tick an Harmonie. Doch wir sind überzeugt, dass dieses Gericht seine Liebhaber findet! (8/10).

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Wieder einmal huscht Maitre David Eitel lächelnd an unserem Platz vorbei. In der Küche ist weiter Hochbetrieb.

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„Wundertüte“ mit Lavendel, Blaubeere, Sternanis & Kardamom

2013 Bracheto d’Acqi DOCG Giamomo Bologna / Piemont P1040115 DxOP

Einfach gut wird es dann beim zweiten Dessert. Aus einer „Wundertüte“ ergiessen sich Lavendel, Blaubeere, Sternanis und Kardamom in unterschiedlichen Konsistenzen über den Teller. Die Geschmäcker vermengen sich bei jedem Bissen zu einer neuen, ansprechenden Kombination. Ein Abschluss, der Freude bereitet! (8+/10)

Süsser Abschluss

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Die Petit Fours zum Abschluss sind dann nochmals eine kleine Weltreise in sich und fassen damit die internationale Küchenlinie im The Table gut zusammen: Nigiri mit Kokos und Sisho hinterlassen einen angenehmen Kokos-Reis-Geschmack, der mexikanische Taco gefällt mit seinem Herz aus Mais-Eis und der Smokey-Berry (Zylinder Nummer 3 an diesem Abend) ist mit Beerenkrokant, einer Whiskycreme und mit Buttermilchespuma gefüllt. (8+/10)

Der erste Etappensieg ist Kevin Fehrling und seinem Team sicher!

Unser Küchenreise-Rating

Das Rennen um die Michelin-Sterne ist eröffnet. Und Küchenchef Kevin Fehrling, Maitre und Sommelier David Eitel und dem ganzen Team muss man einen wirklich starken Antritt bescheinigen!

Die Gerichte sind voll Kreativität, wunderbar harmonisch und doch mit ein paar Ecken und Kanten an den richtigen Stellen. Die Umsetzung ist technisch präzise und auf allerhöchstem Niveau. Die Qualität der verwendeten Produkte ist erstklassig, die Aromen voll Klarheit, das Geschmacksbild eher ins süssliche ausgerichtet. Wir sind beeindruckt! (9/10)

Und auch das Gesamtkonzept geht auf. Der Service brilliert „auf Augenhöhe“ (ein Vorteil der hohen Barstühle) mit unkomplizierter Freundlichkeit, Kompetenz und jeder Menge Charme.

Der grosse Tisch bietet mehr Privatheit als gedacht, und erlaubt doch die Interaktion mit anderen Gästen wo gewünscht. Wie auch die Räumlichkeiten generell von industriellem Chic verbunden mit viel Geschmack zeigen.

Das Publikum der Eröffnungstage ist – wenn vielleicht auch noch nicht repräsentativ – erfrischend gemischt. Und es scheint, als fühlen sich alle – vom neugierigen Studentenpärchen bis zu den Gourmets mit jahrzehntelanger Erfahrung – sehr wohl!

Der Antritt ist stark, die erste Etappe souverän bewältigt. Wir drücken die Daumen für das Finale des ersten Rennens um die Sterne im November!

The Table, Hamburg (D) (D)

Bewertung Essen (?): 9 / 10
Küchenreise-Rating (?): 5 – unbedingt wieder
Guide Michelin: Noch nicht bewertet (La Belle Epoque: ***)
Gault Millau: Noch nicht Bewertet (La Belle Epoque: 17/20)
Gusto: Noch nicht bewertet (La Belle Epoque: 10 Pfannen)
Küchenchef: Kevin Fehling
Adresse: Shanghaiallee 15 D-20457 Hamburg
Telefon: +49-40 2286 7422
Web: http://www.thetable-hamburg.de
Kosten (Rechnung): 610 EUR (2 Personen)
Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.

Blogroll: Was schreiben andere?

Sternefresser (2015) Tischgespräch
Restaurant-Ranglisten Forum (2015) The Table
Kochfreunde (2015) Sternschnuppen über der Hafencity
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8 Kommentare

  1. Danke für den mal wieder tollen Bericht – wir haben einen Tisch dort in 3 Wochen und freuen uns jetzt schon noch mehr 🙂

    Wie ist das mit den Tischen auf der Gallerie am ersten Bild? Kann man dort oben auch essen?

  2. Endlich mal kein ach so regional und am besten vegan Getue! Finde ich richtig, daß Fehrling da gegen den Strom schwimmt, all die Farne und Schweine vom Bauern Thomas hängen mir schon zum Hals raus…

    • Ganz so pointiert hätten wir es ja nicht ausgedrückt, GerneEsser 😉 Auch die regionale Küche hat einiges zu bieten. Aber Du hast recht, mal wieder mit breitem Horizont gekocht ist auch schön!

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