In der Südsteiermark
Es gibt sie.
Jene Plätze, die Du selbst niemals finden, ja nicht einmal suchen würdest. Wenn Dir nicht ein Einheimischer, dem Du gerade Deine (vorzüglich kochende) Grossmutter gegen ein Spottgeld verkauft hast, den Weg dorthin zeigen würde – unter dem Siegel der Verschwiegenheit.
Er will ja noch mit einem Schnapserl auf seinen guten Deal anstossen. Und Dich der einheimischen Stammtisch-Gesellschaft vorführen; als den Städter, der Grossmütter so überaus günstig verscherbelt hat.
Und dann landest Du in einem Gasthaus quasi am Ende der Welt. Einfache Holztische, eine schöne Schank. Die grosse Barockkirche gleich nebendran gibt Dir die Gewissheit, dass an diesem Ort nichts Schlechtes sein kann. Oder falls doch, dass es pflichtbewusst am nächsten Sonntag gebeichtet wird.
Doch irgendetwas stimmt hier nicht. Du bemerkst es zuerst an den Augen der Einheimischen. Da ist dieses verdächtige Leuchten.
Du ziehst die Wirtshausluft durch Deine Nase. Keinerlei subtile Aromen des Altöls einer Fritteuse. Kein Duft nach Maggi-geschwängerter Rindssuppe.
Du siehst Dich genauer um. Bemerkst, dass über der Bar Super-Tuscans stehen und keine Glykol-Bomber. Siehst, dass der flinke Service den Saibling aus dem Grundlsee an die Tische der Einheimischen trägt und keine Teller mit XXL Cordon Bleu.
Und Du ahnst, dass Dein Geschäftspartner Dich doch nicht über den Tisch gezogen hat. Oder zumindest im Herzen ein guter Mensch ist. Der sich um das Wohlergehen Deiner Grossmutter bemühen wird. Und um das Deine.
Unser Dinner im Gasthof Thaller in St. Veit (A)
Alkohol ist bei solch erkenntnisreichen Tagen immer ein guter Begleiter. Anders als beim Essen – nimm einfach das Überraschungsmenü, je nach Hunger in drei, vier oder fünf Gänge – hast Du hier die Qual der Wahl. Und eine schöne Qual. Grad wenn Du orange Weine magst oder wenn Du ein bisserl was älteres, gereifteres auch zu schätzen weisst.
Wie zum Beispiel das letzte Flascherl eines 2000’er Sauvignon Blanc Zieregg von Tement in der Südsteiermark. Ja, Jahrgang zwei-tausend. Fünfzehn Jahre altes Elixier. Dicht, cremig, burgundrig, mit schönen Röstaromen, das ist wow! Und bekommt man sonst nirgends mehr (und ab sofort auch nicht mehr beim Thaller). Die verkaufte Grossmutter scheint schon fast vergessen.
Gruss aus der Küche
Ein bisserl Brot muss sein, beim Thaller bekommst Du dazu eine Butter Natur und eine mit geröstetem Gerteide. Und gleich darauf die Paradeiservielfalt aus dem eigenen Garten, mit Avocadocreme und Champignondressing. Fein abgestimmt ist das, und gut sind die Tomaten. (6/10)
Saibling, Gurke, Haselnuss
Vom Grundlsee im steirischen Teil des Salzkammergutes hast Du vielleicht schon gehört. Ganz in der Nähe suchen sie in Seen verstecktes Nazi-Gold, schon seit Jahrzehnten und immer ohne Erfolg.
Die dortigen Fischer haben Gescheiteres zu tun, zum Beispiel einen Saibling aus den Tiefen des Wassers zu holen. Die Küche von Norbert Thaller kombiniert diesen dann mit Gurke, ganz frischen gerösteten Haselnüssen und Joghurt. Genial, die Kombination; mit einem Tick mehr Säure wär’s sogar Weltklasse. (7/10)
Butternusskürbis, Saiblingskaviar
Suppe hat hier ja jedes Wirtshaus. Mit Packerl-Frittaten, Backerbsen oder Buchstabennudeln. Aber Du wirst uns zustimmen, wenn schon eine Suppe, dann eine wie vom Thaller. Aus Butternusskürbis, toll abgeschmeckt, mit lebendiger Säure, Saiblingskaviar, einem Nockerl und frischen Kräutern. Passt schon! (7/10)
Rheinanke, Marchfelder Artischocke
„Fisch machen, das kann er“, wirst Du beim nächsten Gang sagen wollen. Am Teller eine wild gefangene Rheinanke mit einer angebratenen (leider ein bisserl faserigen) Artischocke, Sardelle und Räucherfisch-Palatschinke. Am Nachbartisch feiert eine einheimische Frauenrunde irgendetwas. Das richtige Essen zum feiern, definitiv. (7/10)
Perlhuhn, Melanzani, Steinpilze, Sommertrüffel
Nun werden Deine fleischlichen Gelüste gestillt: Das Perlhuhn ist wunderbar, die Haut dazu schön kross. Dazu und drüber gibt es Steinpilze angebraten und roh gehobelt, wie immer unauffällige Sommertrüffel, Melanzani (Auberginen) als Creme und geschmort sowie einen tiefgründigen Fonds. Das gefällt! (7/10)
Hollerkoch
Ein Hollerkoch, das ist in Wasser und Zucker eingekochter Holunder auf steirisch. Du bekommst dieses nun warm mit Joghurteis und einer Brombeersauce – nicht komplex, aber fein. (6/10)
Und schliesslich gibt’s als süssen Abschluss noch einen Zwetschkenfleck, der ist sogar besser als der von der Oma. Mit Mandeleis – sagen wir mal, das ist kein richtiges Gericht wie manches zuvor, aber es wird Dir den Heimweg versüssen.
Und schliesslich ist es ja schon dunkel geworden, und zur Nebensaison ist es da in der Steiermark ganz ruhig. Gut, dass wir es nicht weit haben.
Unser Küchenreise-Rating
Zugegeben: Die eigene Grossmutter verkaufen würden wir nun ja doch nicht für einen Besuch im Gasthaus Thaller. Doch das Restaurant wirkt wie ein nahezu unentdeckter Geheimtipp. Auch wenn man seit kurzem den Website um geschätzte 10+ Jahre modernisiert und gar eine Facebook-Seite eröffnet hat.
Und wenn man dann, mehr zufällig als lange geplant, im Restaurant sitzt und die ersten Gänge geniesst, ist man umso mehr überrascht. Der junge Küchenchef und Eigentümer Norbert Thaller, so heisst es, sei Autodidakt, habe nie bei den Grossen gelernt. Doch seine Küche ist modern, ohne abstrakt zu wirken. Sie ist lokal, doch ohne die in Metropolen oft erlebten Übertreibungen. Das Küchenteam kombiniert auf kreative und kluge Art, schmeckt präzise ab, legt Wert auf Produktqualität und hat zweifelsohne auch ein Talent für den Umgang mit Fisch. Und das Gasthaus Thaller scheint bei Einheimischen wie bei Touristen beliebt; für den Besuch mit Enkelkindern und der Grossmutter wie auch für ein feines Dinner im Rahmen eines süd-steirischen Wellness-Weekends geeignet. Und das ganze zu grossartigem Preis-Leistungsverhältnis – würde der Guide Michelin noch in Österreich bewerten, so sollte er der sehr guten Küche des Gasthofs Thaller besondere Beachtung schenken. |
Restaurant Gasthaus Thaller in St. Veit am Vongau (A)
Bewertung Essen (?): | 7 / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 5 – unbedingt wieder |
Guide Michelin: | – (bewertet in Österreich nur in Wien/Salzburg) |
Gault Millau: | 15 / 20 |
A la Carte | 74 Punkte |
Küchenchef: | Norber Thaller |
Adresse: | Am Kirchplatz 4 A-8423 St. Veit am Vongau |
Telefon: | +43-3453-25 08 |
Web: | www.gasthaus-thaller.at |
Kosten (Rechnung): | 187 EUR (2 Personen) |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |
Kann mich der Beschreibung und Einschätzung nur vollinhaltlich anschließen. Habe dieses Restaurant mehrmals besucht und wurde nie enttäuscht !