Eins plus Eins macht zwei Sterne
Fährst du mit dem Auto die Mosel entlang, von Koblenz in Richtung der Römerstadt Trier, so wird die Landschaft schon bald pittoresk schön. Staunend wirst du den Windungen folgen, die der Fluss durch den Fels gefressen hat.
Mit grossen Augen wirst du die Weinberge an den steilen Hängen betrachten, die der Mensch der Natur abgerungen hat. In welchen die Trauben für einige der besten Rieslinge des Landes heranreifen. Und wenn dann noch die Sonne vom tiefblauen Himmel strahlt, wird dein Glück vollkommen sein.
Du wirst in einem der vielen kleinen Städtchen am Ufer des Flusses halten, um Dich zu stärken. Doch da wird dich die Realität jedoch gar schmerzhaft einholen. Die Hotellerie und Gastronomie an der herausgeputzten Promenade wird dich in die 70er-Jahre versetzen, oft verstaubt und wie in einem alten Film.
Ja, die Tische der Gastgärten mit Blick auf den Fluss sind bis auf den letzten Patz gefüllt. Motorradfahrer, Bustouristen und Kegelvereine geben sich ein trunken-fröhliches Stelldichein. Und kaum wird ein Tisch frei, so sorgt der engagierte Gastwirt unter Anpreisung von Jägerschnitzel und Toast Hawaii für schnellen Nachschub!
Genau, Toast Hawaii. Du denkst, die Küche der Wirtschaftswunder-Jahre ist schon längst aus den Speisekarten verbannt? Hier wirst Du dem Schinken-Ananas-Toast an vielen Ecken begegnen. Für den besonderen Connaisseur auch überbacken mit Béchamelsauce und verfeinert mit Preiselbeeren.
Darum empfehle ich dir, beim Schanz im nahen Piesport anzurufen und dort demütig einen Tisch zu erbitten. Schliesslich möchtest du richtig gut essen, und – vertraue mir – im Restaurant des jungen Thomas Schanz wird Du nicht enttäuscht werden!
Vielleicht nimmst du dir auch gleich ein Zimmer im zum Restaurant gehörenden, netten Hotel. Der Alkohol zum Essen wird zwar jegliche Alpträume von moselanischen Ananas-Käse-Toasts im Keim ersticken, doch er wird dich nicht zum Fahren kurvenreicher Flussstrassen ertüchtigen. Dann ist es besser, du kannst dich ausschlafen und am Morgen einen Tomatensaft gegen den Kater trinken.
Unser Dinner im Restaurant Schanz in Piesport an der Mosel (D)
Damit du meinem Rat folgst, möchte ich dir die Geschichte unseres Besuches im Restaurant Schanz erzählen, welches kürzlich mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde.
Das Hotel und Restaurant Schanz ist ein Familienbetrieb. Die Eltern, Gabi und Erich Schanz, haben das Hotel aufgebaut. Lange war es nicht klar, ob eines der drei Kinder den Betrieb übernehmen will.
Der Sohn, der 36-jährigeThomas Schanz hat zunächst eine Ausbildung zum Hotelfachmann gemacht. Dort hat er den Spass und die Liebe zum Kochen entdeckt und noch eine zweite Ausbildung zum Koch in der Traube Tonbach in Baiersbronn nachgeschoben. War dann unter anderem in Drei-Sterne-Restaurants wie dem Gästehaus Erfort in Saarbrücken und als Sous-Chef im Waldhotel Sonnora in Dreis tätig.
2011 ist der dann zurückgekehrt in den elterlichen Betrieb, hat diesen übernommen und ihn um einen modernen Restaurant-Anbau erweitert. Die Eltern kümmern sich weiter um vielfältige Belange im Hotel, er konzentriert sich voll und ganz auf die Küche.
Und so stellte sich schon kurz nach der Eröffnung der Guide Michelin mit dem ersten Stern für das Restaurant Schanz in Piesport ein. Und hat dann die Bewertung für Restaurant an der Mosel im 2016er-Guide auf zwei Sterne angehoben.
Eins plus Eins macht somit zwei Sterne!
Bei unserem Besuch werden wir nach freundlicher Begrüssung an unseren Tisch geführt. Das helle, moderne Ambiente des Restaurants gefällt uns. Die Tische sind voll besetzt, das Restaurant lebt und ist lebendig, an einem Tisch wird gelacht, an einem anderen geflirtet, am nächsten mit Begeisterung genossen. Obwohl der Rahmen elegant ist, wirkt hier nichts steif.
Grüsse aus der Küche
Als erste kleine Aufmerksamkeit erhalten wir eine Art Tatar von der Schwertmuschel. (7+/10)
Danach wird uns Brot an den Tisch gebracht.
Das Goldei ist ein Klassiker der Grüsse aus der Küche von Thomas Schanz. Der erdige Geschmack der schwarzen Trüffel harmoniert wunderbar mit dem Ei und dem Sahneschaum. Nichts davon ist neu, doch in Piesport ist das Gericht relativ leicht und perfekt abgestimmt. So geniessen wir klassische Geschmacksbilder am liebsten! (8/10)
Richtig stark dann der dritte Gruss aus der Küche, ein geliertes Tatar vom Schwertfisch, asiatisch inspiriert mit Wasabi und Ingwer. Das Gericht ist wunderbar abgestimmt und überzeugt mit lebendiger Säure, leichter Schärfe und intensiven Aromen des Schwertfisches. Eine grandiose Kleinigkeit! (9/10)
Carpaccio von der Gänsestopfleber mit eingedicktem Traubenmost, Sherrygelee und Parmigiano Reggiano
Das Menü wird eröffnet mit einem „Carpaccio“ von der Gänseleber, diese ist dünn aufgeschnitten, darauf befinden sich ein Sherrygelee, Nüsse, eingedickter Traubenmost, Kräuter und hauchdünne Parmesan-Späne; begleitet wird dies von einem Gänselebereis und einem Brioche.
Im Mund ist das ein unerwartet filigranes, ein präzise abgestimmtes Gericht. Geschmacklich liegt der Schwerpunkt auf den Nüssen und dem traubigen Gelee, kombiniert mit dem schönen Schmelz der Gänseleber, der Parmesan ergänzt gut. Es spielt weniger mit Temperaturen und Texturen, sondern überzeugt durch eine wunderbare Harmonie! (9/10)
In Kardamom gebratene St. Jakobsmuschel aus Dieppe mit wildem Brokkoli, Tomate und Mandarine
Spät ist es mittlerweile geworden im heute bis auf den letzten Platz gefüllten Restaurant. Nach 2.5 Stunden warten wir noch immer auf den zweiten Gang, bitten den Service um etwas mehr Geschwindigkeit. „Der nächste Gang ist in 6 Minuten geplant“ – schliesslich ist er dann schon in einer Minute am Tisch.
Und ab diesem Moment stimmt zeitlich auch wieder alles perfekt. Manchmal läuft etwas nicht ganz rund, doch gutes Reklamationshandling macht den grossen Unterschied, macht aus einem potentiell unzufriedenen einen noch zufriedeneren Gast. Und dies beherrscht der Service im Restaurant Schanz!
Am Teller befinden sich nun eine Jakobsmuschel wie auch eine „falsche“ Piesporter Jakobsmuschel aus Rettich, der Kardamomgeschmack, Brokkoli und der Geschmack von Mandarine und Tomate machen dies erneut zu einem sehr runden Gericht. (7+/10)
Tranche vom wilden Steinbutt „Jägerin Art“ auf Pak Choi mit Riesling-Vinaigrette und Feldsalatjus
Der Name des nächsten Gerichtes spielt mit lokalen Traditionen, die „Jägerin Art“, doch er ist nicht rustikal und viel weltoffener, als man angesichts des Titels vermuten könnte.
Eine Tranche vom wilden Steinbutt wurde im Meer erjagt, diese wird mit erdigen, an den heimischen Wald erinnerten Champignons begleitet. Asiatisch wird dies mit Pak Choi-Gemüse kombiniert, lokal mit einer Riesling-Vinaigrette angerichtet. In Summe erneut ein rundes, intensives und doch fein abgestimmtes Gericht, welches einfach nur Freude bereitet! (8+/10)
Frikassee vom gegrillten Hummer mit gebrannter Litschi, Madagaskar-Pfefferjus und knusprigem Bündnerfleisch
Der nun servierten Hummer, einem oftmals etwas langweiligem Luxus-Meeresgetier, erfreut mit Konsistenz und Geschmack; ihm wird knuspriges Bündnerfleisch als schöner Gegenpol zur Seite gestellt. Litschi und ein Madagaskar-Pfefferjus runden das ganze ab. Erneut spielt hier weniger die abwechslungsreiche Textur denn die wohl abgerundete Harmonie! (8/10)
Kalbsbries,-kopf und Flusskrebse mit frischen Erbsen, Frühlingsmorcheln und Lavendelessig
Sehr schön nun der Kalbskopf, grossartig die Flusskrebse, sehr gut das Kalbsbries; einzig letzteres könnte mehr Röstaromen haben, doch das ist bekanntlich Geschmacksache.
Wie gut die vermeintlich trivialen Erbsen sind, merkt man erst bei einem Gericht wie diesem, die Morcheln harmonieren natürlich mit diesen, der Lavendelessig gibt dem ganzen noch den besonderen Kick. So sollte der Frühling immer schmecken! (9/10)
„Zwei Äpfel fielen weit vom Stamm“ mit Macadamiacreme, Kaffeeessigschaum und Granny Smith Sorbet
Das Menü nähert sich dem Ende, nun ist Süsses angesagt. Ein grosser grüner ein kleiner roter Apfel, sie vielen weit vom Stamm. Der grüne Apfel ist mit einer Macadamiacreme gefüllt, ein Granny Smith Sorbet begleitet.
Angenehme Süsse, Säure und abwechslungsreiche Temperaturen prägen das Gericht, doch die Austarierung der Komponenten, der Spannungsboten ist bei uns nicht so stark wie zumeist zuvor. (7+/10)
Petit Fours
Zum abschliessenden (leider viel zu heiss gebrühten) Kaffee geniessen wir dann noch einige vorzügliche kleine Süssigkeiten!
Unser Küchenreise-Rating
Shooting for the Stars: Thomas Schanz hat eine grossartige Ausbildung, er hat hohe Ambitionen und er wurde zurecht vom Guide Michelin mit dem zweiten Stern ausgezeichnet.
Die Küche fundiert auf starkem klassisch-französisch geprägtem Fundament, sie ist jedoch mit jener Modernität angereichert, welche ich bei den grossen Restaurants und Köchen der „vorherigen Generation“ oft vermisse. Die Speisen sind filigran, sie sind harmonisch die sind perfekt abgestimmt. Die Küche von Thomas Schanz fokusiert nicht auf plakatives, auf texturelle Überraschungen; sie nimmt den Gast schon fast zärtlich auf eine liebevolle Reise des abgerundeten Geschmacks. Und die Umsetzung der Gerichte ist akkurat, auf technisch hohem Niveau, perfektionistisch. Wenn du dem Toast Hawaii in den Restaurants der Moselorte entfliehen willst, kehre im Restaurant Schanz in Piesport ein. Und wenn du noch gar nicht an der Mosel bist, begib dich doch auf eine Reise in diese wunderschöne Gegend. Wo du gut essen kannst, weisst Du ja jetzt! |
Restaurant Schanz, Piesport an der Mosel (D)
Bewertung Essen (?): | 8+ / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 5 – unbedingt wieder |
Guide Michelin: | ** |
Gault Millau: | 17 / 20 |
Gusto: | 8 Pfannen |
Küchenchef: | Thomas Schanz |
Adresse: | Bahnhofstrasse 8A D-54498 Piesport |
Telefon: | +49-6507-92 520 |
Web: | schanz-hotel.de |
Kosten (Rechnung): | 423 EUR (2 Personen) |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |
Blogroll: Was schreiben andere?
Sternefresser (2016) | Der Schanz, der kann’s |
Unterwegs mit Christian Fenske (2016) | Bericht |
Stef’s Table (2015) | Mosel. Mitunter munter. |
Stefan’s Gourmet Blog (2014) | Dining in Germany: Schanz |
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