Und schon wieder ein Jahr vergangen
Der jährliche Besuch im Restaurant Vendôme ist wie ein Klassentreffen: Eine Menge alte, bekannte und wunderbar vertraute Geschichten, doch es gibt immer eine Menge Neues zu erkunden. Manch zarte Idee aus einem Vorjahr hat sich zum Signature Dish entwickelt, andere Gerichte waren letztlich zu frech oder haben sich überlebt.
So fahren wir auch dieses Jahr die gepflasterte Einfahrt zu Schloss Bensberg hoch, werfen einen letzten Blick auf den in der Ferne genau gegenüber liegenden Kölner Dom (kann den Völlerei Sünde sein?) und begeben uns hungrigen Magens in das in einem Nebentrakt gelegene Restaurant. Wie wird das Kassentreffen diesmal sein? Wir werden zufrieden nach Hause gehen!
Unser Essen im Restaurant Vendôme in Bensberg bei Köln
Das Vendôme bietet jeweils ein saisonales Menü mit fünf, acht und zehn Gängen an, Mittwochs und Donnerstags gibt es am Abend ein etwas günstigeres fünf-Gang-Menü mit Weinbegleitung, und am Samstag/Sonntag steht zu Mittag auch ein sehr empfehlenswerter Gourmetlunch zur Auswahl. Beim heutigen Klassentreffen entscheiden wir uns für das grosse Menü, aus fahrtechnischen Gründen jedoch ohne die volle Weinbegleitung.
Auftakt
Ein (wohlverdienter) Klassiker sind die TOFFEE [Gänseleberkaramell : Piemonteser Haselnuss]: Sie spielen mit den Erinnerungen unserer Kindheit an die karamelligen Toffifee, und kombinieren Gänseleber, Karamell und Haselnuss auf allerwunderbarste Art!
Der zweite Auftakt dann BRETONISCHE SARDINE „ESCABECHE“ [Gazpacho verde : Rettich & Avocado] – die vorzüglichen Sardinen sind ‚Escabeche‘ eingelegt; die intensiven Noten des Fisches spielen wunderbar mit der Säure und Lebendigkeit der filigran abgeschmeckten Gazpacho, dazu ein Tick frischer Schärfe des Rettichs und Avocado.
Dazu wird ein mit Wasabi gefärbter Cracker mit Sardine gereicht. Die beiden Grüsse waren ausgezeichnet! (9+/10)
Menü
Eröffnet wird das Menü mit BLAUER HUMMER & GELIERTE KAMILLENINFUSION [Fenchelcreme : Salzgraskräuter : Pfifferlinge]. Der Hummer wurde zunächst in der Schale gedämpft, das entnommene Fleisch danach an den Schnittstellen scharf angebraten. Kamille und Fenchel waren die beiden dominierenden Geschmacksakzente, schön abgerundet durch Salzgraskräuter.
In einem separatem Schälchen gab es dazu eine mit den Karkassen des Hummers zubereitete Velouté – warm, wärmend, einfach gut. (8+/10)
Als nächsten Gang präsentierte der Service die MILCHFERKELSCHNÄUZCHEN & GESCHMOLZENE GÄNSELEBER [Räucheraal : Shiso-Plfaumen : Gurkentatar]. Das Fleisch war butterzart, ja von der Konsistenz ähnlich wie Pulled Pork, darüber befand sich eine dünne Scheibe roher, nur ganz leicht erwärmter und angeschmolzener Gänseleber.
Der Räucheraal wie auch die wunderbar krosse Haut vom Schwein waren intensive Begleiter dazu, für Leichtigkeit sorgte die wie etwas geliert wirkende Sauce und das Gurkentatar. Kapern gaben dazu noch kleine Geschmacksexplosionen.
Erneut ein sehr präzise zubereitetes und abgestimmtes Gericht, welches auch mit Säure zu spielen weiss. (9/10)
Danach folgte das LANDEI MISO GEBEIZT [Lachscreme, Eisbergsalat & D’Aquintaine-Kaviar]. Das Ei wird zunächst bei 65 Grad gegart und dann mehrere Stunden in einer Misopaste gebeizt. Am Teller wird das mit einer geräucherten Lachscreme, Schinkensud, Eisbergsalat und Kaviar kombiniert.
Auf einem Holzlöffel werden dazu Weissbrot mit gestocktem Eiweiss, Schweineschnäuzchen, Kaviar und Salatcreme begleitet.
Das Resultat ist ein schönes Spiel aus Eigelb, rauchigem Geschmack, grünen Noten, den salzigen Akzenten des Kaviars. (9/10)
Der nächste Teller – die LECHTAL SEEFORELLE IN ZEDERNHOLZ GEGRILLT [Butterbohnen & Mangalitza Speck : Lauchherzen]. Die Forelle aus dem Lechtal, welche Joachim Wissler oft in Gerichten verwendet, wurde hier in Lauch eingewickelt und dann in Zedernholz ganz kurz, eine Minute etwa, gegrillt. Das ergibt einen Fisch, der innen noch fast roh ist und mit famoser Produktqualität überzeugt.
Über den begleitenden Butterbohnen befindet sich hauchdünner Mangalitza-Speck. Auf einem separaten Gefäss befindet sich eine Art luftiger Blini mit Forellentatar und Forellenkaviar. Die Qualität des Fisches, die Kombination mit Bohnen, Lauchherzen und Speck überzeugt! (8+/10)
Weiter ging das Menü mit einem ROCHENFLÜGEL GEZUPFT „ CEVICHE “ [Limonen-Sepiafumet : Kartoffelscheiben grüne Oliventapenade]. Der Rochenflügel wurde mit Limettenöl Cevice-Style zubereitet, Tintenfische und eine Oliventapenade wie auch hauchdünne Kartoffelscheiben ergänzten. Das Ganze war für mich zu sehr säurebetont, die Limette zu intensiv; die Kartoffel, welche diese auffangen hätte können, war zu klein portioniert. (8+/10)
Als erster Fleischgang folgte nun MIERAL PERLHUHN [Grüner Spargel : gegrillte Mango : Mais]. Das Huhn wurde 8 Stunden Sous Vide gegart, dann angebraten; dazu eine geschmorte Keule und ein Stück Hühnerherz; alle Stücke überzeugen durch perfekte Zubereitung und erstklassige Qualität. Ergänzt wird das Gericht mit gegrillter Mango, grünem Spargel und Mais.
Grossartig auch der separat gereichte krosse Cracker von der Hühnerhaut mit Fleisch und Ingwer. (9+/10)
Als Hauptgang dann REHBOCKRÜCKEN & SCHULTER [Piment-Melonensalat : Waldmeisterpesto : Schwarzwurzeln]. Vom Reh befanden sich Filet, Schulter und Leber am Teller, wiederum sehr fein das Fleisch und die Leber setzte intensivere Akzente. Ein Selleriepüree, Waldmeister-Pesto mit Melonenstückchen und eingelegte Maroni begleiteten, der Fonds war intensiv und absolute Wissler-Spitzenklasse. Auf einem kleinen Tellerchen ergänzte Rehfleisch und Cranberry-Schaum.
In Summe ein sehr guter Gang, klassisch vom Fundament, doch abwechslungsreich und kreativ im Geschmacksbild; mit vorzüglichem Fleisch und der Frische von Waldmeister und der Melone.
Zum Käse führte die Küche dann mit BURRATA [Fichtensprossen : gepickelte Pepperdrops : Basilikum]. Der modische Köse wurde mit einer für 24 Stunden in Gazpacho eingelegten Tomate, einem Pinienkern-Crumble, gelierter Gazpacho, Basilikum und Fichtensprossen begleitet.
Das vermeintlich simple Gericht war ein herausragendes Geschmackserlebnis, intensiver Tomatengeschmack, fein abgestimmt und absolut überzeugend. (9+/10)
Der erste süsse Gang dan GROSSES KINOVERGNÜGEN. Wieder spielt die Küche von Joachim Wissler mit schönen, doch vielleicht kulinarisch einfachen Erinnerungen wie hier dem an Kinobesuche, lässt sie jedoch auf ganz anderem Niveau wieder aufleben. Popkorn, Coca Cola mit Salzzitrone, Mais, Griesflammerie, Eiskonfekt, Karamell – das weckt Emotionen, ist überraschend, begeistert und lässt uns lächeln. (9/10)
Der ROTER BEERENSALAT & TOPFENSOUFFLÉ schliesst dann das Menü. Verschiedene Rote Beerren (inklusive einer ‚falschen‘ Brombeere) voll Fruchtigkeit und Säure, perfekt kombiniert mit einem hervorragenden Topfensouflè! (8+/10)
Süsser Abschluss
Den süssen Abschluss bildeten dann verschiedene grossartige Kleinigkeiten wie ein Waldmeister-Schaumkuss, ein Milchkaffee-Magnum und Macerons. (9/10)
Und auch bei diesem Besuch durfte die herrliche Auswahl an Pralinen zum Abschluss nicht fehlen!
Unser Küchenreise-Rating
Technisch wird die Küche von Joachim Wissler oft genannt, und das mag stimmen; in jedem Fall ist die technische Perfektion der Umsetzung der Gerichte beeindruckend.
Doch das Vendôme entwickelt sich kontinuierlich weiter und wird (wird man bei Klassentreffen über die Jahre zunehmend sentimentaler?) zunehmend emotionaler. Toffee und Schaumküsse, Magnum und Gänge wie Grosses Kinovergnügen lassen gelernte Geschmäcker, Gerüche hochsteigen, wecken Emotionen und begeistern mit ihrer Neuinterpretation auf kulinarisch allerhöchstem Niveau. Die Küche scheint über die Jahre gereift, braucht weniger den exotischen Effekt oder technischen Overkill, sondern spielt ihre Stärken voll aus. Und im luxuriös-unkomplizierten Ambiente des Restaurants lässt sie sich, betreut vom perfekten Service, sehr entspannt geniessen. Wir freuen uns schon auf das nächste ‚Klassentreffen‘! |
Restaurant Vendôme (im Grandhotel Schloss Bensberg), Bergisch-Gladbach (D)
Bewertung Essen (?): | 9+ / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 5 – unbedingt wieder |
Guide Michelin: | *** |
Gault Millau: | 19.5 / 20 |
Gusto: | 10+ Pfannen |
Küchenchef: | Joachim Wissler |
Adresse: | Kadettenstrasse 2 D-51429 Bergisch Gladbach |
Telefon: | +49-2204-42 906 |
Web: | schlossbensberg.com |
Kosten (Rechnung): | 657 EUR (2 Personen) |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |
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