Der Vueling Flieger landet am Flughafen bei San Sebastian, und entgegen aller ‚Billigflieger‘ Befürchtungen war der Flug angenehm, der Service gut und die App der Konkurrenz von Lufthansa & Co überlegen.
Und so setze ich meinen Fuss auf den Boden von San Sebastian, der ‚Gourmet Hauptstadt‘ der Welt. Mit solchen und ähnlichen Attributen wird die Stadt bedacht, gibt es hier doch von einer erklecklichen Anzahl von Sternerestaurants bis zu jeder Menge an Pintxos-Bars angeblich alles, was das Gourmetherz begehrt.
Und meine Mission ist einfach: Allen drei der mit vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichneten Restaurants einen Besuch abstatten. Eindrücke sammeln, Vergleiche ziehen, geniessen. Ich erhoffe mir ganz grosses Kino!
Und noch ahne ich nicht, wie unterschiedlich diese Eindrücke sein werden. Wie gross die Enttäuschungen, wie begeisternd wiederum andere Erfahrungen. Eine Gourmet-Hauptstadt, eine spanische Avantgarde-Küche? Nein, eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Restaurants, unterschiedlichen Konzepten, unterschiedlicher Qualität am Teller.
Zunächst habe ich einen Termin im Arzak, dem auf allerlei Listen hochgejubelten Restaurant von Elena und Juan Mari Arzak. Etwas düster wirken die Räumlichkeiten im 1. Stock, und das Publikum ist sehr international. Amerikanisches Englisch, Französisch, und japanisch höre ich von den Nachbartischen, und natürlich chinesisch von der Gruppe am grossen Tisch, welche ich anderntags bei einer weiteren Station meiner Mission erneut treffen werde. Gut, auch ich kann nicht verheimlichen, kein Spanier zu sein…
Der relativ souverän agierende Service empfiehlt mit Nachdruck das Menü, ich hätte es ohnedies gewählt. Doch bei Gourmet-Touristen aus aller Welt braucht es manchmal vielleicht etwas Nachdruck?
Seit 1989 hat das Arzak drei Sterne, das sind nun schon fast dreissig Jahre. Gespannt harre ich nun dieser.
Dinner im Restaurant Arzak in San Sebastian
Zum Start dann einige Snacks: Die citrus and mussel sphere ist ansprechend, doch eher auf der rustikalen Seite. Schön das Mascea Corn auf Gänseleber mit mexikanischem Twist. Das urban seafood ‚talo‘ ist kräftig und robust, auch die beiden anderen Kleinigkeiten ok. Auf das Wow-Erlebnis warte ich jedoch noch. (7/10)
Die Makrele wurde roh eingelegt, ist von guter Qualität und hat einen wunderbaren Eigengeschmack sowie einen Tick Säure. Dezent dazu die gut harmonierende Knoblauchsauce. Schade, dass die Portion so klein ist, hier hätte ich gerne noch mehr! (8+/10)
Die roten Garnelen weisen eine angenehm feste Konsistenz und einen leicht süsslichen Geschmack auf. Sie sind auf einer dezenten Creme von roter Beete platziert; darauf eine Art Chip vom Grill mit Krill (Mini-Scampis), welcher auch eine leichte Bitternote beisteuert. Das Zitronengras ist nicht zu erschmecken. Zwei auf dem Teller platzierte Dreiecke machen mich mit einer wie aus der Zeit gefallenen Anrichtweise der Teller bekannt. In Summe ’schon recht gut‘ (8/10).
Und ich frage mich, ob ich im richtigen Film bin.
Ei hat immer etwas versöhnliches, und so ist auch das aussen angebratene Ei mit flüssigem Dotter schönes Comfort-Food. Im Rahmen der Erwartungen an die Mehr-Sterneküche scheint das angebratene Eiweiss jedoch zu viel und zu dominant zu sein. Ergänzt wir das Ganze mit Tomaten, Pilzen und Pozole Corn – das Gericht erinnert mich an ein Frühstücksbuffet (7+/10), wenn auch nicht an Breakfast at Tiffany.
Sea bass
Monk fish
Der Seeteufel wirkt bodenständig und ist mit einer Sauce mit Bohnen kombiniert; dazu gibt es – wie es mal sehr modern war – gepoppte Fischhaut. Durchaus ansprechende Ein-Sterne-Küche, denke ich mir, doch hat das Arzak nicht deren drei? (7/10)
Ein wenig filigraner ist der Wolfsbarsch, leicht dazu die Sauce mit den Fischeinern. (7+/10)
Meine Gedanken gleiten ab. Wie wohl Kevin Kline der Aquarium-Fisch in A Fish Called Wanda gemundet haben mag?
Die seltsamen Namen der nun folgenden Gerichte wie der ’symbolischen Taube‘ und die Idee hinter den kindlich wirkenden, aus blauen Kartoffeln geschnitzten Symbolen zu ergründen habe ich keine Musse mehr. Der Service erwähnt etwas von Symbolen wie „Stärke“ etc. – mir fällt nur noch Strong, healty, full of Energy aus dem Dschungelcamp ein.
Die Taube selbst ist deutlich über dem durchschnittlichen Dschungelcamp angesiedelt, aber weit entfernt von den allerbesten ihrer Art. Die Sauce ist sehr fein, das Kimchi gibt eine angenehme, leichte Schärfe (7+/10).
Und weiter geht die lustige Bastelstunde am Teller. Mir fällt nur noch A Clockwork Orange von Stanley Kubrick ein, und ich hoffe, dass dem Lamm keinerlei Brutalität angetan wurde. Und wenn dieses Essen auch nicht so schockierend wie der Kubrick-Film ist, so ist es doch nicht nur wegen der Basteleien am Teller irritierend.
Das Lamm selbst war ansprechend, aber für mich nicht beeindruckend; der Fonds dazu fein. Wenn ich mich richtig erinnere
Die Gitter aus Eichelmehl tragen zu meiner Verwirrung, für mich aber wenig zum Geschmack des Gerichtes bei.
Balearic tonic with hibiscus (over the beetroot crumble, hibiscus ice cream served with melon juice and dried bergamot and sumac meringue)
Granita Guava
Doch ein wenig spannender wird es dann vor dem Desser. Was der Service als Granita Guava ankündigt, ist mit zurückhaltender Süsse, angenehmer leichter Bitternote und mit Sonnenblumenkernen kombiniert – gelungen! (8+/10)
Das Balearen-Tonic erinnert zwar vom Namen ein wenig an den Ballermann, doch ist eine schöne Kombination mit Hibiskus, roter Beete und Melone, welches – abgesehen vom vergessen geglaubten Popping Candy – sowohl von Geschmack als auch von Textur gefällt. (8/10)
Ansprechend ist er ja schon, der grosse Schokoladentrüffel. Hier ist fast alles Schokolade, und die warme Schokoladensauce wird am Tisch über das Dessert gegossen. In der Präsentation und von der Zusammenstellung wirkt das erneut sehr traditionell und nicht wahnsinnig komplex; doch in Summe durchaus ein Wohlfühlgericht. Die Qualität der Schokolade gefällt mir. (8/10)
Ähnlich im Ansatz dann das zweite Dessert: Eine Art von Schüssel mit geraffelter Schokolade, dazu ein Eis mit bitterer, schön konzentrierter Kakaonote. Nicht komplex, doch sehr gefällig. (8/10)
Und ein wenig endet damit dieses Menü wie das grosse Schokoladefest im Film Chocloate, welches die Dorfbewohner von Lansquenet-sous-Tannes die wunderbaren Facetten guter Schokolade kennenlernen lässt.
Doch zu früh gefreut: Nun werden lauter kleine, bunte Kermits, ähm Frosche gebracht. Gut, sie sind auch aus Schokolade, doch schiesst mir kurz ein Gedanke an die Muppets Show durch den Kopf. Wie Statler und Waldorf vom Balkon wohl dieses Menü kommentieren würden?
Das Küchenreise-Rating
In das Arzak bin ich mit hohen Erwartungen gegangen, mit Erwartungen an eine moderne, ja vielleicht sogar avantgardistische spanische Drei-Sterne Küche.
Für mich haben sich diese Erwartungen leider nicht erfüllt: Entgegen den oft euphorischen Berichten in Medien aller Art, den Sternen und Ranglisten-Platzierungen schien mir die Küche ein wenig wie aus einer andere Welt. Der Aufbau der Speisen war nicht sonderlich komplex, die Dekoration der Teller eigentümlich, das anwesende Publikum sehr touristisch geprägt. Nein, das ganze war mit Sicherheit nicht schlecht, doch es schien eher auf Ein- denn Drei-Sterne Niveau gekocht und vielleicht auch zu viele Extreme angesichts auch grösserer Touristengruppen zu vermeiden. Nein, das war für mich nicht die avantgardistisch geprägte, moderne, spannende spanische Küche, welche ich mir erhofft habe. Geschmäcker sind bekanntlicherweise verschieden, doch mir schien, ich war im falschen Film. |
Restaurant ABC
Bewertung Essen (?): | 7+ / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 2 – kaum wieder |
Guide Michelin: | *** |
Gault Millau: | – |
Gusto: | – |
Küchenchef: | Juan-Mari Arzak, Elena Arzak |
Adresse: | Hotel Hesperia Avenida Alcalde José Elosegui, 273 ES-20015 San Sebastián |
Telefon: | +34 (94) 3278465 |
Web: | arzak.es |
Kosten: | Menü EUR 237 |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |
Es geht halt nicht nur ums Essen, sondern auch darum einen Bezug zur Region herzustellen. Einen Blick über den Tellerrand in die baskische Kultur lässt einen dann schnell vermuten, dass hier auf zwei der bedeutensten baskischen Maler Bezug genommen wird.