Ja, es ist ein geschichtsträchtiger Ort in dieser auf den ersten Blick unscheinbaren Einkaufspassage der späten 1970er Jahre.
Auch, weil der Kabarettist Gerhard Polt hier aufgewachsen ist. Doch um diesen drehen sich meine Gedanken nicht, als ich nach kurzem Gewitterregen die nun die frische Luft einatmend die abendlich fast leere Amalienpassage betrete. Noch nicht.
Sondern um das legendäre Bistro Terrine, das Zweitrestaurant des Tantris. Unzählige Feste wurden wohl gefeiert in den 35 Jahren, tausende Flaschen teurer Bordeaux entkorkt, Paletten von Trüffeln und Foie Gras von der laut SZ mittlerweile auf 120 Personen geschrumpfte und damit wohl akut vom Aussterben bedrohten Münchner Schickeria verspeist.
2013 war dann Schluss mit diesem Hort an Lebensfreude, gewürzt mit einer Prise an Dekadenz. Doch halt, das Bistro lebt.
Und so betrete ich die Räume des ehemaligen Bistro Terrine, dem heutigen Sparkling Bistro. In den 80er Jahren hätte ich nun vielleicht dem Willi Bogner ein Servus zugerufen und die Lindner-Schwestern kurz begrüsst. Vom Tisch nahe der Bar hätte die Uschi Glas mir zugezwinkert, und der Klatschreporter Michael Graeter im Hintergrund seine Ohren gespitzt.
Viel vom damaligen, heute verstaubt wirkendem französischem Bistro-Pomp ist mittlerweile moderneren Einrichtungsgegenständen gewichen, doch das eine oder andere Detail lässt die Schwingungen der Vergangenheit weiter hochleben.
Und heute kommen die Gäste nicht mehr zum Sehen und Gesehen werden, sondern um gut zu Essen. Der Kaviarverbrauch ist sicherlich auch nicht mehr so hoch wie in den Anfangszeiten der Terrine. Doch es ist weiter Showtime: Der österreichische Chef und Pächter Jürgen Wolfsgruber betritt nun die Bühne.
Nicht so grantelnd wie der Gerhard Polt, doch mindestens so humorvoll begrüsst er die Gäste. 2016 hat der damals 29-jährige das Restaurant übernommen und – seine Liebe zum Champagner kleiner Produzenten hatte da die Hand im Spiel – es zum Sparkling Bistro gemacht.
Doch ist Schmäh alleine genug, um hier zu überzeugen? Nach diesem Abend werde ich überzeugt sein, dass der bei Aufenthalten im El Bulli und The Fat Duck kulinarisch gestählte Chef noch viel mehr als nur einen guten Schmäh zu bieten hat. Was genau? Kompromisslose Produktküche nennt sich das am Restaurant-Website.
Und wer nicht übermässig komplexe Kompositionen, vielteilige Gerichte oder filigran dekorierte Teller sucht, sondern wirklich gute Produkte ohne viel Firlefanz geniessen möchte, der kann hier glücklich werden.
Die Speisekarte des Restaurants ist einfach erklärt: Ein Menü, vier (EUR 70) bis sieben (EUR 115) Gänge. Eine empfehlenswerte Weinbegleitung mit meist selbst importiertem Champagner und Wein in vier (EUR 45) bis sieben (EUR 75) Gläsern.
Und schon wird der Spargel-Cappuccino, der Gruss der Küche, an den Tisch gebracht.
Ohne Fonds oder Creme Fraiche, sondern nur aus weissem Spargel ist er zubereitet, einzig ein Stück Butter hat die Küche am Ende noch hinzugefügt. Darüber ist Piemonteser Haselnuss gerieben – das ganze ergibt einen unkomplizierten, doch sehr wohlschmeckender Gruss!
Der erste Gang fokussiert dann auf den Kaisergranat, puristisch ist dieser nur kurz abgeflämt. Darauf befinden sich frittierter Zwiebel und frittierter Ingwer wie auch ein wenig Kaviar. Und weil gerade noch eine frische Wasabiwurzel da ist, reibt Jürgen Wolfsgruber auch davon noch ein wenig auf den Teller.
Voll Begeisterung erläutert der Chef die Produkte, erklärt die Zubereitung. Parliert manchmal auch mit mehreren Tischen gleichzeitig. Ich kann seine Euphorie verstehen, der Kaisergranat überzeug mit guter Qualität, seine Begleiter ergänzen ihn simpel, aber gut. (6+/10)
Die Étoufée-Taube ist der Hauptdarsteller im nächsten Gericht, dunkelrot und zart das Fleisch, kräftig das Aroma. Kombiniert wird es mit selbst gemachtem ‚Kimchi‘ vom Radiccio, mit Erdnuss und mit ein wenig Kürbiskernöl. Das ist eine schöne Kombination des charakterstarken Fleisches mit Säure, Süsse und einer leichten Bitternote der Begleiter. (6+/10)
Nun geht’s an die Innereien, nun ist das Kalbsbries der Star. Es ist pochiert und dann kurz angebrtaten, und begleitet von einer im Green Egg zubereiteten, gebrannte Creme von Petersilienwurzen – diese steuert schöne, erdige Noten bei – und einem ein Vadouvan-Öl, welches die Küche in grossem Weckglas selbst in der Sonne fermentiert hat. Minimalistisch grossartig! (7+/10)
Der nächste Teller fokussiert auf den Steinbutt, hier in einer Salzkruste gegart und mit einer grossartigen, von der XO Sauce inspirierten XO Butter und einem leider (wie so oft) langweiligem weissem Spargel. (6+/10)
Das grosse Stück von der Blutente ist zart und wohlschmckend und wird mit einer Sauce Rouennaise aus der Entenpresse, laktofermentierter Karotte, Himbeere und Popkorn aus Entenhaut kombiniert. Und erneut schön, wie Jürgen Wolfsgruber auch diesen Gang, die verwendeten Produkte und ihre Zubereitung mit Begeisterung erläutert.
Das Resultat überzeugt, die Komponenten sind alle auf der süsslichen Seite – mit einem Element, welches die Süsse bricht, könnte das ganze noch spannender sein. (6+/10)
Auch beim nun folgenden, affinierten Käse gilt das Prinzip: Einfach, doch die Zutaten müssen perfekt sein. Und dem ist auch so, da gibt es keine Zweifel.
Österreichisch wird es dann beim Süssen, und klassisch-gut ist das Sauerrahm-Souffle, welches mit einem Eis aus Wachauer Marillen kombiniert wird. Ein schöner Abschluss eines gelungenen Menüs, eines höchst unterhaltsamen Abends! (6+/10)
Das Küchenreise-Rating
Produktfokus und Leidenschaft, zwei Worte, welche das vom Gusto mit sieben Punkten ausgezeichnete Sparkling Bistro in der Münchener Amalienpassage sehr gut beschreiben.
Die Gerichte haben immer einen klaren Hauptdarsteller, und der kann von Tag zu Tag variieren, denn Jürgen Wolfsgruber ist Qualitätsfanatiker. Dem Guten jagt er gerne und aufwändig nach, und wenn es was Gutes mal nicht so gibt, dann kommt es eben nicht ins Menü. Produktküche ist hier nicht wie so oft nur ein Schlagwort im Maketing-Slang, hier wird sie gelebt.
Der Chef auch im Service, unterstützt nur von einem zweiten, aus Wien stammenden Koch in der Küche, da ist es wichtig, sich nicht zu verzetteln. Und so finden sich am Teller nur wenige, doch kulinarisch klug ausgewählte Begleiter. Und natürlich kluge Planung und gute Vorbereitung, ob es um selbst fermentiertes geht oder um die geschmacksintensiven Saucen und Öle.
Das Resultat? Geschmacklich sehr gute und handwerklich sauber umgesetzte Gerichte, basierend auf erstklassigen Produkten, klarer und präsenter Geschmack, stimmig arrangiert.
Jürgen Wolfsgruber importiert auch Weine und Champagner, meist von kleinen Produzenten, und das ist die Basis für eine sehr spannende und empfehlenswerte Weinbegleitung.
Mehr als abgerundet wird das Ganze durch die Person des Gastgebers: Grantelnd wie Gerhard Polt ist Jürgen Wolfsgruber nicht, doch mit seinem österreichischen Schmäh mindestens genauso unterhaltend. Und er sprüht voll charmanter Begeisterung über aussergewöhnliche Produkte, perfekte Qualitäten; er nimmt den Gast voll Freude auf eine kulinarische Reise mit.
Das Bistro Terrine ist Geschichte, doch das Bistro lebt: Mit dem Sparkling Bistro hat es einen ansprechenden Nachfolger gefunden!
Restaurant Sparkling Bistro in München (D)
Bewertung Essen (?): | 6+/ 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 4- gerne wieder |
Guide Michelin: | – |
Gault Millau: | – |
Gusto: | 7/10 |
Küchenchef: | Jürgen Wolfsgruber |
Adresse: | Amalienstrasse 89 D-80899 München |
Telefon: | +49-89-4613 8267 |
Web: | bistro-muenchen.de |
Kosten: |
Menü EUR 70 (4 Gänge) – EUR 115 (7 Gänge) |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |