Viel geschrieben wurde über das Frantzön in letzter Zeit. Mal wurde es als das beste Restaurant in Schweden bezeichnet, mal als das allerbeste in ganz Europa benannt. Und ja, das Essen bei Björn Franzen überzeugt. Doch da ist mehr.

Fast bin ich am Restaurant in den kleinen, lebendigen Gassen im Zentrum von Stockholm vorbeigelaufen: Es wirkt wie ein Juwelier, oder ein nordischer Design-Laden. Einzig seltsam, dass die Schaufenster so leer sind.

Doch dann habe ich den Schriftzug an der Türe entdeckt, bin die Stufen hochgestiegen und habe die Klingel gedrückt. Die Tür hat sich geöffnet, und ohne zu wissen, war ich plötzlich die Hauptperson in einer Theateraufführung. In einem kulinarischen Theaterstück.

Die Gäste werden im Restaurant Frantzén (im Normalfall) sofort mit dem Namen begrüsst. Ein kluges Takten der Startzeiten des Menüs, ein schneller Abgleich der Anzahl der Personen und, falls vorhanden, anderer Informationen ist die Basis für diese erste Überraschung.

Theater heisst manchmal auch Improvisieren, und die Anfangskonversation „how are you“, „how was your trip“, … schien dann doch etwas lange. Nicht, dass ich eine gute Konversation nicht schätzen würde, doch der Blick auf die grossen, trockengereiften Fleischstücke hinter der Glaswand des Emfpangsraumes liess meinen Magen hörbar knurren.

Doch der charmant parlierende Herr hatte einen Plan: Die vorherige Gästegruppe hatte sich verspätet und war wohl auch ein wenig kompliziert. Und es wäre schade, wenn die Szenen dieser Aufführung sich mischen würde. Ein wenig zeitlicher Abstand war deshalb gefragt.

Und dann ging es weiter, in den Lift in den zweiten Stock. Keinen gewöhnlichen Fahrstuhl. Auf der Fahrt wurde das Licht immer heller. Musik setzte ein. Und fast schon magisch viel der Alltagsstress von mir ab. Ich war bereit.

Das Ziel der Fahrt war eine stylische Lounge. Ich nenne sie lieber mein Wohnzimmer im Stil der 50er Jahre. Holzgetäfelte Wände, ein Kamin. Viele Sitzecken mit fröhlich parlierenden Gästen; beziehungsweise Hauptdarstellern in ihrem jeweiligen Stück. „Ein Glas Champagner?“, fragt der kanadische Servicemitarbeiter. „Mais oui, Monsieur!“.

Während der kurzen Wartezeit überlegte ich kurz, hier dauerhaft einzuziehen. Wie schön wäre es doch, dunkle nordische Abende dort vor dem prasselnden Kaminfeuer zu verbringen. Doch mir schien, dieser Idee würde sich Björn Frantzén vielleicht doch nicht aufgeschlossen zeigen

Trout roe tartlet

Und so war es gut, dass der erste kleine Happen gebracht wurde. Mein Hunger, den ich mit Übersiedelungsplänen nur kurz besänftigen hatte können, meldete sich ja auch wieder zu Wort. Ein kleines Tartlette mit Forellenrogen war ein guter Start.

Sweet corn macaron, foie gras, cherry compot & toasted oats

Grossartig auch der Macaron (mit Maismehl) mit Foie Gras, geröstetem Hafer und Kirsch.

„Råraka“

Weiter geht es mit einer luftig-leichten Interpretation des Råraka, einer Art schwedischer Kartoffelpuffer. Eine Rolle aus hauchfeinen, frittierten Kartoffelspaghetti ist gefüllt mit Creme Fraiche mit Säurenote, darauf Zwiebelringe, welche in Kleinarbeit mit Maränenkaviar gefüllt wurden. Grossartig!

Milk fed veal tatar, cerialic, white anchovy & cep

Zum Abschluss der kleinen Grüsse dann ein Kalbstatar mit Anchovis, Ceralien und darauf Dünn gehobelten Pilzen; wieder mit lebendiger Säurenote abgeschmeckt und famos im Geschmack. In Summe waren diese Grüsse ein ganz starker Start des Theaterstückes! (9/10)

Nach dieser Eröffnung werden die Gäste jeweils an die grosse Theke geführt. „Another Glass of Champagne?“ – „Bien Sur!“.

Dort sind verschiedene der Zutaten des heutigen Menüs in einer mit Eis gefüllten Kühlbox aufgereiht und werden fachkundig und mit viel Zeit erklärt.

Danach geht es einen Stock tiefer in den Hauptraum des Restaurants, jedoch nicht ohne eine kurze Führung vorab durch die Vorbereitungsküche (mit Life Übertragung aus dem Frantzen Restaurant in Singapore, wo gerade der Abendservice in vollem Gang ist).

Und auch ein Blick in den Weinkeller darf nicht fehlen.

Im Hauptraum sind die meisten Gäste an einer grossen, L-förmigen Bar rund um die Küche platziert, daneben gibt es noch zwei „klassische“ Tische.

Getränkemässig stehen sowohl eine Weinbegleitung wie auch eine nicht-alkoholische Begleitung zur Wahl.

crudo: hiramasa, salted tomato- & plum water, purple radish & gram

Zum Start des eigentlichen Menüs dann wunderbar frische, rohe Makrele, kombiniert mit dünn aufgeschnittenem, knackigem rohem rosa Rettich und die Zutaten wunderbar verbunden mit einem Tomaten-/Pflaumenwasser. Das ist rund, filigran, mit klarer Aromatik, wow! (9+/10)

scallop, galangal, dashi, matsutake, blood lime

Grossartig geht es weiter: Erneut wird ein Gericht von einem der Köche direkt an den Tresen gebracht und dort finassiert – Muscheln in einem Dashi-Sud mit Matusake-Plizen und Galangal. Die leicht warmen Muscheln sind umschmiegt vom Umami-reichen Sud mit dem richtigen Tick an Säure und Schärfe, wunderbar ergänzt mit den dünn aufgeschnittenen Pilzen. (8+/10)

chawanmushi, steamed king crab, foie gras, pad choi, aged pork & truffle broth

Im Hintergrund spielt gerade ein Stück von Bob Dylan, als das Chawanmushi (Übersetzt aus dem japanischen bedeutet das poetisch in etwa „Gedämpftes aus der Teeschale“) gebracht wird. Eiweiss, Königskrabbe, Pak Choi eine Sauce mit Trüffel, Schmelz gebende Foie Gras vermählen sich zu einem wunderbaren, faszinierenden Ganzen; von der Aromatik etwas intensiver als oft in der japanischen Küche, aber erneut mit klaren und wohlabgestimmten Aromen. Wow! (9+/10)

cod, frantzén prestige caviar, sake, whey, razor clam & sprouted walnuts

Zum Kabeljau spielt dann ein Lied von Patti Smith, der amerikanischen Songwriterin und „Godmother of Punk“, im Hintergrund. Der Fisch ist perfekt und von toller Qualität, die Portion vom jodigen Frantzén grosszügig, der Geschmack von Walnuss in der milchigen Sauce ein perfekter Begleiter. (9/10)

blue lobster, crispy rice (koshihikari) & emulsion of artichoke

Auch auf sehr hohem Niveau dann der Hummer, welcher in Butter gebraten und dann über dem Feuer finalisiert wurde und mit leicht rauchigen Aromen kommt, schön dazu die erdige Note der Artischocke. (8+/10)

French toast „grand tradition 2008“, truffle, „vac rosse“ & vinegar aged on juniper wood

Nun weiter zu einem der viel fotografierten Signature Dishes von Björn Frantzen: French Toast „Grand Tradition 2008“ – ein in Butter getoastetes Saurteigbrot mit einer Parmesancreme (mit ganz feinen Zwielelstücken), 20-Jahre alter Aceto Balsamico (früher gab’s 100-jährigen Essig, aber seien wir uns ehrlich: nicht der gesamte Inhalt der Flasche ist so alt, sondern es werden über viele Jahre immer wieder alte Essig-Bestände mit jüngerem ergänzt) sowie eine grosszügige Portion Schwarzer Trüffel.

Das Resultat: Wunderbar verführerisches Comfort Food! (8+/10)

onion, liquorice, almond…

Vielleicht weniger Instagram-tauglich, doch gleichfalls grossartiges Comfort Food ist die warme Zwiebelcreme mit kühlem Öl, Lakritze und Textur gebenden Mandeln. (9/10)

guinea fowl, roasted pine nut- & yellow pea condiment girlies & fermented pepper jus

Ganz grosse Klasse dann auch das Perlhuhn in Referenzqualität, wunderbar zart, von verführerischem Geschmack und mit krosser Kruste; dazu Pinienkerne, geröstete Erbsen und ein fermentierte Pfefferjus, welcher das Gericht auf nochmals auf den nächsten Level katapultiert. (9+/10)

salted carrot & tea, tea, tea…
Raw buffalo milk ice cream, figs, spiced rum topf

Nach einem Teeeis, der perfekten Waffel und einer Beerencreme, einfach wirkend, doch grossartiger und komplexer Wohlgeschmack (9+/10) geht es dann wieder einen Stock höher in mein Wohnzimmer, ähm ok die Lounge des Restaurant Frantzén: Eine Eincreme aus Büffelmlich (alle zwei Tage wird die frische Milch von der Produzentin vorbeigebracht), Feigen, Kaffeeöl, ein zu Sirup reduzierter Rumtopf – wow! (9/10)

Macarons: miso – apricot – pistachio, beetroot – violet – blackcurrant, coconut – espresso – caramel
Chocolate: 64% with blood & lingonberry, 45% with caramelised walnut & cep, 32% with rhubarb & pumpkin seed praliné
Confection: fermented garlic fudge, cloudberry – mango – espelette sugar, brown cheese cookie – arctic raspberry – toasted meringue
From the oven: apple cobbler & tonic, Madeleine cookies with cardamon & beurre noisette

Zum Abschluss dann noch eine Auswahl an vorzüglichen Petit Fours. Wobei Abschluss relativ ist: Wer mag, kann hier gerne noch den einen oder anderen Digestif oder Kaffee trinken und wird sicher auch noch die eine oder andere Praline bekommen. Ja es gab schon Mittags-Gesellschaften, welche nach einigen „Absacken“ und der einen oder anderen Flaschen Wein erst am späteren Abend das Wohnzimmer verlassen haben, erzählt der Service.

Und zufrieden von diesem Anblick lächelt das Michelin-Männchen von seinem Platz auf der Bücherwand in die Runde. Das war eine packende Vorstellung im kulinarischen Theater, Applaus, und der Guide Michelin hat die drei Sterne absolut zu recht vergeben!

Zeit für einen Verdauungsspaziergang durch Stockholm…

Das Küchenreise-Rating

Die Küche von Björn Franzén überzeugt mit kreativen Gerichten, hoher Produktqualität und einer klaren, intensiven und perfekt abgestimmten Aromatik wie auch höchster technischer Perfektion in der Umsetzung. Die Speisen des vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichneten Restaurants spielen mit nordischen, asiatischen und internationalen Ideen und Einflüssen.

Mindestens genauso überzeugend ist, wie im Frantzén ein Gesamterlebnis kreiert wird. Der Gast spielt die Hauptrolle in seinem kulinarischen Theaterstück, alles wirkt auf den Gast und das Wohlbefinden des Gastes fokussiert. Die Dramaturgie der organisatorischen Abläufe wie auch der Speisen ist perfekt inszeniert. Und doch hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, irgendwelchen Zwängen ausgesetzt zu sein, im Gegenteil.

Der Service ist international, kompetent, agiert auf Augenhöhe und findet genau den richtigen Mix aus charmanter Konversation und „nicht zu viel stören“.

Das Frantzén bietet eine sehr kreative und empfehlenswerte nicht-alkoholische Getränkebegleitung an; doch auch die Weinbegleitung überzeugt durch ausgewählte, qualitativ hochwertige Weine.

Restaurant Frantzén in Stockholm (SE)

Bewertung Essen (?): 9+ / 10
Küchenreise-Rating (?): 5 –  sehr gerne wieder
Guide Michelin: ***
Gault Millau:
Gusto:
Küchenchef: Björn Frantzén
Adresse: Klara Norra kyrkogata 26 
SE – 111 22 Stockholm
Telefon: +46 8 20 85 80
Web: restaurantfrantzen.com
Kosten:

Menü SEK 3’500
Wine Pairing SEK 1’950, non-alcoholic beverage pairing SEK 1’000, mixed beverage pairing SEK 1’550

Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.

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2 Kommentare

  1. Good review for one of my absolute favorite restaurants!

    A small note: your final summary erroneously indicates two (2) Michelin Stars, but Frantzen has three (3) stars.

    • Thanks, Jesper, and good to hear that you like Frantzén as well! Thanks for sharing some of your dining experiences as well on your blog, always a pleasure to read!

      And thanks for pointing out the error, already corrected!

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