„Das Iris ist jetzt auf der Bucket List aller internationalen Foodies“, erzählt das einheimische Paar auf dem rasanten Elektroboot. „Hier aus der Gegend geht da niemand hin, und unsere Freunde halten uns für verrückt, dass wir das heute machen“.
In diesem Moment sagt mein Hinterkopf wieder „Alarm“ – alles nur ein grosser Marketing-Hype? Doch nach Abschluss meiner heutigen Expedition werde ich begeistert sein.
Doch beginnen wir am Anfang: das Salmon Eye, Wikipedia nennt es ein „schwimmendes Kunstgebäude“, liegt im Hardangerfjordes, für mache der schönste Platz Norwegens. 120 Kilometer, 2 Fähren und 2.5 Stunden mit dem Auto von Bergen entfernt schwimmt hier in Mitten der Fjorde eine an ein Lachsauge erinnernde, mit mehr als 9’000 Edelstahl-Schuppen verkleidete Kunstinstallation.
Das Salmon Eye bewirbt auf neudeutsch die ’nachhaltige Aquakulturwirtschaft‘, früher hiess das einfach nur ‚Lachszucht‘. Ein Instrument zur Image-Verbesserung derselben, mögen Skeptiker sagen. Doch die Verfahren zur Aufzucht von Lachs haben sich massiv weiterentwickelt; und auch zu Lande verspeisen wir vorwiegend Gezüchtetes, und keine Wildgras- statt Getreidekörner, oder Wildbüffel- statt Rinderfleisch.
Im futuristischen Gebäude befindet sich das mittlerweile vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnete Restaurant Iris, dieses ist heute Nachmittag das Ziel meiner Expedition. Los geht es im Hafen des idyllischen Feriendorfes Rosendal, dort wartet schon ein privates Elektroboot.
Erwartungsvoll ist dort bereits die Gruppe der vorwiegend internationalen Gäste, welche (im Sommer ist das Restaurant fast immer ausgebucht) schon lange vorher die Expedition gebucht haben. Noch schnell eine Schwimmweste angelegt, in norwegischen Fjorden ist das Wasser tief; und geht es dann durch die Buchten zum ersten Zwischenstopp, der Insel Sniltsveitøy.
Nico Danielsen erwartet am m Steg vor einem alten Bootshaus die Gäste. Der Gatte von Anika Madsen, der Chefköchin ist Restaurant-Manager und kümmert sich um die Betreuung der Gäste.
Die beiden wohnen hier relativ abgelegen auf dieser Insel, und dort werden auch viele der Zutaten des Menüs angebaut, gesammelt und hergestellt.
Er begleitet die kleine Gruppe zu einem alten, schön renovierten und Heimligen Bootshaus, um dort bei ein paar kleinen Happen das Restaurant-Konzept und die Ideen dahinter vorzustellen.
Dazu ein Cider von einem lokalem Obsthof gleich in der Nähe, dort werden seit 8 Generationen Äpfel angebaut werden. Was ursprünglich ein Projekt für eine Hochzeit war, ist so gut angekommen, dass das Getränk nun schon seit 10 Jahren kommerziell vertrieben wird; und ja, der Cider gefällt mit klarem Apfelgeschmack, Balance und Frischheit.
Wein: Edel Åkre Gard, Hardangerfjord Cider, 2021 (Retail Preis für 0.75l ca. EUR 16)
Dann geht es los mit einigen Kleinigkeiten: Nach einem grossartigen Stanitzel mit etwas Zitronenemulsion und frischen, regionalen Kräutern – aufregend, intensiv und textgrell abwechslungsreich – dann Makrele: zunächst als Sashimi mit einem eingelegten Blatt von der schwarzen Johannisbeere, danach ’schwarzes‘ (Asche) Brot mit geräucherter Makrele, zum Abschluss ein Spiess mit gegrillter Makrele mit Pfeffer, Zitrone und kleinen, leicht bitteren Blümchen. Alles in allem ein interessanter Einstieg, der meine Neugierde weckt. (7+/10)
Die Gruppe verlässt das Bootshaus, es geht weiter zum Ziel unserer Expedition, dem Salmon Eye.
Beim Auge des Lachses angekommen werden wir bereits vom Serviceteam erwartet. Erneut Alarmglocken in meinem Hinterkopf – das wirkt doch alles ein wenig wie im Film „The Menu“ (BTW – sehenswert); diese Gruppe an Foodies, welche zu einem exklusiven Dinner auf einer abgelegenen Insel eintrifft. Um sich letztlich in einer Gourmet-Horrorinszenierung wiederzufinden, in welcher es nur eine Überlebende gibt.
Meine Augen prüfen die Umgebung nach möglichen Fluchtwegen, mein Kopf denkt alle Szenarien durch. Doch die Herren mit den blauen Hemden wirken alle freundlich und seriös. Und so ist es nicht nur der Gruppendruck, sondern eine Art von blindem Zuvertrauen, welche mich ihnen in das Untergeschoss des Lachsauges folgen lässt.
Farben, Töne, Bilder von Meerestier projiziert an die Wände. Ein multisensorisches Spektakel um das Meer ist es, was mich hier erwartet.
Nun, bei multisensorisch gehört bei mir zumindest auch immer Essen dazu, und nach kurzer Zeit werde ich mit einem kleinen Snack erlöst.
Nach einigen Erläuterungen wird die Gruppe dann hochgeführt in den Restaurant-Raum.
Vorbei an der verglasten Küche mit dem Team von Chef Anika Madsen werden wir zu unseren Tischen gebracht, es finden wohl so maximal 24 Leute Platz hier mit spektakulärem Blick auf das Fjord. Ein Glas Champagner, ein wunderbar runder Agrapart Terroirs aus der Weinbegleitung (ca. EUR 240; alternativ ‚Voyage Pairing‘ ca. EUR 410, ‚Expedition Pairing‘ EUR 1’100, nicht-alkoholisch ca. EUR 125) ist eine grossartige Einstimmung auf das Menü (ca. EUR 380).
Wein: Agrapart & Fils, Terroirs – BdB, N.V. (0.75l Retail Preis ca. EUR 60)
Los geht’s: Auf einer knusprigen Waffel befinden sich norwegische Tomaten, rohe Muscheln, eine Kräuteremulsion und essbare Blümchen. Laut Service ein „Tribute to Kvinnherad“, der Region um Rosendal mit den Fjorden, Bergen, Wasserfällen und einem der grössten Gletscher Norwegens, laut meinem Eindruck ist „Coat of Arms“ ein sehr gelungener Start. (7+/10)
Der Spannungsbogen wird weiter aufgebaut mit den „Next-level neighbours“, einem Blini aus Rohmilch-Sauerrahm (der lokale Produzent hat wohl eine Lizenz für die Produktion von 3 Litern pro Woche, für welche das Restaurant Iris dann der Abnehmer ist) mit rohen Shrimps, Kaviar blättern von der schwarzen Johannisbeere – wunderbar! (8/10)
Wein: RME de la Sansonniére – Mark Angeli, La Lune, 2017 (0.75l Retail Preis ca. EUR 35)
Sehr stark geht es nun mit „Costal Harmony“ weiter: zunächst eine Auster (Zutaten leider nicht notiert), dann ein puristischer Teller mit handgefischter Jakobsmuschel (roh, nur in Salzlake eingelegt), einem absolut frischen und knackigem Salat mit einem Gel-Blatt darüber und einer Austerncreme. Was einfach klingt, überzeugt durch perfekte Produktqualität und Frische und geschmacklicher Harmonie – ein Gericht auf klarem zwei-Sterne-Niveau! (8+/10)
Wein: Sebastian Mouzon-Leroux, L’atavique – assemblage, Champagner N.V. (0.75l Retail Preis ca. EUR 55)
‚Feeding the future‘ nimmt sich dann dem Thema „nachhaltige Proteine“ an. Zunächst werden auf einem Teller deren vier davon gezeigt, unter anderem Algen und Insekten. Schon möchte ich neugierig Kosten, doch diese sind nur zum anschauen; sie wurden für die Creme zum den frittierten Jungachs verwendet; im Mund ein ansprechender und gefälliger Snack. (7/10)
„Weeds of the sea“ wird die Familie der Tintenfische/Oktopusse genannt, sie wachsen schnell, haben eine kurze Lebenszeit, und können sich dadurch an veränderte Umweltbedingungen wie wärmere Meere gut anpassen. Die Bestände sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen, daher droht hier auch keine Überraschung.
Am Teller eine Art Pasta aus Tintenfisch mit über Heu gerösteten Stücken von Selleriewurzeln und Dashi-Butter. Das ganze ergibt wunderbare Kontraste im Mund, hat schöne Säure, interessante Textur – toll! (8/10)
Wein: Guy Breton, Morgon Vielles Vignes, 2020 (0.75l Retail Preis ca. EUR 25)
Was wäre, wenn wir statt Rind mehr Wild essen würden? Dieses hat einen wesentlich geringeren CO2-Fussabdruck, das ist die Story hinter diesem Gericht. Ein Tatar von Rentier-Herz mit eingelegten Kapern und gegrilltem Lauch in einer von der Konsistenz an weisse Schokolade erinnernden Hülle mit roter Beete. (8/10)
Wein: Luca Roagna, Barolo Pira, 2017 (0.75l Retail Preis ca. EUR 170)
Überzeugend dann auch die Ente aus der Küche von Anika Madsen, mit einer wunderbar runden, komplexen Sauce, dazu in einem separaten Schälchen Tomate mit Cream, ein erfrischender Kontrast und ein wunderbarer Brioche. Das ist Genuss auf einem sehr hohen Niveau! (8+/10)
Wein: Unterlind, Leiwener Laurentiuslay Spätlese 2021 (0.75l Retail pries ca. EUR 35)
Die Zeit der Desserts ist gekommen: Der Reigen startet mit einer Referenz zu den lokalen, vom Fenster gut zu sehenden Bergen Malmangernuten und Melderskin; am Teller die Berglandschaft geformt aus einer Art mit grünem Staub bestreuten Eiscreme, leider noch viel zu hart gefroren und nur schwer zu teilen; dazu ein Schälchen mit geschmacklich sehr ansprechenden Erdbeeren und mehr. (7/10)
Nun geht es für einen Abstecher auf die Terrasse, leider ist das Wetter zu frisch und windig, so dass heute neben der tollen Aussicht dort kein kulinarischer Genuss auf dem Programm steht.
Deshalb zurück in die Lounge, in welcher nun noch Kaffee und einige kleine Süssigkeiten zum Abschluss serviert werden.
Wein: Camp Divin – Fabrice & Valérie Closset, Machin Blanc, N.V.
Zunächst wird die Fichte neu inszeniert: Braune Butter, ein knuspriges Törtchen, eine Kugel mit einem ‚pine shot‘ und dazu Rossini Oscietra Kaviar, eine Kombination, welche ungewöhnlich klingt, doch funktioniert.
In Norwegen gibt es tausende Kilometer an Wanderwegen, und die Norweger sagen „Ut på tur, aldri sur“ – frei übersetzt bedeutet dass, auf einer Tour kann man nicht sauer sein. Nicht nur die süssen Kleinigkeiten am Tisch, sondern auch die ganze kulinarische Expedition heute verhindern mit Sicherheit, dass ich sauer bin! (7/10)
Danach geht es wieder zum Elektroboot, zurück zum Hafen von Rosendal. Expedition erfolgreich beendet!
Am Weg dorthin reflektiere ich ein wenig über das Restaurant Iris und das erlebte:
Architektonisch ist das Restaurant wohl einzigartig, und „Expedition Dining“ mit Schifffahrt, Zwischenstopp auf der Insel, Multi-Media Show unter Wasser, dem Essen mit Ausblick und dem Besuch der Terrasse ist ein aussergewöhnliches Erlebnis!
Storytelling die Erste: Im Iris geht es um Sustainabliity, um lokale Produkte, auch um ‚Farming‘ im Meer. Für manche mag das ein wenig Touch von „Greenwashing“ von Lachsfarmen haben, für andere die Leidenschaft über den gegangenen Weg ausdrücken. Der kulinarische Ansatz im Restaurant Iris scheint mir stimmig und überzeugend.
Storytelling die Zweite: „Expedition Dining“, der Aufbau des Menüs, die Abläufe über den ganzen Nachmittag hinweg, auch das ist grossartiges Storytelling mit einem tollen Spannungsbogen.
Das Essen: Die Gerichte sind auf einem hohem, zum Teil auf einem aussergewöhnlichen Niveau. Mein Lieblingsgang war „Costal Harmony“, ein puristische Teller mit Jakobsmuscheln, welche durch grossartige Produktqualität überzeugte. In Summe entspricht das einem sehr starken Michelin-Stern mit Tendenz zum zweiten.
Die Weinbegleitung: Die „Basis“-Weinbegleitung ist überzeugend und gut ausgewählt, alternativ gibt es noch weitere Weinbegleitungen mit noch aussergewöhnlicheren Trouvaillen.
Der Service: den Gast zugewandt, natürlich, kompetent und die Leidenschaft hinter dem Konzept gut transportierend.
Das Finanzielle: Norwegen ist teuer, und so ist auch Expedition Dining im Restaurant Iris, sowohl das Essen, noch mehr der Alkohol. Doch für den hohen Preis bekommt der Gast hier auch ein einzigartiges Erlebnis.
Das Küchenreise Rating
Meisterliches Story Telling und grossartige Küche: ‚Expedition Dining‘ im Restaurant Rosendal (1 Guide Michelin Stern), eine Bootsreise zum Salmon Eye in den Fjorden Norwegens und zu den kulinarischen Kreationen von Chefin Anika Madsen.
Restaurant Iris in Rosendal (NO)
Bewertung Essen (?): | 8 / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 5 – unbedingt wieder |
Guide Michelin: | * |
Gault Millau: | – |
Gusto: | – |
Küchenchef: |
Anika Madsen |
Adresse: |
No-5470 Rosendal, Salmon Eye |
Telefon: | +47 56 57 60 00 |
Web: | restaurantiris.no |
Kosten: |
Menü NOK 4’600 (ca. 380 EUR) Pairings: Non-alcoholic NOK 1’500 (ca. 125 EUR), Discovery Wine Pairing NOK 2’900 (ca. EUR 240), Voyage Wine Pairing NOK 4’900 (ca. EUR 410), Expedition Wine Pairing NOK 12’900 (ca. EUR 1’100) |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |