Das Publikum der besten Restaurants besteht meist aus zwei Gruppen, der Bling-Blinger und der Foodies.
Erstere führen gerne deutlich sichtbar ihre Roles aus und lieben übergrosse Markennahmen auf ihrer Kleidung, um auch bei kurzsichtigen Eindruck zu schinden. Sie gehen in die besten Restaurants, sie wählen dort die teuersten Weine aus, weil sie es können. Nein, weil sie möchten, dass andere sehen, dass sie es können.
Zweitere sind oft die unauffälligeren, manchmal kann man sie leicht übersehen. Eine Faszination für gutes Essen, für tollen Wein zeichnet sie auch, mag manchmal auch einen Nerd-haften Touch haben. Sie geniessen den Abend und schwärmen noch lange davon. Und geben meist mehr Trinkgeld als die Bling-Binger.
Als ich eines lauen Frühherbst-Abends von der Krakauer Altstadt in Richtung des alten jüdischen Viertels in Kazimerz spaziere und mir der laue Herbstwind durch das Haar streicht, sinniere ich über dieses Thema. Ich bin am Weg zum besten Restaurants Polens, wenn man den Guide Michelin als Massstab nehmen will (er war mir meist ein guter Weggefährte auf meinen Reisen). Dieser hat der Bottigliera 1881 die bisher einzigen zwei Sterne in Polen verliehen.
Die besten Restaurants – sie sind, so hört man, meist auch die teuersten. Italienische Edelrestaurants weit ausserhalb Italiens sowieso, da ist sich der Volksmund im Klaren. Wie halt eine Bottiglieria, bei dem Namen muss man ja nicht mal debattieren Deshalb war mein Tipp, meine kleine Wette mit mir selbst, dass ich dort viele Bling-Blinger antreffen werde. Ich habe mich in jeder Hinsicht geirrt.

Fangen wir beim Restaurant-Namen an: Wer hier an einen Edelitaliener denkt, der – Worst Case – Sommertrüffel zum Preis vom Alba-Trüffel grösszügig über die immerhin bissfeste Pasta hobelt, liegt hier falsch. Ja, es gibt den historischen Konnex: Reisen in das Land, wo nach Göthe die Zitronen blühen, haben die Liebe des Besitzers, Robert Gumuliński, zu gutem Essen und Wein wenn auch nicht geweckt, so doch gestärkt. Was diesen bestärkt hat, im Jahre 2013 ein Restaurant mit dem italophilen Namen Bottigliera 1881 mit Fokus auf (italienischen) Wein und (durchaus italienisch angehauchte) begleitende Gerichte zu eröffnen.
Die Liebe zum Wein ist dort geblieben, die Küchenlinie von Chef Przemysław Klima hat sich weiterentwickelt. Lokale, polnische Zutaten stehen heute im Mittelpunkt. Diese werden verarbeitet zu modernen Gerichten, oft mit einem nordisch-skandinavischen Touch.
So trat ich also in das von aussen eher unscheinbare Restaurant, wurde freundlich begrüsst und zu meinem Tisch geführt. Ein Glas Champagner ‚Le Brun de Neuville‘ versetzte mich in die richtige Stimmung. Und schon wurde mir der Korb mit diversen Zutaten der Gerichte des heutigen Abends präsentiert.

Einen Punkt vergass ich zu erwähnen im chronologischen Ablauf der Dinge: Mein Glas Champagner nippend und dabei die Göste betrachtetend wurde mir klar, ich hatte meine Wette gegen mich selbst grandios verloren. Hier waren keine 80% Bling-Blinger.
Das Restaurant, es war voll besetzt und die Stimmung war gut. Das Publikum war bei genauerer Betrachtung verblüffend jung, und im positiven Sinn erschreckend meist „sehr normal“. Mehr Typus „junges Paar, sie arbeitet in der Wirtschaftsprüfung bei einem Big 4, er in der Tech-Branche„, mit Kleidung von Zara und einer grossen Begeisterung für gutes Essen, welche sie an diesem Abend für polnsiche Verhältnisse sehr viel Geld für einen besonderen Anlass ausgeben lässt. Weniger „show off“, um zu beweisen, was man hat (auch wenn der Maserati nur geleast und die Birkin nur geliehen ist), sondern Leidenschaft. Wie sympathisch!
Verlorene Wetten verlangen ihren Obulus, und so entschloss ich mich, diesen in Form einer Dose polnischen Antonius-Kaviar zu leisten. Der Service hob hervor, Polen sei der grösste Kaviar-Produzent der EU und gar der zweitgrösste der Welt. Weder mit klassischer Recherche noch mit trickreichem GTP Prompting gelang es mir, dies zu verifizieren. Deshalb war klar, ich wollte und musste hier meinen wertvollen Beitrag leisten, um diese Position zu erreichen oder die Positionierung zu stärken.

Der Politische Familienbetrieb Antonius, welcher drei Störzucht-Farmen im Land betreibt, ist die bevorzugte Wahl vieler gehobener Restaurants, auch jene der Bottiglieria 1881. in Kombination mit Blinis und Sauerrahm erwies er sich als eine sehr gute Wahl für den Start des Abends.
Im Restaurant Bottigliera 1811 wird ein Degustatiosmenü (zum Zeitpunkt des Besuches ca. 205 EUR incl. Service Charge, mittlerweile ca. EUR 235) oder eine verkürzte Version dessen angeboten, dazu ein Wine Pairing in unterschiedlichen Varianten. All-In war mein Gedanke, das ganze Menü soll es heute sein!

Das Degustatoinsmenü startet mit einem Reigen an Grüssen sowie etwas Brot. Ein ansprechender Start, unter anderem das rote Tartlette intensiv und wunderbar, doch keinesfalls Bling-Bling.


In einer Kaviardose wird dann ein wunderbar fleischig-intensives Tatar vom Reh (ohne Eidotter angerichtet) mit Kräutern und Antonius Kaviar (die Wiederholung ist meinem Extrawunsch geschuldet) gebracht, dazu im Hintergrund ein typisch polnischer Snack mit grüner und weisser Majonäse – Klasse!


Optisch asiatisch inspiriert, von den Zutaten doch sehr ponisch dann die gebeizte Forelle auf einem Rote Beete Dumpling mit Forellenmousse und einer Fischsauce.

Piroggi in einer Käsesauce mit Trüffel ergibt dann einen wunderbar schlottrigen, genussreichen nächsten Happen.

Grossartig dann ‚Sea and Soil‘ – ein in Butter pochierter Steinbutt mit Selleriepüree, grünen Erdbeeren und einer fermentierten Fischsauce mit schöner, zitrusmässiger Säure.

Grossartig auch die gewickelte Gurke mit Kaviar, angelehnt an eine in Polen populäre Beilage zu Gerichten, Gurke mit Sauerrahm und Pfeffer. Bei der „Entdeckungen“-Weinbegleitung ein Rotgipfler aus der Thermenregion bei Wien, der zeigt, dass das Team um Michał
Drozdowski gute Arbeit macht hinsichtlich Entdeckungen in mitteleuropäschen Weinregionen.


Von wunderbarer Qualität und Zubereitung dann das Lamm, einzig die diazugereichten Buns etwas voluminös und deshalb geschmacklich zurückhaltend.

Sorrel and Gin – das ist eine wunderbare Kombination der Aromen des Sauerampfers, milchigen Komponenten, Karamelllaromen und Gin, und erfrischender Temperaturkontraste.

Ganz in Rot dann das Finale mit Rhabarber, Erdbeere und Schokolade.


Zum Abschluss dann noch einige ansprechende süsse Kleinigkeiten!

Ich verlasse das Restaurant zufrieden und mit einem Lächeln auf den Lippen. Nicht nur die polnische Wirtschaft, auch die polnische Restaurant-Landschaft hat sich in den letzten ein, zwei Jahrzehnten massiv weiterentwickelt. Es ist eine Freude, die harte Arbeit wie das Engagement, und die Kreativität viele Chefs und Gastronomen zu beobachten, und noch mehr die Resultate dessen zu verkosten.
Leitbetriebe sind dabei wichtig, und das Bottiglieria 1881 ist ein solcher Leitbetrieb: es ist im Moment das einzige im Guide Michelin mit zwei Sternen ausgezeichnete Restaurant, „Best of Poland“. Dies bringt nicht nur nationale und internationale Aufmerksamkeit, es bringt nicht nur die Gerichte Polens in dein ‚Gourmetspace‘, es wird auch weitere Chefs motivieren und nachziehen. Und damit dazu beitragen, dass der kulinarische Fussabdruck Polens in der Gourmetszene noch stärker wird. Schön, dass es solche Restaurants gibt!
Das Küchenreise Rating
Im Restaurant Bottigliera 1881 (2 Guide Michelin Sterne) überzeugt Chef Przemysław Klima und Team mit einer innovativen polnischen Küche. Aufbauend auf den Produkten und Geschmacksbildern des Landes werden hier moderne, fokussierte Gerichte mit skandinavischem Touch geboten. Der kompetente Service, die entspannte Atmosphäre und die tolle Weinauswahl sind die weiteren Pfeiler eines gelungen Abends dort!
Restaurant Bottigliera 1881 in Krakau (PL)
Bewertung Essen (?): | 8 / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 4 – gerne wieder |
Guide Michelin: | * |
Gault Millau: | – |
Gusto: | – |
Küchenchef: |
Przemysław Klima |
Adresse: |
PL-31-061 Krakau, ul. Bocheńska 5 |
Telefon: | +48 660 661 756 |
Web: | 1881.com.pl |
Kosten: |
Tasting Menü ‚Full Experience‘ 890 PLN (ca EUR 210) Wine Selection (Discoveries of the old world) 410 PLN (ca. EUR 95) alles zuzüglich 12.5% Service Charge |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |