Um die 350 Einwohner leben in Fürstenau, der kleinsten Stadt der Welt im idyllischen Graubünden. Mit drei Sternen ausgezeichnet zählt das dortige Schloss Schauenstein zu den nur 148 der vom Guide Michelin so hoch dekorierten Restaurants weltweit. Rekorde, im kleinen wie im grossen!

Von all dem bemerke ich wenig, als ich im ‚Indian Summer‘ nach zügiger Fahrt über einige Passstrassen das Schloss Schauenstein erreiche. Wunderbar unaufgeregt ist mein erster Gedanke. Und obgleich ich nur einen Tag hier bin, werde ich mich bei der Weiterfahrt schon fast heimisch fühlen an diesem Ort, so willkommen fühle ich mich.

Erbaut wurde Schloss Schauenstein im Jahre 1667. Nach langer wechselhafter Geschichte eröffneten dort Andreas Caminada und seine damalige Partnerin Sieglinde Zottmaier ein Restaurant und Hotel. Schnell wurde das Schloss zum kulinarischen Hotspot, die Sterne des Guide Michelin folgten zügig, im Jahre 2010 dann schliessliche deren drei.

Viel ist seither geschehen: Andreas Caminada scheint omnipräsent in den Medien, der kleine gepachtete Teil des Schlosses ist mittlerweile zu eine Wunderwelt aus Boutique Hotel, der bodenständigeren Casa Caminada, dem vegetarischen Restaurant Oz mit Kochschule und einer Bäckerei geworden. Daneben gibt es noch Catering, Caminada Magazine und ach ja, nicht zu vergessen, die IGNIV Restaurants an verschiedenen Orten von Zürich bis Bangkok. Andreas Caminada ist zu einem ‚Local Hero‘ mit einer Menge internationaler Ausstrahlung geworden!

Und doch wirkt er bei meinem Besuch höchst entspannt, und schenkt seinen Gästen fast alle Zeit der Welt. Und perfekt organisiert, alles ist beim Kochkurs perfekt vorbereitet und wird im nach kurzer Aufforderung sofort zur Hand gereicht, auch dadurch bleibt die Zeit und Aufmerksamkeit für seine Besucher.

Zeit, in welcher uns Andreas Caminada auch den Garten des Restaurants zeigt. Golf-Abschläge üben ist hier für den Hausherren nur einen entspannende Nebensache, primär wird hier vielerlei Obst, Gemüse und Kräuter für die Küche liebevoll gezüchtet.

Und Zeit für den Besuch des Kellers, darin eine Menge an Gläsern mit fermentierten Produkten, Kartons von frischen Morcheln und vieles mehr. Das eine oder andere davon werde ich bald als Teil eines Gerichtes geniessen. Sehr lokal sei die Küche von Andreas Caminada, viele der Zutaten werden im Garten selbst gezüchtet, verarbeitet, eingelegt und haltbar gemacht. Noch sind die Räumlichkeiten des Restaurants leer, doch ich bin schon gespannt auf den heutigen Abend.

Ein Dinner auf Schloss Schauenstein beginnt traditionell im schönen und stilvollen Salon. Und obgleich ich mich noch nüchtern fühle, mag es sein, dass die Kamera, angetan von der Ausstrahlung der Schlossräume, bereits ein wenig zu viel am Champagner genippt hat.

Das Menü startet mit einer Reihe an Kleinigkeiten, einige davon hier im Bild:

Rettich – Ponzu
Beiget – Senf
Cannelloni – Rauchfisch

Alle der Häppchen waren filigran und fein gearbeitet, gaben einen Vorgeschmack auf die Küche und harmonieren mit dem Glas Champagner, an welchem ich nippte, ohne meinen Hunger schon jetzt übermässig zu stillen. Schliesslich war dies erst der Anfang der kulinarischen Reise.

Rotkohl – Joghurt

Rohgkohlglace mit Joghurtespuma und Rothkohlöl – das ergibt ein wunderbares Spiel von Temperaturen und Konsistenzen.

Speisekarte

Danach wurde ich in den eigentlichen Speiseraum gebracht. Die Menükarte, in einem hübschen Umschlag eingepackt, lag dort am Tisch; wie auch als kleines Geschenk einige Samen einer von sechs hier gezüchteten Pflanzen, um jene mit grünem Daumen zu ermutigen, diese im eigenen Heim anzubauen und so die Erinnerungen an den Abend immer wieder aufzufrischen.

Gurke – Salzmelone – Malabarspinat

Stark dann der Einstieg in das Menü: Gurke kombiniert mit den Aromen des Malbarspinates, dazu eine eingelegte Salzmelone – das ist Frische, Geschmack, Süsse und fermentierte Aromen auf einem Teller.

Wurzelgemüse – Rande – Meerrettich

Weiter geht es mit vertraute Geschmacksbilder auch für jene, welche nicht „mit einem Löffel Kaviar im Mund aufgewachsen sind“ (ob nun an der 5th Avenue oder im russischen Perm). Rande (rote Beete) mit Meerrettich, Wurzelgemüse und Brombeere, alles vertraute Aromen, auch wenn sie hier ein wenig ungewöhnlich kombiniert und sehr sophistiziert zubereitet sind. Der ‚local Hero‘ zeigt, dass man für geschmackvolle Teller nicht ans andere Ende der Welt reisen muss.

Felchen – Kohlrabi – Kaöuzinerkresse

Und auch im nächsten Gang sind lokale Produkte der Fokus der Küche von Andreas Caminada: Felchen werden mit hauchdünn aufgeschnittenem Kohlrabi und einer Fisch-Essenz und Kapuzinerkresse kombiniert, und erneut machen sich fermentierten Noten am Teller bemerkbar.

Kafrtoffel- Sauerkraut – Speck

Braucht es Steinbutt und Gänseleber für gutes Essen? Nein, demonstriert auch das folgende Gericht: das Küchenteam von Schloss Schauenstein kombiniert hier Kartoffelschauem, Sauerkraut und texturell etwas harten Speck. In Summe jedoch ein leichtes, geschmacklich intensives und überzeugendes Gericht.

Das Brot sei der Freund des Gastronomen, so sagt man, es fülle hungrige Gästemägen relativ kostengünstig. Für letzteres ist hier keinerlei Grund, ich werde am Ende des Menüs sehr satt und zufrieden das Schloss verlassen. Doch das Brot aus der eigenen Bäckerei und die Butter ist so fein, dass ich eine gewisse Zurückhaltung üben muss, um für das was da noch kommt weiter bereit zu sein.

Saibling – Rettich – Stachelbeere

Und da kommt auch schon wieder was: Ein Seesaibling aus dem nicht allzu fernen Walensee (auf Schloss Schauenstein werden nur noch Süsswasserfische verarbeitet), die einen kennen diesen durch die verlassene Autobahnraststätte am Weg nach Zürich, die anderen sind schon mit dem Schiff über diesen gefahren und haben den glücklichen Fischen dort zugewinkt. Den Geschmack nach zu schliessen, scheint auch dieses Exemplar sehr glücklich gewesen zu sein, bevor es mit Rettich und Stachelbeere zu diesem überzeugenden Gericht verarbeitet wurde.

Kalbsmilke – Rüebli- Quitte

Früher, als von einem geschlachteten Tier noch alle Teile verarbeitet wurden, waren Kalbsmilken und andere Innereien ein normaler Bestandteil vieler Speisekarten. Heute sind sie vielleicht verpönt, vielleicht aus der Mode geraden, und viele Esser können das Produkt auch anatomisch nicht mehr dem Tier zuordnen. Doch (nicht nur) in der Spitzengastronomie haben die Kalbsmilken mittlerweile ein Revival gefeiert, und das ist gut so.

Doch auch die Zubereitung ist aufwändig und hat ihre Herausforderungen. Manchmal wirkt das Resultat innen zu ’schmierig‘, manchmal resultiert die äusserliche Korssheit wiederum in zu viel innere Trockenheit. Bei Andreas Caminada ist die Mile von Referenzqualität, schlicht perfekt zubereitet – kross und aromatisch aussen, butterzart und saftig innen. Und wird schön kombiniert mit einer lauwarmen Hollandaise, Karotten und Quitten.

Zander – Kürbis – Weinblatt

Herbstzeit ist Kürbiszeit, und wenn dieser auch, einfach zubereitet, zu oft in dumpfen, pappigen Gerichten resultieren kann, so ist er doch ein wichtiges heimisches Produkt. Und in den Händen des Küchenteams von Schloss Schauenstein wird aus dem Kürbis ein lebendiger, filigraner Begleiter zum Zander aus dem Berner Oberland, ergänzt mit den Aromen und der Konsistenz eines Weinblattes.

Gams – radicchio – Zwiebel

Wenn auch der Steinbock im Wappen Graubündens dem Kanton ein Gesicht gibt, lieben und bewohnen die dortigen Berge auch die Gämse. Somit ist es nur logisch, dass im Fleischgang ein wunderbares Stück Gans der Hautpdarrsteller ist, kombiniert mit fermentierter Knoblauchcreme, einen Hauch Bitterkeit beisteuerndem Radiccio und Zwiebeln – wunderbar.

Quitte – Apfel – Champagner

Als süsser Gang dann die Quitte mit Champagner und Apfel, das ist erneut in Summe ein spannendes Gericht, wenngleich die Quitte auf meinem Teller mich irritierte – sie schien mir sehr hart, bitter und mit adstringierendem Geschmack.

Diesen hatte ich schon längst wieder vergessen die den darauffolgenden (hier nicht fotografisch festgehaltenen) süssen Kleinigkeiten: Macaron – Sanddorn, Donut, Taco – Shiro, Schokolade – Birne, Marzipanmandel, Praline – Schokolade. Dazu einen guten Dopio, und ich war bereit, den Abend zu beschliessen und bald süss zu Träumen, ich war gewiss, an diesen Abend noch lange schöne Erinnerungen zu haben. Andreas Caminada und das Küchenteam auf Schloss Schauenstein sind jetzt auch mein ‚local Hero‘.

Das Küchenreise Rating

Die Küche von Andreas Caminada auf Schoss Schauenstein ist sehr stark lokal geprägt, und hier werden viele Produkte in Gerichten auch angebaut, eingelegt und verarbeitet. Die Geschmacksbilder sind heimisch, immer wieder mit fermentierten Noten, und wunderbar filigran und mit klarer Aromatik. Auch der Service brilliert mit Kompetenz und Gastfreundschaft auf sehr hohem. Niveau.

Restaurant Schloss Schauenstein by Andreas Caminada (PL)

Bewertung Essen (?): 9 / 10
Küchenreise-Rating (?): 5 – sehr gerne wieder
Guide Michelin: ***
Gault Millau: 19 / 20
Gusto:
Küchenchef:

Andreas Caminada, Marcel Skibba

Adresse:

CH – 7414 Fürstenau, Obergass 15

Telefon: +41 81 632 10 80
Web: schauenstein.ch
Kosten:

3 Gänge CHF 266
4 Gänge CHF 298
5 Gänge CHF 318

Getränkebegleitung CHF 186, alkoholfreie Getränkebegleitung CHF 110

Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.

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