Perl-what?

Mein begeistert vorgetragenes Plädoyer, dass, wer die deutsche Sternegastronomie kennenlernen will, unbedingt in Perl-Nennig gewesen sein muss, stösst auf Unverständnis. Henning, in Rheinland-Pfalz an der Grenze zu Luxembourg gelegen, und erst recht dessen Ortsteil Perl ist touristisch eigentlich unbekanntes Land. Und doch pilgern Foodies aus aller Welt an diesen kleinen Ort an der Mosel.

Ah, Christian Bau! Sure I know him..

Die Erwähnung von Christian Bau löst das Rätsel dann schnell; er hat es auch international zu einiger Bekanntheit gebracht. Und mein Plädoyer hat mir Lust gemacht, diesen Ort der japanisch-französischen Kochkunst auch wieder aufzusuchen.

An diesem verregneten Sonntag im Dezember ist Perl sehr grau. Die Strassen sind nass-grau, die Weinberge grün-grau, und die durch den Regen angeschwollene Mosel braun-grau. Das Residenz-Hotel mit dem Charme der späten Jahre des letzten Jahrtausends wirkt gold-grau auf mich. Und doch wird das heute einer der farbigsten Abende des kulinarischen Jahres werden!

Unter einem grossen Regenschirm laufen ich dann Abends durch die Tristesse von Parkplätzen und Spielbank zum nahen Schloss Berg, in welchem das Victor’s Fine Dining by Christian Bau beheimatet ist. Und kaum habe ich die Türe geöffnet und bin eingetreten, beginnt sich meine graue Welt schon bunt zu zu färben. Das warme Holz, welches den Raum prägt. Das die Blicke anziehende Bild der Dame in Rot. Die Herzlichkeit des Services.

Und natürlich auch die Vielzahl an kleinen Köstlichkeiten, welche wie bunte Perlen aufgereiht an der Mosel im heute grauen Perl an meinen Tisch gebracht werden. Auch wenn sie auf den Bildern nicht so schön wirken, da im Restaurant das Fotografieren nur mit dem Handy erlaubt ist – der Grund für die vielen schlechten Bilder im Internet. Und so habe auch ich meine Kompaktkamera, welche ich liebevoll als „das Gerät“ tituliere, diesmal zu Hause gelassen.

Bio-Ox mit Räucherfischcrème & Kaviar

Ein grossartiger Klassiker (schon seit dem Jahr 2000 angeboten) ist das Tatar vom Bio-Ox mit Räucherfischcème und KAVIAR. Wenn auch heute mal in einem Tartlette und nicht in einem Cone serviert wird, ist das Ganze elegant und fein gearbeitet und perfekt abgeschmeckt.

Nori-Tartelette mit Torro & Kimizu

Ebenfalls hervorragend dann der Inhalt des nächsten Tartlettes – Thunfischbauch und Kimizu; hier gefällt mir einzig die sehr harte Konsistenz des Tartlettes aus Mori-Blättern weniger.

Japanische Waffel mit Sardine [Portugal] & Meereskräutercrème

Neu für mich ist die Japanische Waffel mit Sardine, Meereskräutercreme und Kaviar, doch ich bin restlos begeistert: Butterzart, leicht und knusprig ist diese Waffel, die Frische der Sardine, die jodige Note des Kaviars, das leichte Säurespiel der Crème, alles ist hier perfekt! Für mich eine so gut wie nie vergebene Bestnote, die 10 von 10.

Entenleber, Räucheraal & Apfel

Auch ein langjähriger Klassiker ist der Macaron mit Entenleber, Apfel und Räucheraal; immer wieder gut, wenn auch nicht mein absoluter Liebling.

Ceviche von portugiesischen Shrimps [Algavre] mit Erdnuss & rotem Shiso

Auch das Ceviche von portugiesischen Shrimps mit Erdnuss und rotem Shiso überzeugt voll und ganz: Grossartig die Meeresfrüchte, da ist lebendige Säure, da ist die Nussnote und die Textur der Erdnussplitter; wüsste ich nicht, dass mir noch mehr als genug Gänge bevorstehen, würde ich schon jetzt laut „mehr!“ rufen.

Nun wird das Brot sowie Butter und Öl an den Tisch gebracht; und wie zu erwarten leistet sich das Victor’s Fine Dining by Christian Bau hier keine Schwäche.

Taschenkrebs ‚Facon Mojito‘

Schon optisch stark ist die Präsentation des nächsten Gerichtes: Taschenkrebs ‚Facon Mojito‘ – das Fleisch des Krebses wird auf einer Limette präsentiert unter anderem im Mojito-style Minzsorbet kombiniert, und wenn ich mich richtig erinnere mit Avocado.

Lachstatar mit japanischem Eierstich & Umamibrühe

Der finale Gruss ist dann Lachstatar auf japanischem Eierstich, von einer Umamibrühe umschmeichelt. Intensiv und klar die Geschmäcker der verschiedenen Bestandteile, hier ist das Tatar nicht der unumstrittene Hauptdarsteller, sondern gleichberechtigter Spieler.

Der Prolog, die Grüsse aus der Küche im vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichneten Restaurant von Christian Bau sind jedes Mal wieder beeindruckend; von der Vielfalt, des dahinterstehenden Aufwandes, der Anzahl der Grüsse und zu allermeist vom Geschmack. Grossartig! (9+/10)

‚Japanese Raw Bar‘: Roter Gamberoni [Portugal], Shishitopepper, geräucherte Mandel, Zitrus

Weiter geht es mit der Japanese Raw Bar (rohes Meeresgetier in Spitzenqualität in den Mittelpunkt stellend), in drei Gängen serviert, welche es optional als Ergänzung oder Erweiterung zum Paris-Tokio Menü gibt. Der erste mit ausgezeichnetem roten Gamberoni, schönem Säurespiel, dezenter geräucherter Mandel; sehr fein! (9+/10)

‚Japanese Raw Bar‘: Kampachi Japan, jodige Aromen, Plankton, Caviar [N25]

Danach für mich ein absolut perfekte Gericht: Kampachi (eine Makrelenart) roh und angeflämt und von perfekter Qualität, kombiniert mit N25 Kaviar, eisigen Plankton-Perlen, Meereskräutern, Eis und jeder Menge „jodigen Aromen“. Der Teller erlaubt es wunderbar sich, entlang des „Streifens“ von oben nach unten „durchzuarbeiten“, die abwechslungsreichen Geschmäcker Bissen für Bissen, ja fast etwas wie die Gischt des Meeres auf der Zunge zu spüren. (10/10)

‚Japanese Raw Bar‘: Blue Fin Tuna [Torro], Yuzu, Sesam, Wachteleigelb, Albatrüffel

Als Teil drei der Japanese Raw Bar dann Tatar vom Blue Fin Tina mit gestocktem Wachteleigelb, schwarzem Sesamöl, Yuzu, darüber weisse Albatrüffel; ein perfektes Wohlfühlgericht! (9/10)

Alba-Trüffel [Piemont], Maronen [Veloute], Agnolotti

Nach dem optionalen Ausflug zur Raw Bar zurück zum Paris-Tokio Menü; dieser Wechsel erklärt auch die zwei Trüffelgerichte direkt hintereinander. Wobei Trüffel zwar der optisch verbindende Faktor ist, dieser Gang jedoch sehr anders angelegt ist: Dezente Angelotti, eine Maronenveloute / kleine Maronenstückchen; darüber weisse Trüffel gehobelt. Hier mal (durch die Maronen bedingt) eine Menge Süsse. (8+/10)

Winterkabeljau [Lofoten], Blumenkohl, Kombi, Sake

Der Winterkabeljau von den Lofoten wird nun mit Blumenkohl (geröstet und als Crème), Kombu (Algenblatt auf der Blumenkohlcreme, frittiert auf dem Kabeljau) und Sake kombiniert; ein feinfühliges, filigran abgestimmtes Gericht. (9/10)

Tajima Wagyu [Australien], Ratatouille, Black Garlic, Tsuyu-Soy

Sehr ansprechend dann nach diesmal langer Wartezeit auch das vom Fett durchwachsene Tamija Wagyu (Tamija ist die Wagyu-Sorte, welche – wenn in der Präfektur Hyogo aufgewachsen und geschlachted – als Kobe Beef verkauft wird; hier ist das Fleisch aus Australien) mit Ratatouille Gemüse, Tsuyu-Soy und schwarzem Knoblauch. (8+/10)

Shiso [Grün & Rot] in Textur

Die Wartezeiten bleiben nun sehr lang, was die einzige Kritik an diesem Wunderbaren Abend ist. Sowohl Shisho „grün & rot“ in verschiedenen Texturen …

‚Lotusblüte‘, Pan Dan, Kokos-Yuzu, exotische Früchte

… wie auch die „Lotusblüte“ mit Kokos, Yuzu, Pan Dan und exotischen Früchten sind dafür kreativ und köstlich. (9/10)

‚Bau.Stein‘, Tonkabohne, Birne, Rotweineis

Im Finale dann der „Bau.Stein“, diesmal mit Tonkabohne, Birne und Rotweieis wie auch aus Eis geformten Erdbeeren. Das wag auf den ersten Blick simpler aussehen, ist aber wunderbar rund, austariert und ein grossartiger Abschluss des Menüs. (9/10)

Sweet Bento Box

Doch wenn bei Christian Bau das Menü fertig ist, ist noch lange nicht Schluss. Der finale Abschluss ist nun eine Serie an formidablen Petit Fours, welche nochmals die Detailliebe und Geschmackssicherheit der Küche eindrucksvoll demonstrieren. (9/10)

Nach einem grauen Tag war dies ein sehr bunter Abend, voll Freude und kulinarischem Genuss. Perl ist an der Mosel gelegen, das dort beheimatete und vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnete Victor’s Fine Dining by Christian Bau ist für mich eine Perle an der Mosel!

Das Küchenreise-Rating

Die Küche von Christian Bau kombiniert eine französische Basis mit japanisch-asiatischen Geschmäckern auf allerhöchstem Niveau. Christian Bau hat eine einzigartige Stilistik entwickelt; das Menü ist Fisch-/Meeresfrüchte-reich und er versteht es, hier die allerbeste Qualität nach Perl-Nenning und an den Tisch zu bekommen.

Die Gerichte sind aufwändig komponiert, auf das allerfeinste abgestimmt und austariert, oft mit lebendiger Säure. Die Aromen wirken glasklar und präsent. Das Restaurant Victor’s Fine Dining by Christian Bau, im Guide Michelin mit drei Sternen bewertet, gehört für mich zu den allerbesten in Deutschland und Europa. Ein Besuch bietet einige Stunden leider vergänglichen Genuss, doch was danach bleibt ist Begeisterung.

Restaurant Victor’s Fine Dining by Christian Bau in Perl-Nennig

Bewertung Essen (?): 9+ / 10
Küchenreise-Rating (?): 5 –  unbedingt wieder
Guide Michelin: ***
Gault Millau: 19.5 / 20
Gusto:
Küchenchef: Carlo Scotto
Adresse: Schloßstraße 27-29
D-66706 Perl
Telefon: +49-6866-79118
Web: victors-fine-dining.de
Kosten:

Paris-Tokio Menü EUR 285 (mit 2 Gängen weniger EUR 219); mit Upgrade Kaviar 12g EUR 20 / Upgrade Doppelt Trüffel EUR 20 / Upgrade Kagoshima Beef EUR 29; Weinbegleitung (5 Weine) EUR 120

Japanese Raw Bar (Supplement) EUR 40

Carte Blanche 4/5 Gerichte mit Weinbegleitung und Kaffee EUR 245 / 295

Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.
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2 Kommentare

  1. Hallo,

    ich lese immer wieder gerne die Küchenreise-Berichte, aber jetzt muß ich doch mal eine Frage stellen: Warum muß in der Sterneküche alles (fast) roh gegessen werden? Ich kann mir nicht vorstellen, warum ein Meeresgetier roh besser schmecken sollte, als gebraten? Es ist schon klar, dass man Fleisch/Fisch nicht totbrät, aber von da zu roh ist es ein weiter Weg und ich habe den Eindruck, dass es zur Zeit „schick“ ist, alles roh zu essen….

    Das hält mich und viele andere, die ich kenne, davon ab, so hochpreisig essen zu gehen.

    Gruß
    dgu

    • Herzlichen Dank für das nette Feedback!

      Ja, rohe Zutaten sind mit Sicherheit „schick“ und häufiger verwendet geworden. Die ersten Sushi-Bars in D oder Ö haben wohl in den 90er Jahren eröffnet, und roher Fisch war damals noch höchst exotisch. Mittlerweile gibt es Sushi an jeder Ecke.

      Rohes kann einem schmecken (und wenn man neben gekochten auch rohe Zutaten verwendet, vervielfältigen sich die Möglichkeiten), muss einem natürlich aber nicht schmecken. Was ich dann im Bereich der Sterneküche empfehle, sind die ein wenig klassischeren Restaurants mit a la Carte Angebot, dann gibt es meist eine gute Auswahl an „nicht-rohen“ Gerichten. Ich hoffe, Sie haben ihre Freude daran!

      Gruss, kuechenreise

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