Nun war der Zürcher Hauptbahnhof gastronomisch nicht mit dem Gare de Lyon in Paris vergleichbar: Statt dort dem kulinarisch anspruchsvollem ‚Le Train Bleu‘ Restaurant hier vorwiegend der Geruch von Fischsemmeln, und zur Weihnachtsmarktzeit noch jener von knoblauchgetränktem Langos obendrauf.

Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: nach langem Umbau wurde der Südtrakt des Bahnhofs wiedereröffnet, und jetzt ist die gehobene Gastronomie dort eingezogen.

Mitja Birlo, der vormals im Restaurant Silver in Vals zwei Michelin-Sterne erkocht hat, hat nun das Ruder bzw. den Pacojet übernommen. Und bekocht hinter dem Tresen ein wunderbar gemütliches Chefs-Table Restaurant, das ‚The Counter‘.

Chef’s Table? Das ist nicht neu (z.B. Chef’s Table at Brooklyn Fare), aber in den letzten Jahren immer beliebter geworden (z.B. Frantzén, The Table, Rote Wand Chef’s Table, Ernst). Der Gast ist Teil der Inszenierung, kann die Köche beim Finalisieren der Gerichte beobachten. Und der informelle Austausch zwischen Chef & Team ist viel einfacher; das erfreut manchen Gast, und das gibt auch der Mannschaft auch direktes Feedback.

Im ‚The Table‘ wird abends ein Menü für CHF 295 angeboten (vegetarische und pescetarische Optionen auf Anfrage); mittags in etwas verkürzter Form für EUR 195. Begleitet wird entweder alkoholisch (Dinner CHF 185, Lunch CHF 105) oder auch alkoholfrei (Dinner CHF 155, Lunch CHF 90), so offenbart es die Willkommenskarte am Counter.

Doch zunächst ein Glas Champagner! Angeboten wird ein charaktervoller 2019 Rose Campania Remensis aus dem Hause Bérêche & Fils zu CHF 37 (Ladenpreis ca. CHF 70) und ein hervorragender Blanc de Blancs, der Blanc d’Argile Extra Brut aus dem Hause Vouette & Sorbet zu CHF 33 (Ladenpreis ca. CHF 100-110). Cheers!

Kohlrabi – Yuzu, Buchweizen

Vor dem Fenster pulsiert Mittags das gar nicht so gemächliche Zürich, am Counter wird der erste Gruss aus der Küche gebracht: in Yuzu marinierter Kohlrabi mit Buchweizen, Creme Fraîche und Kräutern. Kohlrabi? Hier ist nichts hölzern oder eindimensional: der Yuzu fügt dem erdigen Kohlrabi eine schöne Säurenote bei, die Creme Fraîche dämpft deren Spitzen, der Buchweizen gibt schönen Crunch. Eine Kleinigkeit, welche es verdienterweise aus Vals nun auch nach Zürich geschafft hat.

Foie Gras – Haselnuss, Orange

Mehr klassisch-französisch inspiriert dann die Foie Gras mit Haselnüssen und feiner Orangennote, welche den passenden Akzent bei dieser filigranen Kombination setzt.

Tamago – Salzzitrone, Petersilie

Weiter geht es in japanische Gefilde: Ein Tamaro (japanisches Omelette) mit Kräutern, dazu Salzzitrone, Lachsrogen und Petersilie. Das Omelett dominiert das Geschmacksbild.

Hamachi – Shiso, Rinderherz

Sodann folgt eine Art Tartlette mit Sisho, Hamachi und Rinderherz – keine alltägliche, doch eine gefällige Kombination, welche seit der Eröffnung von The Counter in Optik und Zubereitung einem Finetuning unterzogen wurde.

Bao – Wagyu, Nori

Südost-asiatisch schiiesst die Reise der Küchengrüsse mit einem Bao mit Wagyu-Salami und Nori, für mich noch etwas zu sehr vom Bao-Teig dominiert.

In Summe ein aufwändiger und sehr gelungener Einstieg in das Menü! (7+/10)

Milchbrot – Kohlsalsa

Sodann folgt das Brot – ein leicht mit Knoblauchbutter bestrichenes und damit fein aromatisiertes Milchbrot, dazu aufgeschlagene Creme Fraîche aufwändig dekoriert mit einer „Kohlsalsa“.

Kaviari Kaviar – Limettenblatt, Leche de Tigre

Ceviche ist aller Munde, die peruanische Küche hat es in den Mainstream geschafft. Mitja Birlo nimmt das auf, doch er verleiht dem Gericht den einen oder anderen interessante Twist: Der Fisch ist durch Gemüse – z.B. fein abgeschnittene gelbe Rüben – ersetzt, das Aroma des Limettenblattes gibt in Mund und Nase einen kleinen Säurebetonten Kick. Darüber fein-filigraner Kaviar Kaviar, dazu angegossen eine Lache de Tigre.

Das Gericht wird höchst aufwendig hinter dem Tresen angerichtet und ist optisch mehr als schön anzusehen. Am Gaumen ein Genuss, einzig – und das ist Kritik auf hohem Niveau – ist der Spannungsbogen aus Säure und Lebendigkeit für mich noch nicht perfekt, der Kaviar ein Tick zu sehr nur ein Nebendarsteller. (7/10)

Dazu die erste von vier mittäglichen, nicht-alkoholischen Begleitern, eine Gurkenlimonade.

Isländischer Kabeljau – Aprikose, Thai Curry

Mit einem vollendeten Spannungsbogen überzeugt jedoch das folgende Gericht: Isländischer Kabeljau würde zunächst gedämpft – ein wunderbar zarter Fisch ist das Resultat.

Dann wurde er mit Honig bepinselt und kurz ganz scharf angebraten, das gibt einen klar ausgeprägten Kontrast. Und er wurde mit einem Thai Curry bzw. eine thailändisch aromatisierte Sabayon umgeben; zunächst wirkt diese filigran und den gedämpften Fisch ergänzen, im Mund entwickelt sich dann nach und nach eine wohltuende Schärfe, welche einen schönen Kontrapunkt zum kraftvoll angebratenen Äusseren des Meerestieres setzt.

Ein Tupfen Aprikosenchutney setzt eine weitere Geschmacksnote, welche grossartig mit den anderen Aromen zusammenspielt. (7+/10)

Wachtel – Federkohl, Sauce Albufera

Für mich auf klaren zwei-Sterne-Niveau dann die Wachtel mit Federkohl: Oben ein Stück von der Brust, mit einer Federkohlcreme gefüllt, darunter ein Ragout von der Kohle auf Federkohl, dazu Blaubeeren. Die Sauce Albuvera, eine Geflügelrahmsauce, welcher Foie Gras zugefügt wurde, umschmeichelt und verbindet die Komponenten und hebt das Gericht in den kulinarischen Himmel. Bitte mehr, bitte eine ganze Schüssel davon! (8/10)

Quittensorbet – Calvados

Vor dem süssen Abschluss nun ein Quittensorbet mit Calvados und gemopptem Reis, das ist eine schöne und wohltuende Erfrischung.

Alba Trüffel – Popcornn, Pastinake

Nun steigt mir der Duft von weissen Trüffeln in die Nase: Am Teller wird dieser kombiniert mit Joghurtsorbet, Pastinake, Popcorn, Nussbutter und Birne. Wunderbar ergänzen sich die Aromen, auch texturell baut sich hier eine Menge Spannung auf. Phänomenal, dieser Gang hat jede Chance, es in die Rangliste der besten Desserts der Schweiz 2024 zu schaffen! (8+/10)

Wünschte ich mir bei der Wachtel eine ganze Schüssel, würde ich mir hier – auch gäbe es weissen Trüffel doch das ganze Jahr – ein Abo wünschen! Ein Stück Birne a day keeps the doctor away, oder wie hiess das doch?

Kaffee
Sweet Taco – Lebkuchen, Speck

Mexiko hat uns den Taco gegeben, die Küche von Mitja Birlo demonstriert, dass dieser auch süss und mit Lebkuchencreme, karamellisierten Cranberries und Speck funktioniert! (7/10)

Bao und Taco, Wachtel und Thai – was ist die kulinarische Linie gewesen an diesem Mittag, mag sich mancher Leser fragen? Doch bei genauere Betrachtung ist genau diese Vielfältigkeit der rote Faden bei diesem Lunch. Das Menü als Tor zur Welt, die Gerichte als Stationen einer kulinarischen Weltreise.


Vorbei ist die Zeit der Fischsemmeln und des Langos im südlichen Teil des Zürcher Hauptbahnhofes, nun hat das ambitionierte Restaurant The Counter (und nebenan die zum selben Unternehmen gehörige Brasserie Sud) Einzug gehalten!

Die Ambitionen der Küche sind hoch, das spürt man im Gespräch, das entspricht der Location, das zeigen die aufwändigen Gerichte, auch wenn – eine Neueröffnung ist kein Klacks, und vieles muss sich an diesem Ort erst einspielen – sicher hier oder da noch ein wenig mit gezogener Handbremse gefahren wird.

Und die Küche erfüllt hohe Erwartungen, hier wird auf Sterneniveau gekocht. Handwerklich sind die Gerichte hervorragend umgesetzt, die Aromatik ist klar und präzise, oft filigran, manchmal auch wohlaustariert kraftvoll.

Bis zur nächsten Auszeichung im Guide Michelin ist noch Zeit. Ich bin überzeug, die Küche wird dies Nutzen, um das Erreiche zu festigen, und um die Grenzen weiter hinauszuschieben, sodass der französische Restaurantführer die zwei Sterne im Herbst ernsthaft diskutieren müssen wird – wir werden seine Bewertung dann gespannt verfolgen. Ambitioniert!

Das Küchenreise Rating

Ambitioniert wird im jüngst eröffneten The Counter in Zürich gekocht: in lässigem ‚Chefs Table‘ Ambiente nimmt die Küche den Gast auf eine kulinarische Weltreise voll aufwändig komponierter und höchst wohlschmeckender Gerichte!

Restaurant The Counter, Zürich (CH)

Bewertung Essen (?): 7+ / 10
Küchenreise-Rating (?): 5 – sehr gerne wieder
Guide Michelin: – (neues Restaurant, noch keine Bewertung)
Gault Millau:
Gusto:
Küchenchef:

Mitja Birlo

Adresse:

Bahnhofsplatz 15
CH-8001 Zürich

Telefon: +39-02-839 2377
Web: the-counter.ch
Kosten:

Lunch: Menü CHF 195, Weinbegleitung CHF 105 / alkoholfreie Begleitung CHF 90
Dinner: Menü CHF 295, Weinbegleitung CHF 185 / alkoholfreie Begleitung CHF 155

Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.

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