Es ist ruhiger geworden um den Chef’s Table, die Medienberichte wurden weniger, die Verfügbarkeiten der Tischescheinen nun besser.
2022, kurz nachdem Max Natmessing vom Gault Millau zum Koch des Jahres erklärt wurde, hat er mit grossem Knall die Rote Wand verlassen (Berichte: Next big thing, Look Book) . Auch der Wunsch nach Sternen im Guide Michelin (welcher in Österreich ausserhalb von Wien und Salzburg noch immer nicht bewertet) hat ihn bewegt, nach München ins Alois im Dallmayer weiterzuziehen, wo er auch promt mit zwei solchen Sternen ausgezeichnet wurde. Und kurz darauf erneut kündigte, um sich neuen Herausforderungen zu stellen.
Am Chef’s Table hat Julian Stieger übernommen, ausgebildet in grossen Restaurants (u.a. Geranium, Eleven Madison Park und Steirereck) und zuvor Sous Chef an diesem Platze. Das Konzept (eine grosse Anzahl kleiner Gänge; in separatem Raum für die Starter und das Dessert, dazwischen am Chef’s Table) ist unverändert. Die Küche scheint wieder mehr Fokus auf Regionalität zu legen, die internationalen Luxusprodukte wie Steinbutt, Carabinero oder King Crab sind seltener geworden; der Anteil an pflanzlichen Produkten scheint zugenommen zu haben.
Und somit sei gesagt: das Leben nach Max geht weiter. Ein wenig anders, doch überzeugend. Der Chef’s Table in der Roten Wand bleibt ein kulinarischer Hotspot in Vorarlberg!
Klare, intensive Aromatik von Gurke und Kiefer, toller Start!
Forellentatar mit Forellenmousse, eingelegter Pfirsich und Winterestragon – das ist filigran, mit interessanter Pfirsichnote, welche immer wieder hervorblitzt. Darauf Forellenkaviar, welcher ohne Salz eingelegt wird und dadurch weniger „schleimig“, jedoch dennoch mit sehr fester Haut ist, was sensorisch etwas die Filigranität der anderen Komponenten in den Hintergrund treten lässt.
Flambierte Roscoff-Zwiebel mit fermentiertem Apfel: Das ist eine schöne Kombination aus der mundfüllenden Süsse und „Wärme“ der Zwiebel in Kobmination mit der belebenden Säure des Apfels, dazu der leichte Knack.
Beef Tatar mit Gianduja aromatisiert, darauf „Kaviar des Feldes“ (Tonburi) und Thai-Basilikum, ansprechend.
Apfel, Wasabi, blaue Gamba au fAlgentartlette – das ist weich, die Zunge umschmiegend; Noten von rohem Fisch/Meeresfrüchten, dann die dezente Schärfe daes Wasabis im Abgang – sehr gut!
Nun wird es interaktiv: Man nehme das Tartlette mit Algen und Kaviar und befördere es in das Gefäss mit dem Kartoffenschaum, rühre dann herzhaft um, empfiehlt der Service. Gesagt, getan – das ergibt wohliges Aroma von leicht geröcherten Kartoffeln, unterschiedliche Texturen, die Akzente der Kaviar-Perlen – sehr fein!
Nein, dies ist keine Produktpräsentation auf einer Einkaufsfahrt; hier präsentier Chef Julian Stieger die Zutaten des Menüs auf spannende Weise und mit viel Hintergrundwissen. Optisch am präsentesten dabei das grosse Stück vom Dry Aged Rind, im Menü hat dieses eine untergeordnete Rolle (vielleicht im Tatar bei den Grüssen), die beim Hauptgang verwendete Ente wird dafür „unterschlagen“. Dennoch eine interessante und lehrreiche Vorstellung!
Von der Auster nun ein „Schachbrett“ aus kleinen Stücken, zum Teil am Yakitori Grill gegrillt, zum Teil roh; kombiniert mit grüner Gurke, Rettich, Yuzu-Gurkenwasser und mehr. Das ist filigran, wunderbar gurkig, mit schönen Aromen von Austern und Meer – ausgezeichent!
Der Saibling wurde gesalzen und geräcuhert, und mit einem intensiven vegetarischen Sud mit Lavendel zubereitet. Ausgezeichnet; texturell kompakt der Fisch, aromatisch stark doch klar der Sud.
Die Wassermelone wurde laut Service 3-4h fermentiert, dann mit Tomate in verschiedenen Texturen und kombiniert mit Ziegenkäse und Sesam auf den Teller gebracht. Das ergibt ein erfrischend-sommerliches Gericht mit Komplexität, die Sesamnote umhüllt die Komposition. Toll!!
Ein wahres Wohlfühlgericht dann die Blutwurst mit Belperknolle, Charlotte, Hefe und australischer Wintertrüffel.
Der kulinarische Ruf der Steckrübe ist bescheiden, obgleich sie die Basis für anspruchsvolle Gerichte sein kann. Julian Stieger kombiniert ein Gratin von Steckrüben und Kartoffeln mit knoblauch, Ingwer, eingelegten Senfkörnern und einer Meerrettichsauce und demonstriert damit das Potential vermeintlich „einfacher“ Gemüsesorten. Das ergibt erdige Geschmäcker, vielfältige Texturen und eine leichte Schärfe vom Meerrettich.
Die gebratene Gänseleber im nächsten Gang wird mit Apfel / Kohlrabi / Rhabarber (gepickelt) und einer leicht scharfen Ramen von der Ente kombiniert.
Klein die Portion am nächsten Teller, doch von Umami strotzend: gerösteter Shitake und Mispeln ergeben ein mundfüllendes, warmes Gericht mit ansprechenden Röstaromen.
Schleie kombiniert die Küche dann mit Wildspargel, Erbsen, und Bärlauch, die Sauce enthält gleichfalls Spargelwasser – fein.
Ente aus dem Ofen, dazu Entenragout mit Steinplizen, Holler, Kiefer und frischen Erdbeeren, und Salat: eine eigenständige, überzeugende Kombination.
„Einfach“ aber superfein: Bergkäseschaum mit Weinbeeren.
Auch Hollerblütentarte mit Kaviar und leicht angedörrter Beete ist ein überzeugender Gang.
Ein schönes Spiel von Süsse und Säure beim nächsten Gang: karamellisierter, leicht gesalzener Bratapfel mit weisser Schokolade – toll!
Zum Abschluss dann im Vorraum noch einige süsse Kleinigkeiten.
Das ehemalige Schulhaus mit dem Chef’s Table ist ein Teil des Hotels Rote Wand. Die Rote Wand möchte sich noch mehr als Gourmet- und Genusshotel positionieren, so gibt es nun z.B. auch die „Friends and Fools“ Lounge mit Events, Masterclasses zu verschiedenen kulinarischen Themen, Wine Tastings und mehr.
Gelegen ist das Hotel leicht ausserhalb des Zentrums von Lech im schönen Ortsteil Zug. Über die Jahre wurden verschieden Häuser und Zubauten in das Hotel integriert, vor kurzem wurde auch das Problem der zugeparkten Plätze mit einer grossen Tiefgarage gelöst. Verbunden sind die Hotelbauten durch etwas skurrile, unterirdische Rote Gänge, welche zur eleganten Wohlfühlatmosphäre in der Hotellobby einen starken Kontrast darstellen; manchmal auch mit mangelhafter Beschilderung (wie auch die Beschilderung in den Räumlichkeiten der Parkgarage nochmals aus Gästeoptik überprüft werden sollte). Auch bei den Zimmern scheint es grosse Unterschiede zu geben; die Junior Suite bei einem Besuch hell und ansprechend; der fast gleich teure jedoch wie eine Kombination aus Versatzstücken eines Designhotels in Kombination mit einer Jugendherberge wirkend. Genial dann wieder das Frühstück, und sehr überzeugend der Service in den Restaurants und im Hotel generell. Eine weitere Alternative, nur wenige Schritte entfernt, ist das Hotel-Garni Stäfeli.
Das Küchenreise Rating
Mit knapp 20 kleine Gängen führt Chef Julian Stieger und Crew am Chef’s Table im Hotel Rote Wand in Lech am Arlberg den Gast durch den Abend. Das Menü ist stark auf lokalen Zutaten basiert, die Gerichte komplex, mit klarer und präziser Aromatik und wunderbarem Geschmack. Ein starker Neustart, und die Crew beginnt, eine eigenständige Linie zu entwickeln.
Chef’s Table in der Roten Wand, Lech am Arlberg (A)
Bewertung Essen (?): | 8 / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 5 – unbedingt wieder |
Guide Michelin: | – |
Gault Millau: | – / 20 Punkte (noch nicht bewertet wegen Wechsel des Chefs) |
Gusto: | – |
Küchenchef: | Julian Stieger |
Adresse: |
Zug 5, A-6764 Zug |
Telefon: | +43 5583 34350 |
Web: | rotewand.com |
Kosten: |
Menü EUR 205, Getränkebegleitung Wein EUR 110 / alkoholfrei EUR 86 |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |