Es war Weihnacht in Triest. Eine kühle Bise wehte durch die Stadt, die Lichter der Christbäume funkelten um die Wette und manchmal vermeinte man gar, einen Engel singen zu hören.
Dies wäre die beste Zeit, um – fast ohne Touristen – in der Serenissima, der „Durchlaucht“ Venedig, Harry’s Bar zu besuchen. Dort an einem Vesper Martini zu nippen, einen Teller Kalbsleber zu verzehren. Um dann gestärkt und leicht beschwingt die melancholische Winterstimmung in der Stadt zu erkunden.
Doch mir ist heute nach einem richtigen Mahl. Meinen Magen habe ich die letzten Tage kurz gehalten, nun verdient auch er ein Geschenk. Harry’s Piccolo in Triest habe ich für ihn ausgesucht.
Anfang der 70er Jahre hat hier am Piazza Unità d ‚Italia, ein wunderschöner Platz im Zentrum von Triest mit Blick auf das Meer vor der Stadt, Arrigo Cipriani (der Neffe des Gründers der venezianischen Harry’s Bar, Giuseppe Cipriani) eine Bar mit Restaurant im Grand Hotel Duchi d‘ Aosta eröffnet.
Verspielt-klassisch ist das wunderschöne, historische Gebäude des Hotels. Sehr nüchtern dann das vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnete Restaurant: Vier grosse, weiss gedeckte Tische, darauf einzig eine moderne Lampe, sonst noch nichts eingedeckt. Das ist ein Statement, scheint ein grosser Kontrast und gefällt mir vielleicht deshalb ganz gut. Noch mehr Verspieltheit wäre übertrieben, doch dies ist der perfekte Rahmen, um dem Essen eine grosse Bühne zu geben.
Zur Jahreszeit passend werden die Gäste mit einer heissen Rinderconsommé mit Zitronengras und Honig begrüsst. Diese erwärmt meinen Magen und mein Herz, ist mir jedoch zu süss, wo sind die Nüchternheit und die klaren Aromen hin, welche ich mir nun erwartet hätte?
Durch das Fenster blicke ich auf den weiten Platz, auf welchem die Beleuchtung der Strassen und Gebäude mit den Lichtern der Christbäume um die Wette glitzert.
Zum Einstieg werden dann mir einige Kleinigkeiten gebracht: Ein (zu fester) Zitronenmacaron mit Sardelle, dazu „falsche“ Auberginen aus Gelee, mit einer Käsecreme gefüllt. Ein (sehr feines) frittiertes Kartoffengnocchi mit Pulpo, Petersilie und Tomate. Und eine süssliche Blumenkohlcreme mit Champagnerschaum und Kaviar, das ist ein sehr gelungener und kontrastreicher Gruss. (7/10)
Hummer mit Kiwi? Und dazu noch Kokos, Curry und Shitake-Pilze? Das klingt nach einer ungewöhnlichen Kombination, und ich frage mich, ob das wohl funktionieren kann.
Die Antwort ist: Ja! Der Lobster ist fein und das Fleisch mit angenehmem Biss, der Kiwi steuert Süsse und Säure bei. Das Curry bringt Schärfe ins Spiel, der Shitake erdige Noten und Umami. (7/10)
Im nächsten Gang umspielen die Kühle des Scampi-Tatars und die Wärme des gebratenen Bries meine Zunge. Verbunden werden sie durch ein geräuchertes Kartoffelmousse udn eine Lakritzesauce – das ergibt ein sehr wohlschmeckendes Gericht! (7/10)
Ja, nun höre ich sie singen, die Engel, es gibt keinen Zweifel!
Cremig, der in Tomatenwasser zubereitete Reis noch angenehm körnig und steuert eine schöne tomatige Hintergrundnote bei. Plankton und Basilikumgelee harmonieren grossartig. Kapern und Sardellen steuern Umami und Salzigkeit bei, nicht nur einen Tick, sondern eine Menge; sie treiben das Gericht im positiven Sinn an die Grenze, überschreiten diese jedoch nicht. Ein wunderbar kraftvoller, doch weiter harmonischer Gang, grossartig! (8+/10)
Die Tortelli auf Petersiliencreme sind mit einer wohlschmeckenden Geflügelbrühe angegossen, dazu Kapern und gegrillter Paprika. Ein runder, filigraner Gang, welcher mir gefällt. (7/10)
Der in Miso marinierte Black Cod wird auf Wirsing serviert, dazu Daikon, knackige Topinambur-Sticke und schwarzer Fenchel. Erneut ein Gericht mit klaren, starken Aromen, sehr gut! (7+/10)
Etwas ratlos lässt mich dann die Taube zurück: Das laut Service Sous Vide mit Kräutern zubereitete Fleisch ist recht fest, das Produkt scheint mir nicht „Referenzqualität“. Schwarzkohl und Seitling passen gut, die Kaffeearomen sind intensiv – für mich diesmal zu intensiv und das Gericht nicht mehr ausbalanciert. (6+/10)
Am Teller eine gefrorene Kugel mit Aromen der rosa Grapefruit, Sellerie, Passionsfruchtcreme und Kaffeestaub – erneut intensive Aromen (doch diesmal gut abgestimmt) und abwechslungsreiche Temperaturkontraste. (7/10)
Eindimensional wirkt auf mich dann die grosszügige Portion des Desserts mit Biskuit, Cheesecake, Apfel (Kompott, Gel, ..) und Milcheis. (6/10)
Zum Abschluss dann noch einige kleine Süssigkeiten. Mein Magen ist zufrieden, ich bin es auch.
Hinaus an die frische Luft und in den mittlerweile sehr eisigen Wind, den Bora, der von den Bergen durch das historische Stadtzentrum in Richtung Meer weht. Und ob da, ja dort oben, nicht gerade das Christkind am Himmel fliegt, um alles für das baldige Weihnachtsfest vorzubereiten?
Das Küchenreise-Rating
Weshalb nicht statt in Harry’s Bar mal in das vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnete Harry’s Piccolo in Triest? Das Menü überzeugt mit klarer und intensiven Aromen, gute Produkten und kreativer italienischer Küche!
Restaurant Harry’s Piccolo, Triest (Italien
Bewertung Essen (?): | 7 / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 4 – gerne wieder |
Guide Michelin: | * |
Gault Millau: | – |
Gusto: | – |
Küchenchef: | Alessandro Buffa, Davide De Pra, Matteo Metullio |
Adresse: | Piazza Unità d’Italia, 2 IT – 34121 Trieste |
Telefon: | +39 040 660606 |
Web: | harrystrieste.it |
Kosten: |
7-Gang Tasting Menü EUR 160 (Weinbegleitung EUR 60) |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |