Es lohnt sich, zur blauen Stunde das SNFCC (Stavros Niarcharos Foundation Cultural Center) zu besuchen. Beeindruckend die Architektur, und voll Leben das Gelände mit Wasserflächen und dem grossen Park.

Ratlos hat mich dagegen das Restaurant Delta im SNFCC zurückgelassen. Mit zwei Sternen im Guide Michelin (und einem grünen obendrauf für Sustainability) ist das Delta so etwas wie das „beste“ Restaurant von Griechenland. Und ja, die Location mit Blick auf den Hafen ist sensationell, der Weinkeller beeindruckend, der Service charmant und international erfahren.

Doch kulinarisch habe ich so manches vermisst. Weshalb?

Mit EUR 200 ist das 12-gängige Menü Omnivore auch nach den rasanten Preissteigerungen in der Athener Spitzengastronomie vergleichsweise an der oberen Grenze. Der Weinkeller ist gross, und hält alles an internationalen Namen bereit, was das Herz (grosse Brieftasche vorausgesetzt) begehrt. Eine Wein-Pairing für EUR 120, und ein Fine-Wine-Pairing für EUR 200 (nicht günstig, aber sehr gut umgesetzt!!) wird ebenfalls angeboten.

Der Rahmen ist elegant, der Dresscode ist „smart, smart casual or formal attire.“. Ausnahmen sind zulässig, wie beim Prominenten einige Tische weiter mit Instagram-tauglicher Freundin, der sich in zerrissener Hose und einem armfreien Tshirt wohlfühlen; und dessen „Aufpasser“ im Trainingsanzug im Barbereich Platz nimmt, um, wenn erforderlich, auf eine Handbewegung herbeigeeilt zu kommen.

Der Marketing-Speech auf der Restaurant-Website verspricht dafür viel: Vom“mysterioius Haute Cuisinne narrative“ über eine „unique experience“, von „suprise and emotion“ bis zu „minimalistic perfection“, ja sogar eine „philosophical … experience“.

Auch der Restaurant-Name, so spricht die Marketing-Abteilung, ist nicht zufällig gewählt: Schliesslich ist der 4. Buchstabe im griechischen Alphabet – „Delta“ – ein Dreieck, dessen Seiten in perfekter Harmonie sind. Genauso wie, nun wer hätte es erraten, das Restaurant Delta.

Die Service-Mitarbeiter bringen eine Menge internationale Erfahrung mit. Sie verstehen es, mit dem Gast Konversation zu machen, den Gast willkommen zu heissen. Nun denn, die Erwartungen sind hoch!

Cured shrimp in citrus, served with fermented pomegranate and a cream of its own liver

Doch dann der erste Gang, und er ist exemplarisch für diesen Abend: man is(s)t „sustainable“, daher hat – wie der Service wortreich erklärt – die Küche beschlossen, die Abfälle (waren es von Karotten) weiterzuverwenden und daraus einen „Ersatzkopf“ für den Shrimp zu konstruieren.

Nun mag der Laie vermuten, dass Karotten-Reste auch auf einem Komposthaufen ein ökologisches Ende gefunden hätten, während der Arbeit- und Energieaufwand für die Herstellung künstlicher Shrimp-Köpfe die CO2 Bilanz dieses Planeten nicht verbessern wird.

Doch hier wird wohl gerne gebastelt: Nach künstlichem Shrimp-Kopf folgen noch noch weitere nachgebaute Blumen und Bienen. Das wäre nun auch nicht verwerflich (auch wenn künstliche Blumen und Insekten per se noch nichts mit Sustainability zu tun haben), wenn nicht die geschmackliche Seite für mich oft weit hinter der Optik zurückbleibt ja manchmal verblüffend eindimensional ist.

Und die Gänge sind klein. Nach dem fünften Miniatur-Häppchen ist eine Stunde vergangen und der Magen knurrt. Es stellt sich die Frage nach Brot („Brot ist der Freund des Gastronom“), doch der Service verkündet, das entspräche nicht dem Konzept der Sommersaison. Die Küche hätte beschlossen, in der warmen Jahreszeit keinen schweren Brotgang anzubieten. Also fliege ich weiter leicht wie ein Bienchen von Blümchen zu Blümchen durch den Abend. Bzw. trinke mich durch den Abend – die Weinbegleitung ist wunderbar „normal“, und gut gewählt.

Crispy sunflower of sea anemone served on chicken skin and creamy aged fish roe
Soft lobster daw, seasoned with griled peach and served with its own meat and fermented milk
Young calamari served with lemon cream and this years roses
Grilled oysterscallop lightly charred, seasoned with capucine flower oil and a vinaigrette of plum stones
A summer insed of lobster with fresh herbs, served with this year’s strawberries ano our pickleo roses sour cream
Cod aromatized with tangerine flowers, served with smoked mussels and a silky seafood sauce
Cuttlefish kissed by the fire served with preserved artichokes, grilled seaweed. pickled cabbage and a sauce of aged apples
Fresh ground beef seasoned with our preserves, served with aged fish eggs, grilled fermented onions and a sauce of sparkling rhubarb wine
Pluma Iberico seasoned with lacto-fermented koj and served with acidic eucalyptus
Crispy edible butterfly of chilled aerated beeswax cream, chamomile bread and fermented cherries

Irgendwann neigt sich der Abend dann einem Ende zu. Der Magen ist nicht mehr hungrig, doch auch nicht satt – Optionen für die stilvolle Aufnahme zusätzlicher Kalorien werden diskutiert. Nicht unbedingt sustainable, aber dafür voll Geschmack.

Die Chefs Thanos Feskos und George Papazacharias haben eine Menge Erfahrung unter anderem in nordischen Restaurants (Geranium, Maemo), und versuchen hier, nordische Philosophien mit der griechischen Moderne zu verbinden. Die Ambitionen scheinen hoch (und zwei Sterne im Guide Michelin sind ein Statement), das Restaurant auf seine Art wohl einzigartig in Athen. Doch muss wirklich jedes Gericht optisch ein spektakulärer Signature-Dish sein, natürlich instagammable (obwohl es für anständige Bilder am Mobile eh zu schlecht ausgeleuchtet ist)? Mir wäre mehr Fokus auf die geschmacklichen Seiten lieber.

Aufgelistet sein an dieser Stelle jedoch das Fine Wine Pairing, da es (anders als vielleicht die Küche) nicht mit Spielereien oder Ausflügen zu halbperfekten Orange Wines etc. überzeugen will, sondern eine stringente, klassisch aufgebaute und wunderbar harmonierende Auswahl an guten Weinen bietet (wenn auch nicht ganz günstig), über welche der Sommelier auch gerne ins Gespräch kommt:

  • Weingut Thörle, Hölle Riesling, Geramany, 2021
  • Maison M. Chapoutier, Invitore, Viognier, France, 202l
  • Domaine Belargus, Rouères, Chenin Blanc, France, 2020
  • Domaine Christion (lerget. Les (rais, Morey Saint Denis, Chardonnay, France, 2016
  • Tenuta Il Poggione, Paganelli, Brunello di Montalino Riserva. Sangiovese, Italy, 2016
  • Klein Constantia, Vin de Constance, Muscat de Frontignan, S. Africa, 2017
  • Dr. Loosen, Riesling Beerenauslese, Germany, 2017

Ach ja, wer noch Lust auf einen Absacker hat, der findet im architektonisch spektakulärsten Restaurant Athens auch die beeindruckendste Bar der Stadt! Ein Drink kann helfen bei Ratlosigkeit!

Das Küchenreise Rating

Ist das im Guide Michelin mit zwei Sternen ausgezeichnete Restaurant Delta das beste Restaurants Griechenlands? Von Location, Service und Weinkeller spricht viel dafür. Kulinarisch für mich leider nicht – zu viel Fokus liegt auf der Show, auf der Verpackung; geschmacklich am Teller wirkt das gebotene für mich jedoch meist zu eindimensional, zu trivial.

Delta, Athen (Griechenland)

Bewertung Essen (?): 6+ / 10
Küchenreise-Rating (?): 2 – kaum wieder
Guide Michelin: **
Gault Millau:
Gusto:
Küchenchef:

Thanos Feskos / George Papazacharias

Adresse:

Leof. Andrea Siggrou 364
GR- Athen 176 85

Telefon: +30-698-665 75 53
Web: deltarestaurant.gr
Kosten:

Menü Omnivore (12 Gänge) EUR 200

Saftbegleitung EUR 70, Weinbegleitung EUR 120 (6 Gläser), Fine Wine Begleitung EUR 200 (7 Gläser)

Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.

Vorheriger ArtikelTable with a view: The Zillers *, Athen (GR)
Nächster ArtikelBücher und Genuss: Kitchen Library, Berlin (DE)

3 Kommentare

  1. Danke für den Bericht. Ich bin ehrlich gesagt erstaunt, dass der Besuch so enttäuschend war, hatte bis jetzt nur gute Dinge über das Lokal gehört. Ich kann allerdings aus dem Bericht nicht wirklich herauslesen, was konkret nicht gepasst hat (bis auf die kleinen Portionen). War die Aromatik so flach? War der Menübogen zu wenig durchdacht? Oder ganz etwas anderes? Würde mich interessieren. Danke u schöne Grüße, Gerhard

    • Danke, Gehard, für die Frage! Die Berichte sind aus Zeitgründen leider etwas knapp geworden.

      Die kleinen Portionen sind eine Sache, aber natürlich sagt die Grösse letztlich nichts über den Geschmack aus.

      Von den Gerichten wurde am Teller sehr viel in die Optik investiert. „Instagrammable“ war so gut wie jeder Gang, und auch wenn die Lichtverhältnisse den Gästen kaum qualitativ hochwertige Bilder erlauben, so sind die professionell fotografierten Teller perfekt, um sich in einschlägigen Publikationen und auf Social Media zu verbreiten und im Gedächtnis hängen zu bleiben.

      Geschmacklich hat vieles dann erstaunlich unspektakuläre bzw eindimensional geschmeckt. Der „falsche“ crispy Kopf des Shrimps war mit Sicherheit eine Aufwand (welche auch noch die Sustainability des Restaurants demonstrieren soll); im Mund ist das dann ein wenig Couch zu einem Shrimp von guter Qualität mit einem Tick Granatapfel/Säure und Leber. Oder vom anderer Signatur Dish, die crispy sunflower – crunch in den Blättern, eine sehr teigige Konsistenz der Blume, mit von der Proportion einer sehr geringen Portion an Fischrogen, der geschmacklich ein wenig untergeht. Das Fleisch im Hauptgang wieder von guter Qualität, aber aus meiner Sicht bei weitem nicht Referenzqualität. Am besten gefallen haben mir einige wenige sehr filigrane Gänge, wie die „jungen calamari“ oder der Gang mit den Muscheln/Erdbeeren etc.

      Ich hoffe, das erklärt es besser!

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.