Gastronomie-Quereinsteiger

Wenn Du glaubst, dass ein Betriebsberater einfach so in der Restaurant-Haifischbranche erfolgreich sein kann, dann glaubst Du an Märchen. Dachte ich jedenfalls auch.

Und als ich das Märchen von Wolfgang Zankel, gelesen habe ja genau, ein früherer Unternehmensberater, der ein Restaurant gründet, da bin ich trotz Wiener Medienhype mal ferngeblieben. Man sagt ja „Wer nichts wird, wird Wirt. Und wer gar nichts wird, wird Betriebswirt“. Und während das Erstere ein Blödsinn ist, verhindert Zweites normalerweise, dass gastronomische Vollkoffer wie ich (oder halt auch Unternehmensberater) ins Restaurant-Business einsteigen.

Zwei Jahre später ist zwar der Medienhype verflogen, dafür sind 16 Gault Millau Punkte da. Und der vermeintlich Branchenfremde ist nicht dem Restaurant-Sterben zum Opfer gefallen, sondern wirkt beim meinem Besuch in der Pramergasse sehr gut gebucht. Ja, Pramergasse – Pramerl and the Wolf. Da hat jemand auch seine Marketing-Hausaufgaben gemacht. Ein bisserl Angst vor dem Wolf hatte ich dennoch. Aber vielleicht ist der Wolf ja nur der Wolf-gang Zankerl.

Dinner im Restaurant Pramerl and the Wolf in Wien

Ein richtig altes Wirtshaus ist das Pramerl, unkompliziert und sympathisch, und weitgehend originalgetreu, wie’s heute wieder modern ist. Zur Auswahl gibt’s ein Menü und sonst nix, gut bei der Anzahl der Gänge darf man mitreden („Viel oder wenig Hunger?“), und Allergien werden berücksichtigt. Zu meinem Glück stehen Katzen diese Woche eh nicht auf dem Speiseplan.

Topinambur / Wachtelei / Maracuja / Kaffee

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Das „Viel Hunger“ Menü startet mit einem Wachteleidotter auf einem Topinamburchip mit Maracuja und Kaffee. Eine schöne Cremigkeit, leichte Säure, die Süsse des Topinambur und die leicht bitteren Aromen des Kaffees verbinden sich zu einem sehr gelungenen Einstieg! (7/10)

Ach ja, zappenduster ist es im Pramerl. So richtig Wirtshaus-mässig hat, und zugegeben, das schafft eine gute Atmosphäre. Gut, dass mein Gerät (so nenne ich liebevoll meine Knipse) geübt ist, die wenigen herumfliegenden Photonen kunstvoll einzufangen. Kein schlechtes Wort über meine Kompakt-Vollformaterin, bitte.

Gelbflossenmakrele / Karfiol / Yuzu / Haselnuss

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Gelb geht’s auch weiter im nächsten Gang, glaubt nur nicht, dass das wegen der Gelbflossenmakrele ist. Die Makrele erhält durch den Yuzu eine angenehm-lebendige Säurenöte, der Karfiol (Blumenkohl) gefällt mit Geschmack und texturell mit schönem Knack, einzig die Haselnuss verschwindet gar sehr im Hintergrund, das ist ein bisserl schade. (6+/10)

Hühnerhaut / Champignons / Nussbutter / Petersil

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Richtig stark dann das nächste Gericht. Dünn aufgeschnittenes Hühnerfleisch mit krosser Haut, das Ganze richtig gut im Geschmack. Darüber hauchdünn aufgeschnittene, rohe Champignons, ein Petersilsud und Nussbutter, und schon ist ein Gaumenschmeichler perfekt. (7+/10) Ach ja, kein Typo diesmal, in Österreich nennt man die Petersilie halt Petersil.

 Zander / Kraut / Verbene

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Weiter geht es mit dem Zander aus dem burgenländisch-ungarischen Neusiedlersee. Der hat eine schön krosse Haut, das Fleisch ist aber leider viel zu heiss. Kombiniert ist er aber mit dafür genial mit karamellisiertem Kraut – das bringt Süsse – und rohem/eingelegtem Kraut mit angenehmer Säure wie auch mit Verbene. Gut gelungen! (7/10)

Kalb / Brokkoli / Buttermilch / Pistazien

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Ganz so rund wirkt der nächste Gang nicht auf mich: Kleine Fleischwürfelchen vom Kalb werden mit Buttermilch schön kombiniert, dazu Brokkoli und Pistazien. Und diesmal mehr nebendran stehende als gut eingebunden, wenn ich mich richtig erinnere eine Salzzitrone, zu intensiv. (6+/10)

Chioggia-Rübe / Blunzn / Johannisbeere / Reh

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Süss wird es bei der Rübe mit ihren warmen, gekochten Aromen, die Karte sagt noch Reh und Blunzn, die Sauce ist mir jedoch zu penetrant-vanillig intensiv, sorry. (6/10)

Schwein / Grünkohl / Apfel / Senf

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Sehr ansprechend dann das Schwein (wie auch gepuffte Schweinehaut), Grünkohl, Apfel, Graupen, einer Sauce aus geröstetem Brot. Die lebendige Säure nimmt dem Grünkohl jegliche Rustikalität, das ist spannend gemacht und gut abgestimmt. (7/10)

Fourme d’Ambert / Zwiebel / Birne / Rosmarin

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Der Fourme d’Ambert gefällt dann gleichfalls in Kombination mit der Süsse und leichten Säure der Birne, dem knackigen Zwiebel und dem Rosmarin. (6+/10)

Kukuruz / Limette / Miso

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Kukuruz (Mais) mit Limette und Miso – das ergibt einen spannenden Abschluss. Der Mais findet sich in verschiedenen Varianten am Teller, von säuerlich eingelegt bis zu gepufft, Limette und Yuzu gleichen mit einem Tick Säure dessen Süsse angenehm aus. (6+/10)

Tanne / Steinpilz / Thymian

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Zum Kaffee geniesse ich dann noch ein Petit Four mit Tanne, Steinpilz und Thymian und betrachte interessiert die Hamlet-Schachtel, in welcher sich die Rechnung verbirgt. Eigentlich hätte ich ja eher ein Märchenbuch von Grimm erwartet, und das gebotene war durchaus ein spannendes Food-Märchen mit gutem Ende!

Unser Küchenreise-Rating

Der Weg in die Pramergasse im Wiener 9. Bezirk lohnt sich! Das Menü aus der Küche von Wolfgang Zankl ist kreativ, die Speisen gefallen mit handwerklich exakter Umsetzung, guter Feinabstimmung und pointierten Aromen und Geschmäckern.

Die sympathische Atmosphäre im kleinen Gastraum mit Schank eines ehemaligen Wirtshauses und der engagierte Service runden das positive Erlebnis ab.

Restaurant Pramerl & the Wolf in Wien

Bewertung Essen (?): 6+ / 10
Küchenreise-Rating (?): 4 – gerne wieder
Guide Michelin:
Gault Millau: 16 Punkte
Gusto: n/a
Küchenchef: Wolfgang Zankl-Sertl
Adresse: Pramergasse 21
A-1090 Wien
Telefon: +43-676-701 41 68
Web: pramerlandthewolf.com
Kosten: 5/7/9 Gänge EUR 57/63/68
Weinbegleitung 5/7/9 Gänge EUR 41/45/48
Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.

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