Lichtblick statt kulinarisches Niemandsland
Osnabrück? Nach Osnabrück?
Zu unserer Schande haben wir die Stadt Osnabrück massiv unterschätzt: Nette Atmosphäre, eine sympathische Altstadt und natürlich eines der besten Restaurants der näheren und weiteren Umgebung.
So quartierten wir uns im Romantikhotel Walhalla ein. Der Begriff „Romantik“ steht in der Hotelbranche oft für einen gewissen Rückstau bei Investitionen. Das Walhalla ist ein symapthisches Hotel, das Personal wirkte im Stress oft ein wenig überfordert, die Räumlichkeiten sind romantisch, aber nicht top-modern. Aber – und das ist der unschlagbare Vorteil für den kulinarisch interessierten – es sind nur wenige Schritte bis zum Restaurant La Vie, im Gault Millau mit 19 Punkten honoriert und bei Michelin ein Anwärter auf den dritten Stern (November 2011: Gratulation zum 3. Stern!).
Und spazierten dann des abends hinüber zum La Vie, um die Küche von Thomas Bühner kennenzulernen:
Freundlich empfangen wurden wir zunächst in die Lounge geleitet, um dort einen Apero zu geniessen (wir wählten einen Rieslingsekt mit asiatischem Sud – sehr fein), die Karte zu studieren (das Deguatationsmenü Le Grand Chef mit Weinbegleitung) und ein paar erste Grüsse aus der Küche zu geniessen. Uns gefällt die Idee mit der Lounge, und im La Vie ist sie in Perfektion umgesetzt.
Unser Dinner im Restaurant La Vie in Osnabrück
0. Gruss aus der Küche
So wurde aufgetragen:
Hörnchen mit Bisontartar und Wasabicreme: Nicht am Bild, ein sehr fein abgeschmecktes Tatar in einem Hörnchen
ote Beete Gazpacho: Eindrücklich, wie man aus einem vermeintlich so „gewöhnlichen“ Gemüse ein solch tolles Resultat erzielen kann; wahrscheinlich die beste Rote Beete Gazpacho, die man sich vorstellen kann
Muschel: Hinten Mitte auf dem kleinen ‚Teller‘, der Geschmack von Meer im Mund, die Textur durch ‚crispy‘ Elemente darauf angereichert
Heringsmacaron: Ein (mit Sepia? schwarz gefärbter Macaron mit einer Heringscreme (am grossen runden Teller hinten); war ok
Tomatenluft: (weiter im Urzeigersinn), auf rotem Pulver; ok, aber nicht herausragend
Gänseleber: So wie ausgezeichnete Gänseleber sein soll, cremig und weich schmelzend
Olive: Eine Art luftiger Schaum, wie gebacken, mit Oliven- und Röstaromen, ebenfalls ok
Anschliessend wechselten wir in das Restaurant und liessen uns dort in angenehmer Atmosphäre nieder. Zumindest in einigen Teilen ist die Bestuhlung aber eher eng, die Akustik erlaubt es, den Gesprächen am Nachbartisch problemlos zu folgen. Von Natur aus diskret haben wir uns jedoch auf unser Menü fokussiert.
Zunächst erreichte das Brot unseren Tisch:
Calamarisalat mit Wachtelei; dazu eine Essenz im Glas
Danach ein weiterer Gruss aus der Küche, eine Art Calamarisalat, in der Mitte ein Wachtelei sowie diverse kleinere Elemente. Bei jedem Bissen schienen uns alle Geschmäcker des Meers auf der Zunge zu zergehen, fast vermeinten wir die Gischt zu spüren. Ein toller Gang!
1. Kabeljau mariniert, als Tatar; Litchi Gelee, Schaum von der mandel
Sehr gutes Tatar vom Kabeljau, dazu ein weisser Würfel vom mandenschaum (luftig, ‚trocken‘ gefroren), welcher mit dem Kabeljau sehr gut Harmonierte, Wiederum diverse kleinere Elemente auf dem Teller wie z.B. firn Tempurateig frittierte Algen, Litchi Gelee oder kleinste Blümchen wie zufällig in einen der Tupfer auf dem Teller gesteckt (und in Wirklichkeit so gar nicht zufällig, sondern auf jedem Teller sowohl Tupfer als auch Blümchen an exakt der gleichen Stelle). Ein verspielter, doch sehr gelungener Gang.
2. Lauwarmer Lachs; Vanille, Kräuterextrakt als Gelee, Kapuziner Algencrumble
Drei unterschiedlich zubereitete Stücke von lauwarmen Lachs, dazu ein rote Beete Sorbet, Algencrumble und wiederum diverse kleine Elemente, Blütenblätter etc. am Teller (mit beeindruckender Präzession anreichtet). Am Tisch wurde dann noch ein Sud darübergegossen. In Summe ein sehr gutes Gericht.
3. Langoustine mit Rauch; grüne Tomate & Ricotta, Ibérico Speck, Bulgur
Die Langostine von sehr guter Produktqualität und Zubereitung, tolle Würfelchen vom Iberico Speck, Links ein „Zuchini-Päckchen“, links oben das innere Kerngehäuse einer Tomate mit intensivem Geschmack. Sehr fein.
4. Bretonischer Loup de Mer – glasiert: Schwarzwurzel, Aprikose und Kalbskopf
Der Fisch ok, interessante Kontraste durch die verschiedenen Texturen / Elemente sonst am Teller. In Summe gut.
5. Gruss aus der Küche: Geschmortes Herbstgemuese mit Karottenbaiser
Gutes Herbstgemüse, der Karotten.-„Schwamm“ dazu ein guter Kontrast und geschmacklich sehr intensiv / von der Textur verblüffend.
6. Pur Reh; Reh – Saft – Sellerie & Heu, Pfifferlinge
Ein sehr puristisches, ‚pures‘ Reh, Niedertemperaturgegart, dazu unter anderem sehr feine gebackene Stücke von der Staudensellerie. Der Autor hat in jüngster Zeit vielleicht ein wenig zu viel Niedertemperatur-Reh gegessen und schätzt andererseits beim Reh auch klassischere Varianten, daher zwar definitiv gute Qualität / gute Zubereitung, aber für uns nicht das Highlight des Abends.
7. Gorgonzola – Rote Beete – Pistazie
Die zerbrochenen „Stücke von der Eischale“ ist eine Art gefrorener Gorgonzola, dazu wiederum rote Beete sowie u.a. Wasabieis.
8. Gruss aus der Küche: Avocado, Grapefruit und Joghurt
Joghurtschnee mit Graipefruit, Avocado dazu – in Ordnung.
9. Gravensteiner Apfel; Warm – kalt – eiskalt, Haselnuss Cookies, Joghurt & Pulver
Jetzt sind wir bei einem Meisterstück der Patisserie angelangt, das optisch wichtigste Element am Teller war ein hohler Apfel aus einer hauchdünnen Zückerstück, aussen mit Farbe einem echten Apfel verblüffend ähnlich dekoriert. Im Apfel sebst ein eiskalter Joghurtschnee (toll!), unter dem Apfel dann warme Apfelstücke sowie Haselnusscreme und weitere Elemente.
Das Bild zeigt das Innenleben des Apfels, den gefrorenen Joghurtschnee:
10. Pattisserie
Vom Pattisserie Wagen wählten wir unter anderem Schwarzwälder Kirsch (im Glas) sowie einige Pralinen:
Das Finanzielle:
Das Menü mit Weindegustation (noch ohne Champagner, Kaffee, Wasser etc.) kostet EUR 265 je Person.
Unser Küchenreise-Rating:
– Das Essen: Beeindruckend, abwechslungsreich, kreativ; mit oft vielen in erstaunlicher Präzesion angerichteten Elementen am Teller, welche jedoch keineswegs nur der Show dienen, sondern sich von Geschmack und Textur wunderbar zu einem Ganzen zusammenfügen
– Die Weinbegleitung: Hier nicht näher beschrieben. War ok, hat uns aber nicht so wahnsinnig begeistert; dies mag auch daran liegen, dass z.B. der etwas marmeladige und alkoholreiche/schwere und süssliche Rotwein aus der Provence zum Hauptgang nicht ganz auf unserer Linie lag
– Der Service: Zunächst professionell, doch zurückhaltend; gegen Ende des Abends dann schon gelöster
5 – Unbedingt wieder
(1 – nie wieder, 2 – wenn’s die Umstände erfordern, 3 – wenn es sich ergibt, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Blogroll – das schreiben andere:
- A Girl has to eat (2011)
- Sternefresser (2010)
- Allem Anfang (2010)
- Highendfood (2009, 2009, 2010)
- Trois Etoiles (2011)
- Restaurant Ranglisten Forum (2009-2011)
- Qype
- Restaurant-Kritik.de
- F.A.Z. Gourmetvision
Restaurant La Vie
Krahstrasse 1-2
D-49074 Osnabrück
Das hört sich ja sehr vielversprechend an. In zwei Wochen sind wir wieder in Osnabrück, vielleicht ergibt sich ja auch für uns ein Besuch dort. Bin schon sehr gespannt, ob uns das Essen dort auch so überzeugt, wie hier beschrieben.
Wir waren auch schon dort und es war einfach nur toll. Bei unserem nächsten Besuch werden wir da auf jeden Fall auch wieder vorbeischauen, das wird aber dann erst im Frühjahr sein, aber wir freuen uns schon jetzt darauf.
Wir waren auch ausgesprochen zufrieden dort – allerdings gab es noch Zwischengänge, die zum nächsten Gang hinführten. Das war einfach großartig, wurde aber wohl den der professionellen Kritik wenig geschätzt.
http://www.genussgenie.de/lavieosnabrueck09.htm
Viele Grüße!
[…] (August 2011, Oktober 2011) 3. Weinbar Rutz, Berlin (Mai 2011, Dezember 2011, Februar 2011) 4. La Vie, Osnabrück 5. Aqua, Wolfsburg 6. Steirereck, Wien 7. Amador, Mannheim 8. Vendome, […]