Ein kompliziertes Verhältnis

Das Restaurant Margaux (1 Michelin Stern, 18 Punkte) in Berlin haben wir aufgrund der interessant klingenden vegetarischen Menüs aufgesucht. Ein kompliziertes Verhältnis zum „frischen Kapitel in der Geschichte der Kulinarik“ (Zitat: Feinschmecker) war das Resultat.

Auf der Suche nach dem vollendeten Tempel der Gemüseküche

Anfang 2011 im Wiener Steirereck (Lesen Sie mehr: Grosses Theater). Der dritte Gang wird serviert: „Schwarzkohl mit Ziegenmilich, Toponambur & Haselnuss„. Im Steirereck ist auch sonst das Gemüse keinesfalls nur ein Nebendarsteller nach Fleisch und Gemüse. Dieser Gang dann zu 100% vegetarisch.

Der beste Gang des Menüs! Noch heute schwelgen wir in den Erinnerungen an den Geschmack der gekochten Kohl-Blätter, der Ziegenmlich, der genial gut dazu passenden Haselnuss-Aromen.

Sommer 2011 – Villa Merton in Frankfurt (Lesen Sie mehr: Aussergewöhnliche Regionalküche). Sind Radieschen nicht langweilig? Nicht in der Villa Merton, wenn man „Weisse Radieschen mit Essig, Vogelmiere und Beeren speist“ – wow!

Sommer 2012 – endlich mal wieder Berlin. Die Gelegenheit, statt einzelner vegitarischer Gänge ein ganzes vegitarisches Sternermenü zu geniessen. Es zieht uns ins Restaurant Margeaux. Euphorische Berichte haben wir darüber gelesen, aber auch enttäuschte Meinungen gehört. Doch das muss er sein, der vollendete Tempel der Gemüseküche.

Ein kompliziertes Verhältnis

Am Ende des Abends sind wir allerdings enttäsucht. Einerseits vom Taxifahrer (Umweg wegen gesperrtem Kudamm, der sich später als nicht gesperrt herausstellte). Andererseits vom Menü. Unsere Erwartungen waren hoch, vielleicht waren sie auch falsch… Das Konzept ist für uns nicht schlüssig, und satt geworden sind wir auch nicht…

Ein kompliziertes Verhältnis, welches zwischen uns und dem Margaux, zwischen uns und der Gemüseküche entstanden ist. Doch lesen Sie mehr über das 8-gängige vegitarsiche Menü „Terroir Gemüse“, welches wir speisten:

Unser Dinner im Restaurant Margaux in Berlin

0. APERITIV

0.a PAPRIKA, PHYSALIS, SIBIRISCHER KOHL

Zum Einstieg ein getrocknetes Blatt vom sibirischen Kohl mit Paprikapulver sowie – wenn die Erinnerung nicht täuscht – Tupfen von Schafsmilchjoghurt und Pyhsalis-Chutney. Lebendige, feine Süsse vom Paprika, gut harmonierend mit dem Geschmack des Kohls und abgerundet durch die Tupfen.

Texturell jedoch „schwierig“ – die harten Blattstiele/Blattspreite im Kohlblatt erschwerten das Zerteilen am Teller und hinterliessen im Mund einen eher zähen Eindruck.

Restaurant Margeaux Berlin

0.b BURRATA, WÜRZIG / FRUCHTIG

Gelungen der Burrata mit Radieschen, Tomate, einer karamellisierten Nuss (texturell und geschmacklich gute Ergänzung) und wiederum einem Hauch von Paprikapulver.

Restaurant Margeaux Berlin

0.c PFEFFERBIRNE, „OSTFRIESISCHER SPECK“

Die eingelegte Birne wohlschmeckend, darunter ausgezeichnetes Kartoffelpüree (die seltenen Momente einer „Sättigungsbeilage“ bzw. eines Glücksbringers – Zucker / Stärke kurbeln ja die Produktion des Glückshormons Serotonin an).

Dazu getrocknete Sellerieblätter, leicht bitter und wiederum durch die uns recht hart erscheinenden Stiele schwer und nicht angenehm zu essen.

Restaurant Margeaux Berlin

 

1. TOMATE, BASILIKUM, PFLÜCKSALAT, „Gaspacho Verde“

Diverse Tomatensorten am Teller – sicherlich ungewöhnliche Sorten doch für uns leider weit entfernt von den „besten Tomaten unseres Lebens“. Das Basilikumsorbet dagegen war intensiv und gelungen.

Dazu auf/in separaten Tellerchen einerseits eine ausgezeichente Gaspacho Verde – Gurke, Tomaten und Basilikum sowie andererseits ein ebenfalls ausgezeichnetes Bruscetta mit Tomaten.

Restaurant Margeaux Berlin

 

2. SELLERIE, RADIESCHEN, GURKE, Möhre, Gartenkräuter, Zitrone

Sellerie (aus der Familie der Doldenblüter) ist ein unterschätztes Gemüse. Wir finden ihn etwa auf dem einen oder anderen Rohkost-Teller. Am besten gar nicht abgeschmeckt, soll ja roh sein und Öl, Essig & Co sind sicher giftig..

Bei unserem nächsten Gang wird der Sellerie vor den Vorhang gezogen, quasi zum Hauptdarsteller gemacht. Besser abgeschmeckt, doch für uns noch immer mit starkem Rohkost-Akzent. Die Gartenkräuter geben Kontrast, doch für uns keinen wirklich überzeugenden: Von der Struktur wieder recht trocken und manchmal „strohig“ erscheinend. Sehr gut der Sud von confierten Zitronen – er versteht es für uns zumindest teilweise, die einzelnen Komponenten zu einem ganzen zusammenzufügen.

Restaurant Margeaux Berlin

 

3. GEMÜSE, Textur & Boullon

Gemüse unterschiedlicher Sorten und in unterschiedlichen Texturen am Teller. Gut mariniert, doch für uns wenig Zusammenhalt am Teller und wenig Spannung; und wiederum diese „Rohkost“ Assoziation (vielleicht sind wir da ein wenig geschädigt von Arobic & Rohkost Wellen vergangener Jahrzehnte. Wir bleiben lieber anders schlank).

Fein die Gemüse-Bouillon im separaten Tellerchen. Erneut ein Element, welches es für uns schafft, mit dem Gemüse gemeinsam genossen doch eine ganz gute Verbindung zwischen den Komponenten herzustellen.

Restaurant Margeaux Berlin

 

4. KOHLRABI „SUPERSCHMELZ“, GEGRILLT, Junge Bohnen, Paprika, Lauch, Schafsjoghurt, Basilikum

Ein wenig verzweifelt suchen wir nach dem Zugang zu diesem Gericht. Kohlrabi „Superschmelz“ – eine Kohlrabi-Sorte, welche gemäss unserer Recherchen besonders gross/schwer wird und sehr zart ist. Im Restaurant waren uns diese Eigenschaften noch nicht bekannt, doch der Name liess uns auf viel Schmelz und Zartheit hoffen.

Der Kohlrabi war denn auch die Hauptkomponente am Teller. Eine dünne Scheibe, gegrillt. Irgendwie auf uns ein wenig hart wirkend. Die Aromen irgendwo gefangen zwischem rohem Kohlrabi und gekochtem Kohlrabi – das kann man als spannenden Kontrast empfinden oder als Unentschlossenheit.

Und wieder waren es die Beilagen, welche uns am meisten begeistert haben. Auf separatem Tellerchen würde uns sehr feiner ein Mix aus Schafsjoghurt, Paprika und mehr – in Wien würde man das im grossen und ganzen „Liptauer“ nennen. Und wäre mit der Margaux’schen interpretation wohl durchaus zufrieden.

5. „EIN TELLER SPINAT“, Eigelb frische Kräuter

In seiner Einfachheit überzeugte der Spinat. Klassisch das Arrangement, wohl abgeschmeckt der Spinat, dazu schon zerfliessendes Eigelb, krosse Mini-Kartoffelcroutons und eine angenehm leichte Bitternote beisteuernde Kräuter.

Eines der Highlights des Abends, quasi der perfekte Spinatteller mit wunderbar zerfliessendem Eigelb und krossen Mini-Kartoffelcroutons sowie frische, eine angenehm leichte Bitternote beisteuernde Kräuter.

Restaurant Margeaux Berlin

6. AUBERGINE, ERBSE, LIMONE, Süssdolde, Minze, eingelegter Koriander und Zwiebeln

Ein sehr heisser Teller. Darauf eine ebenso heisse, kandierte Aubergine mit leicht süsslichem Touch. Sehr wohlschmeckend dazu die Erbsencreme sowie eingelegter Koriander, Zwiebeln und dem Gericht eine schöne Frische gebende Minze.

Restaurant Margeaux Berlin

 

7. PATISSON, MANGOLD, WÜRZKRÄUTER, Dicke Bohnen, Röstzwiebeln

Der Kürbis würde im heissen Le Creuset Topf an den Tisch gebracht und von dort auf den Teller gelegt. Kürbis kann eine Menge Wasser enthalten, welches viel Hitze speichern kann. Der Kürbis war zu Beginn heiss, sehr heiss. Am meisten am Teller gefiel uns das zurückhaltend feine Kräuterpsesto.

Restaurant Margeaux Berlin

 

8. HIMBEERE, MOHN, FRISCHKÄSE, Nuss – Butter – Streusel, Limone

Himbeer, Himbeersorbet, Frischkäse auf Mohn, Zitrone, Nüsse, Streusel – ein gelungenes Dessert! Auch wenn vielleicht der Wechsel zu mehr klassischem (und Süsse = Glückshormon…) unsere Reaktion euphorischer war als sie andernortes gewesen wäre.

Restaurant Margeaux Berlin

 

9. FINAL

– ERDBEERE, FICHTENSPROSSEN – TEE GEBÄCK – TOMATEN – MARSHMALLOWS – CARDAMON SCHOKOLADE – GEEISTER HOLLUNDER

Restaurant Margeaux Berlin

Das Finanzielle:

Zweimal das 8-gängige Menü mit Weinbegleitung (Aperitiv, Wasser und Kaffee sind im Preis bereits inklusive – welch ein sympatisches Konzept!!) kommen auf EUR 480,-

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Unser Küchenreise-Rating:

Interessant – ja. Spannend – ja. Ungewöhnlich – ja. Eine vielzahl ‚alter‘ Gemüsesorten – ja. Doch das sind für uns noch nicht die entscheidenden Attribute.

Überzeugend, beeindruckend, ein Wow-Erlebnis? Gerichte, bei welchen schon der Gedanke daran uns noch in Jahren sofort das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt? Nein, für uns nicht.

Manchmal haben unsere Augen auch an diesem Abend geleuchtet. Zu oft waren wir aber irritiert – zu viele ‚getrocknete Blätter‘, auch ‚harte Blattstiele‘ etwa. Wir wollen ganz ehrlich sein – unseren Geschmack hat es nicht getroffen. Unseren Hunger auch nicht wirklich gestillt. Ein kompliziertes Verhältnis…

Doch Geschmack ist immer subjektiv. Das Margaux ist konträr diskutiert, viele lieben es, manche nicht. Wir verweisen etwa auf den sehr positiven Bericht vom von uns sehr geschätzen Trois Etoilles Blog (Bericht) mit fast identischem Menü – eine gute Gelegenheit, eine zu unserer sehr konträre Meinung zu lesen. Und ein Besuch erlaubt natürlich das beste Urteil.

Der Guide Michelin vergibt 1 Stern, der Gault Millau 18 Punkte.

2 – Kaum wieder (1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)

 

Blogroll – das schreiben andere:

 

Restaurant Margaux Unter den Linden 78 D-10117 Berlin

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2 Kommentare

  1. Seine eher kritische Meinung zu einem Michelin / G&M ausgezeichneten Restaurant zu schreiben ist nicht gerade einfach. Ich finde deinen Bericht aber sehr nachvollziehbar und fair geschrieben. Hoffe ich bin irgendeinmal selber in Berlin…

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