Von den Gebrüdern Torres haben in der Heimat doch bestenfalls ein paar Food-verrückte Freaks gehört. Mich (bis vor kurzem) nicht eingeschlossen. Im Barcelona jedoch gehören Sergio und Javier Torres nicht nur „zum Inventar“, sie betreiben auch eines der besten Restaurants der Stadt und sind bekannt aus Fernsehen, Büchern und Werbespots.
Mein Flug war verspätet, mein Gepäck habe ich nur schnell im ansprechenden Barcelona Edition Hotel neben dem verführerischen Santa Catarina Market abgestellt. Nun schleiche ich im Freitag-Abend Verkehr in Richtung einer früheren Fabrikshalle im Bezirk Le Corts, der Taxifahrer mal auf spanisch fluchend, mal in Englisch mit spanischem Akzent sich über den unerträglichen Verkehr beschwerend.
2018 haben die Gebrüder Torres in dieser Halle ihr mittlerweile vom Guide Michelin mit zwei Sternen bewertetes Restaurant eröffnet. Ein paar Stunden später werde dort wieder in ein Taxi steigen mit dem festen Vorsatz, diesen Ort jedem Foodie mit geplantem Barcelona-Trip aus vollem Herzen zu empfehlen!
Ich betrete das Coccina Hermanos Torres. Mein erster Eindruck – schwarz. Im Eingangsbereich ist es dunkel, die daran anschliessende Bar ist ganz in Schwarz gehalten.
Und dann: Auftritt der Dame aus dem Service. Die Begrüssung warm und freundlich. Ich werde in den grossen Restaurant-Raum geführt, in der Mitte der Halle eine riesige offene Küche, rundherum platziert die Gäste.
Wer sich durch die grossartigen Küchen von San Sebastian bis Madrid, von Barcelona bis Girona kostet, der hat kulinarisch einiges zu erleben. Im Service auch, und dort nicht immer nur positives. Zu oft scheint dieser zum Gutteil aus jungen Personen zu bestehen, welche zwar motiviert, doch weder besonders kenntnisreich noch erfahren. Manchmal in Kombination mit dem Typ „grantelnder Oberkellner eines Wiener Kaffeehauses“ oder des „Kritik ist nicht angebracht“ Chefs. Der Charme und die Weltläufigkeit, das auf Augenhöhe agieren und Begeisterung vermitteln fehlt immer wieder.
Ganz anders im Cuccina Hermanos Torres. Selten einen so guten Service gesehen. Selten so überzeugend vom Chef begrüsst. Selten eine Küchenchew gesehen, welche nicht nur vor allen Gästen agiert (und nicht nur finalisiert) und gleichzeitig verbal wie non-verbal mit den Gästen interagiert. An diesem Ort werde ich mich wohl fühlen!
Bread with oil: of our grandmother Catalina
Zum Einstieg werden einige Kleinigkeiten gebracht: Ein Rosmarin-Schmetterling, nach Rosmarin und Wald duftend und an Spaziergänge in den Wäldern der nahen Collserola-Berge erinnernd; wie auch eine „Waldtrüffel“ (für die im Untertitel genannte Firma, welche die Trüffeln vertreibt, dürften die Brüder wohl Werbung machen). Rund und voll Umami ist die Wild-Consommé, köstlich das aus 36 Stunden fermentiertem Teig zubereitete Brot mit Spanischem Olivenöl, vorzüglich der (etwas später gereichte) Iberico-Schinken. Alles weder spektakulär noch übermässig komplex, aber einfach sehr gut! (8/10)
Ohne Bild dann der erste Gang, ‚Sea urchin, crayfish consomé and seaweed: Costa Brava“: Auf einem Algenbrot das Seeigel-Flesich, ein Gelee aus weissen Shrimps und Algen – das ist eine wunderschöne Kombination mit einem Tick lebendiger Säure, etwas Bitterkeit, kühler Frische – sehr fein! (8+/10)
Danach ein Tatar vom Tintenfisch mit Beluga-Kaviar in einer kristallklaren, kühlen Hühnerbrühe: Ein Gericht, welches auf den ersten Moment fast unauffällig wirkt, doch danach in seiner Filigranität ungehäuer faszinierend ist: Die Jodigkeit des Kaviars, die Textur des Tintenfisches, die umamireiche Brühe, das leichte Spiel der Temperaturen, bitte mehr! (9/10)
Zwischendurch zeigt mir die Küche den Seebarsch auf Zitrussalz, welcher später im Menü dann fertig verarbeitet auf den Tisch kommen wird.
Grossartig die nun folgenden Muschelgericht: Schwertmuscheln in einem grossartigem Sud, kombiniert mit Geleemuscheln und Safran und einem Tick Zitronengras; den Mund umschmeichelt Kühle, Meeresaromen, Safran und ein Tick Säure. (8+/10)
Am nächsten Teller dann eine Art kreisrund ausgestochenes, dünnes Parmesanbrot, darauf schwarze Trüffeln. Am Tisch angegossen dann noch eine Zwiebelsuppe. Das ergibt ein Wohlfühlgericht mit wunderbarer Süsse der Zwiebeln, einem Tick Säure, den Armomen von Schwarzen Trüffeln und dem Geschmack von Parmesan. (8/10)
Der Hauptdarsteller des nächsten Gerichtes sind die grünen Erbsen (oder „green tears“, grüne Tränen, wie sie auf der Karte genannt werden) aus lokaler Produktion und angeblich die „besten der Welt“. Und ja, diese Erbsen sind wunderbar! Und beeindruckend inszeniert mit einer komplexen Sauce mit einem Tick an Süsse und den von Fisan hergestellten Iberico-Schinken. Auch bei dieser Firmennennung könnte sich es wieder um eine kleine, nicht deklarierte Werbeeinschaltung handeln, zumindest lässt Google darauf schliessen, dass die Gebrüder Torres und Fisan eine engere Beziehung haben. Dennoch – dieses Gericht ist grossartig! (9+/10)
Der nun folgende Carabinero überzeugt geschmacklich und ist begleitet von einer Beurre Blanc mit Sea Fennel / Seaweed. (8/10)
Wunderbar dann auch die Ravioli mit flüssiger Füllung, in einer gemäss Service bei der Zubereitung einen Tag köchelnden Cocido-Suppe mit Foie Gras und Trüffeln. Intensiv der molllige Geschmack der Gänseleber in Kombination mit den erdigen Aromen der Trüffeln / Plize, den Oliven und den getrockneten Tomaten. (8+/10)
Nun ein Gericht, welches in Zeiten von Instagram & Co auch optisch brilliert: Mit Hilfe eines 3D-Druckers wurde eine Spirale aus Creme Fraiche auf den Teller gedruckt und diese dann mit einer Creme aus Thunfisch-Roggen befüllt; dazu Haselnüsse und Shizo-Blätter. Leider ist hier die Optik stärker als der Geschmack, das ganze ist sehr gut (die Haselnüsse jedoch ein wenig enttäuschend), aber geschmacklich ohne den „Wow-Effekt“. (7+/10)
Der früher im Menü gezeigte, auf Zitrussalz gedämpfte Seebarsch wurde nun finalisiert und in Kombination mit einem „Gemüse-Reis“ (kleine, in Reisform ausgestochene Gemüsestückchen) und einer erneut beeindruckend tiefgründigen und komplexen Brühe (welche mit Fischkarakassen, aber auch Fleisch zubereitet wurde) kombiniert. (8+/10)
Wohl erneut eine kleine, nicht gekennzeichnete Werbeeinblendung auf der Karte für die Firma El Baquero, einem Lieferanten von Kabeljau, von deren Webseite die Brüder Torres prominent Lächeln. Doch der Fisch, auf einer Art Fischschaum, schmeckt, und das sehr gut! (8/10)
Knusprig, zart und sehr wohlschmeckend das Spanferkel, welches wieder von einer tiefgründigen Sauce begleitet wird. (8/10)
Beim grossen Schweizer Chef Frédy Girardet in Crissier hat Javier Torres in der Mitte 90er-Jahren gearbeitet, und das nun folgende Gericht ist von seinem damaligem Chef mit seinem perfektionistisch-klassischem französischem Küchenstil inseriert.
Der geschmorte Hase kommt mit einer intensiven, schweren Sauce mit Gänseleber und Trüffel, kombiniert mit einem Kartoffelpürree auf den Tisch. Das Gericht ist etwas modernisiert und einen Tick leichtfüssiger, verleugnet jedoch nicht seine (grosse) Vergangenheit. Grossartig! (8+/10)
Zum Pre-Dessert dann ein Joghurtschaum auf einem Brombeeren-Sorbet mit einem Essig aus roten Beeren. (8/10)
Grünes Apfelsorbet mit Sellerie und Mascarpone-Creme, das ergibt wohlschmeckende „Detox Apfel-Ravioli“ im ersten Dessert-Gang. (8/10)
„The age of cocoa“, so nennt sich das nun folgende Dessert: Geröstete Schokoladenblätter, ein leicht säuerliches Joghurt(?)eis, Schokobrösel und mehr: Schokoladen in unterschiedlichen Texturen und Temperaturen, perfekt auf den Teller gebracht! (8+/10)
Ein wunderbarer Abschluss dann die Petit Fours.
Das Küchenreise-Rating
Ein grossartiger „Geheimtipp“ ist das Restaurant Cocina Hermanos Torres in Barcelona. Vom Guide Michelin mit zwei Sternen ausgezeichnet überzeugt die Küche der im deutschsprachigen Raum (anders als is Spanien) fast unbekannten Gebrüder Sergio und Javier Torres mit einer von spanischer Tradition inspirierter, doch modern umgesetzter Küche. Vor den Augen der Gäste werden die Gerichte mit aromatischer Klarheit, sehr guten Zutaten und technisch hoher Präzision zubereitet und vom charmanten wie kompetenten Service an den Tisch gebracht; darunter auch einige Gänge auf 3-Sterne Niveau.
Restaurant Cocina Hermanos Torres in Barcelona
Bewertung Essen (?): | 8+ / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 5 – unbedingt wieder |
Guide Michelin: | ** |
Gault Millau: | – |
Gusto: | – |
Küchenchef: | Sergio Torres / Javier Torres |
Adresse: | Carrer del Taquígraf Serra, 20, ES-08029 Barcelona |
Telefon: | +34-934-10 00 20 |
Web: | cocinahermanostorres.com |
Kosten: |
Menü Revolucion (Snacks + 20 Gerichte) EUR 185, Wine Pairing EUR 105 |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |