Alle Wege führen nach Rom

Gastartikel

Wo soll man denn hin zum Essen, wenn man die letzten Folgen der Kuechenreise verpasst hat? Condé Nast Traveler hat eine Liste zusammengestellt, die Überraschungen birgt. 207 beste Orte, bestimmt von denen, die beruflich viel unterwegs sind, auch als Normalbürger. In Österreich und Deutschland zum Beispiel gibt’s jeweils nur ein Restaurant, in den USA dafür nach Staaten gegliedert dutzende. Gelangweilt von unserem Kongress in Rom schauten wir nach, ob die Stadt überhaupt auftaucht, und werden in einem Außenquartier fündig: Das Cesare al Casaletto, fragen die einheimischen Kollegen, was soll das denn sein? 

Keiner kennt den Laden, und wir sind plötzlich nicht mehr so sicher, ob wir die Stunde im Taxi auf uns nehmen wollen. Reserviert hatten wir für mehrere kongressmüde Kollegen, schließlich waren wir aber nur zu zweit. Die anderen, soviel sei schon verraten, haben uns am nächsten Tag dann doch sehr beneidet…

Das unbekannte Restaurant ist also ein Geheimtipp – allerdings einer, der auf gewissen  Internetlisten auftaucht. Die Strategie des Familienbetriebs ist es darum, im großzügigen Raum höchsten fünf Tische für Touristen zu reservieren. Man will sich schließlich nicht zum Affen machen, die Fremden sind möglichweise nächstes Jahr schon woanders. Die Leute aus dem Viertel aber, die kommen immer zurück. Wir übrigens auch, wenn wir das nächste Mal in Rom sind.

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Die Trattoria da Cesare, wie sich das Restaurant auch nennt, existiert seit den fünfziger Jahren als Familienbetrieb. Damit wird auch auf der Website geworben: Essen wie früher. Seit 2009 wird es von Leonardo und Maria Pia geführt, einem jungen Paar. Dasselbe, aber besser, ist die Devise.

Ein einfacher Raum, hell beleuchtet, weiße Tischdecken, und voll von Italienern. Warum die nicht alle kugelrund sind bei den Mengen, die sie essen, ist mir schleierhaft. Wir wollen eine Flasche Wein bestellen und ganz langsam anfangen – aber die Weinkarte ist so umfangreich, dass wir uns zwischen toskanischen Hügeln und Friauler Tälern komplett verirren. Der junge rothaarige Kellner, der sowieso den ganzen Abend über einen perfekten Service hinlegt, aufmerksam, freundlich, und nie zu viel, hilft uns weiter. Und da wir nicht in einem Sterne-Schuppen sind, geht das auch ohne daß er uns die teuerste Bottiglia andreht.

Der Wein ist eine Entdeckung aus der Gegend von Varese und angebaut von der “dynamischten Weinbäuerin [in Gattinara] Rosanna Antoniolo“ (Burt Anderson, The Wine Atlas of Italy). Der Gambero Rosso sagt dazu “Antoniolos Flaschen enthalten das beste des Nordpiemontesischen Erbes”.

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Die erste Vorspeise kommt an den Tisch, wir teilen sie uns. Die frittierten Zucchini-Blüten sind mit Mozzarella und Sardellen gefüllt, sie sind außen knusprig, innen weich, und die Süßigkeit der Blüte mischt sich sanft mit der salzigen Fischigkeit des Inhalts. Nach zwei Happen ist der Zauber leider schon vorbei, aber nachbestellen wollen wir dann doch nicht.

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Die zweite Vorspeise ist berühmt, und das zurecht. Für 10 Euro kriegen wir einen Teller mit dampfenden Teigwaren, gargekocht im Käsesud aus Parmesan und Pecorino, und großzügig mit Pfeffer gewürzt. Die Pasta ist salzig sämig scharf und auch die Ziege riecht man schwach, und sie hat Biss. Das Teilen wird kämpferischer, leider sind wir beide so begeistert, daß sich die Gabelzinken fast verheddern. Als klassischer ‚Comfort-Food’ macht die Spaghetti uns aber so glücklich, daß wir friedlich zur Hauptspeise schreiten. Das einzige, das wir bereuen, ist das Fehlen der Maltagliati – diese spezielle Pasta (die „schlecht geschnittene“) war schon aufgegessen worden, wahrscheinlich von der gesamten Quartierbevölkerung.

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Die erste Hauptspeise kommt kochend heiß an den Tisch: Baccala a la Romana, Kabeljau in Tomatensauce mit Zwiebeln, Rosinen und Pinienkernen. Der Fisch ist fest, die Soße so würzig und fein daß man meint, die definitive Tomatensauce vor sich zu haben: saftig, salzig, mit sattem süßen Explosionen – die Rosinen. Der Fisch schmeckt nach Fisch, und das ist gut so. Ein rundum gelungener simpler Teller mit leckerem Essen, Glück auf die einfache Art, jede Zutat ist anwesend und alles zusammen ein gelungenes Ganzes.

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Bloß kommt gleichzeitig der andere Hauptgang und auch der schwimmt in Tomate, und schmeckt absolut fantastisch. Wir sind beinahe irritiert, probieren hin und her, und können uns nicht entscheiden. Verschiedene Welten, die den Gaumen da kitzeln, so ähnlich, und doch überhaupt nicht dasselbe. Das Fleisch sind Involtini di Manzo, Umgekehrte, zu deutsch: Rindsrouladen. Das Fleisch ist nicht zäh, hat Biss, und ist gut gewürzt, die Karotten haben Biss, das Salz geht unter die Haut, aber ist nicht zu viel. Die Soße schmückt und schmeichelt, es sieht so einfach aus, wahrscheinlich hat sie stundenlang gekocht. Solide Qualität von gutem Essen.

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Zur Nachspeise bestellen wir den Tageskuchen, eine Art Linzertorte, die etwas trocken schmeckt und nicht herausragt, geschmeidig sanft ist und süß mit einem buttrigen Teig.

Die „tausendblättrige“ Millefoglie, mit Vanillecrème und Amareno-Kirschen, zart im Mund schmelzend und doch genau da knusprig, wo wir das wünschen. Und sie ist sehr hübsch anzusehen.

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Wir sind satt und glücklich, dem Kongressfraß nicht nur entkommen zu sein, sondern auch eine lockere, leckere Ecke von Rom kennengelernt zu haben, mit perfektem solidem Essen und einem charmanten Service. Diesmal also war die Internetliste eine Bereicherung – und unser kleiner Bericht hoffentlich auch.

Restaurant Cesare al Casaletto

Bewertung Essen (?):
Küchenreise-Rating (?): 4 – sehr gerne wieder
Guide Michelin:
Gault Millau:
A la Carte:
Küchenchef: Leonardo Vignoli
Adresse: Via del Casaletto 45
I-00151 Rom
Telefon: +439-06-53 60 15
Web: www.trattoriadacesare.it
Kosten (Rechnung): 100 EUR (2 Personen)
Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.
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