Ein, zwei, drei Sterne: Paris ist immer eine gute Idee
Das Zitat wird Audrey Hepburn zugesprochen: Paris is always a good idea.
Die Küchenreise spannt diesmal eine Sterne-Firmament über der Stadt an der Seine auf: dreimal gegessen, dreimal gestaunt (Gutes und Schlechtes, lest selber), dreimal wirklich happy. Und einmal sogar verblüfft glücklich wunschlos überrascht und zufrieden.
Was meint Ihr, war das beim ersten Stern? Oder bei zweien? Oder doch bei drei Michelin-Sternen? Dieser Blog verrät es Euch, schön der Reihe nach. (Teil 1: Das Fremde in der Nähe – Jin *, Teil 2: Geschichte, Geschmack, Gelassenheit – Matieu Pacaud Histoires **)
Dinner im Restaurant Le Cinq in Paris (Frankreich)
Überteuert ist der Champagner in der Hotelbar des noblen Four Seasons Hotel George V an exklusiver Pariser Adresse, und unpassend gekleidete Hotelgäste vertreiben sich dort die Zeit, wo ich mich auf den Abend im Restaurant Le Cinq ovn Christian Le Squer einstimmen will. Am Nebentisch putzt ein Herr aus dem Service gerade einen Tisch. Der scharfe Duft des Putzmittels harmoniert nicht wirklich mit den floralen Noten des Getränkes. Schrecklich, wie dieser Abend beginnt. Und kaum zu glauben, dass er noch ganz gross enden wird!
Doch kurz zum Restaurant: Das Le Cinq befindet sich im Erdgeschoss des noblen George V Hotels. Luxuriös, ja schon pompös ist das Ambiente, beeindruckend der Blumenschmuck, seltsam die den Raum dekorierenden Palmen.
Chefkoch Christian Le Squer, der zuvor im mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Ledoyen gekocht hat, hat das Zepter Ende 2014 von Eric Briffard übernommen (Lies auch: Grosse Klasse – klassisches Wohlfühl-Dinner) und auch an seinem neuen Wirkungsplatz Ende 2015 den dritten Michelin-Stern erhalten.
Der Einstieg in den Abend an der Bar war verunglückt. Ob das Menü diese Eindrücke wieder korrigieren kann?
Beim Einstieg, bei den Grüssen aus der Küche, bleiben die Eindrücke noch gemischt: So richtig überzeugen kann die Sphäre mit Ingwer nicht, zu fest ist deren Gelee-Hülle aus dem Küchen-Chemiebaukasten. Schon mehr gefällt die mit Haselnuss gefüllte Kirsche.
Und grosse Klasse ist dann die Foie Gras mit Passionsfrucht-Gelee und hauchdünnen, gerösteten Brotscheiben. Hier ergänzt sich die Cremigkeit der Gänseleber mit den süssen Fruchtaromen der Passionsfrucht und der Textur und den Röstaromen des Brotes zu einem sehr schönen Ganzen.
Und auch der “salzige“ Gugelhupf mit Oliven ist sehr gefällig! In Summe waren das gute Kleinigkeiten, wenn auch nicht unbedingt auf drei-Sterne-Niveau. Ich gebe diesen Grüssen ein 7+/10.
Nicht zu unrecht sind diese Franzosen dafür bekannt, vorzügliches Baguette zu backen. Und in Le Cinq beherrscht man diese Kunst gleichfalls meisterhaft!
Der abschliessende Gruss ist dann schon mutiger: Oktopus auf Kartoffelstock und mit Meerrettich. Das ist Power, doch noch immer runder Geschmack, und man merkt, dass die Küche kann, wenn sie denn will. (8/10)
Die erste Vorspeise sind dann gratinierte Zwiebel im ‚zeitgemässen‘ Pariser Stil, eine Neuinterpretation der gratinierten Zwiebelsuppe. Leicht angekohlte kleine Zwiebel sind gefüllt mit einer intensiven Zwiebelessenz, ein Zwiebelkompott und eine Zwiebelsauce geben intensiven Geschmack, schwarze Trüffel erdiges Aroma, Parmesan-Crunch eine schöne texturelle Abwechslung; und die kleine Tupfen einer Rosmarin-Thymian-Creme noch etwas krautigen Touch. Hier spielen Süsse, Erdigkeit und ein Tick Säure schön zusammen – sehr gelungenen! (8+/10)
Qualitativ ansprechend dann auch der weisse, gegrillte Spargel mit viel Eigengeschmack und ansprechenden Röstaromen. Überraschend gut harmonieren dazu die dünn aufgeschnittenen Kirschen, schön die Senfvinaigrette wie auch die Mandeln. (8+/10)
Weiter geht es mit dem Kalbsbries. Ob solches mehr auf der cremigen Seite oder mit stärkeren Röstaromen auf den Tisch kommen soll, das ist bekanntlich Geschmackssache. Mir gefällt das Zweite besser, jenes am Teller war trotz des Crispy im Namen des Gerichtes auf der Karte mehr das Erste.
Doch das Bries war von guter Qualität und Zubereitung, der Spinat gut, die Kräutersauce schon fast süchtig-machend, wenn auch fast schon zu salzig. (8+/10)
Der Wolfsbarsch jedoch war grossartig: Perfekt von der Produktqualität wurde er in fermentierter Milch pochiert und am Teller unter Milchschaum und mit Kaviar serviert. Die Aromen des Fisches, die salzige Note des Kaviars und die Sauce verbanden sich erstmals an diesem Abend zu einem unvergesslichen Drei-Sterne-Gericht! (9+/10)
Selbstverständlich wird im Le Cinq die Kultur des Käsewagens hochgehalten, und dieser ist bestens Bestückt mit gut gereiften Exemplaren!
Als Pre-Dessert wird dann eine (etwas zu) salzige Karamell-Eiscreme und eine Nusseiscreme sowie einige süsse Kleinigkeiten gebracht. In Summe sehr gut. (8+/10)
Der Start in den Abend war nicht geglückt, im Laufe des Menüs wurden die Leistungen jedoch immer besser. Und bei den Desserts demonstriert die Küche ihr Können! Auf der Schokoladenseite begeistert Iced Dark Chocolate Crust, Schokolade in verschiedenen Texturen und Temperaturen, dem Spiel von Crunch und Cremigkeit, von Textur und Geschmack, ergänzt mit gerösteten Erdnüssen, Kakao und französischem Carambar–Karamell. Ach würde dieser Gang doch nie enden! (9+/10)
Vom überteuerten Champagner in Putzmittel-geschwängerter touristischer Hotelbar dann noch zum genialen Abschluss: Die Walderdbeeren des finalen Tellers sind rot, reif und intensiv im Geschmack. Sie sind auf einer süsslichen Crème Brûlée angerichtet, darüber ein kühles Sorbet aus Korianderblättern und ein Erdbeerschaum. So einfach die Zutaten auch klingen mögen, wie immer ist deren Qualität ausschlaggebend. Und die ist hier perfekt, und das resultierende Gericht ist intensiv, aromatisch, süss, rund und doch filigran! (10/10)
Und damit die Kräfte für den Nachhause-Weg noch ausreichend sind, schickt die Küche noch einige Pralinen sowie ein kleines Schächtelchen, um ein paar für den späteren Abend mitzunehmen.
Unser Küchenreise-Rating
Trotz der anfänglich gemischten Eindrücke: Das Menü im Le Cinq hat sich von Gang zu Gang in Richtung eines famosen Finales gesteigert!
Die Gerichte von Christian Le Squer basieren auf dem klassischen Fundament der grossen französischen Küche, doch er versteht dieses modern und kreativ umzusetzen. Grossartig sind die verwendeten Zutaten, präzise ist die Umsetzung, gefällig auf sehr hohem Niveau der Geschmack. Das Ambiente erinnert an jenes klassischer Gourmet-Tempel vergangener Tage, und doch ist es – auch durch die internationale Klientel des Hotels – lebendig. Pomp, Luxus und gar Kitsch sollten den Gast nicht stören. Dafür agiert der Service entspannt und weltläufig – ein Kontrast, der gerade in solchem Rahmen wichtig ist. Sterne-Gastronomie in Paris ist selten günstig, doch auch für Pariser Verhältnisse sind die Preise im Le Cinq hoch; verglichen mit jenen im deutschsprachigen Raum sehr teuer. Dies gilt sowohl für die Speisen wie auch für die Weine von der beeindruckenden Weinkarte. Paris ist immer eine Reise wert, und auf einer solchen sollte man auch im Le Cinq einkehren. Das Le Cinq hat jede Menge Pariser Chic, und es hat gegen Ende immer mehr an Passion gezeigt. Der Favorit dieser Paris-Trilogie war jedoch das Histoires (Lese auch: Geschichte, Geschmack, Gelassenheit – Matieu Pacaud Histoires) |
Restaurant Le Cinq im Hotel George V in Paris (Frankreich)
Bewertung Essen (?): | 8+ / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 4 – gerne wieder |
Guide Michelin: | *** |
Gault Millau: | 19/20 Punkte, 5 Toques (Kochmützen) |
Gusto: | n/a |
Küchenchef: | Christian Le Squer |
Adresse: | Hotel Four Seasons George V 31, avenue Georges V F-75998 Paris |
Telefon: | +33 (1) 49 52 71 54 |
Web: | restaurant-lecinq.com |
Kosten: | Vorspeisen 70-140 EUR, Hauptspeisen 92-180 EUR Desserts 32-40 EUR, Weine teuer |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |
Blogroll: Was schreiben andere?
Paris-Trilogie – Teil 1 | Das Fremde in der Nähe: Jin * |
Paris-Trilogie Teil 2 | Geschichte, Geschmack, Gelassenheit: Mathieu Pacuad – Histoires ** |
ElizabethOnFood (2016) | Bericht |
Oh So London (2016) | Bericht |
Dining with Frankie (2016) | Bericht |
Trois Etoiles (2015) | Fünf ist kleiner als zwei |
Hallo,
ein – wie immer – schöner Bericht.
Ich habe eine Anmerkung zu den „Fakten“ Ihrer Beiträge. Der GaultMillau vergibt (in erster Linie) Punkte (bis zu 20) als Bewertung und keine Hauben. Die Hauben dienen der groben Strukturierung/Clusterung der Bewertungen, sind aber leine eigene. In Österreich hat man (fälschlicher- und irreführenderweise) die (nachrangigen) Hauben als Äquivalent zu den Michelinsternen „genommen“, als der Michelin noch nicht in Österreich tätig war und insbesondere, seit er nicht mehr dort tätig ist (abgesehen von den „Main Cities“).
Gruß
Oliver Schwarz
Ganz herzlichen Dank für das Lob! Und auch für das Feedback!
Mit den Hauben ist das so eine Sache. Um den deutschen Gault-Millau Chefredakteur Manfred Kohmke in einem (älteren) Interview mit den Sternefressern zu zitiren: „Die Hauben überlassen wir dem österreichischen Gault&Millau und den deutschen Kranken- und Ordensschwestern. Wir reden von Kochmützen und verwenden nur die als Symbole.“
Um es noch komplizierter zu machen, hat sich der Gault Millau in Frankreich um 2010 von den Noten verabschiedet und nur noch auf ‚Toques‘ (Kochmützen) gesetzt; und gleichzeitig diese von vier auf bis zu fünf erhöht. Kürzlich wurden dann parallel zu den Mützen die Noten wieder eingeführt.
Und zuletzt ein Blick in Wikipedia und in die Tiefen des Internets: „Haube“ sei österreichisch für Mütze. Jetzt ist alles klar, oder auch gar nichts mehr…
Und da Unklarheiten in einer Rubrik „Fakten“ nicht weiterhelfen, haben wir Hauben durch „Toques / Kochmützen“ ersetzt und auch die 19/20 Punkte angefügt.
Nochmals danke für den Hinweis!
Gruss, Hr. Küchenreise