Der Tag war lang, und das Wetter war kalt und grau an diesem Tag im Januar. München zeigte sich schon den ganzen Tag nicht von seiner allerschönsten Seite. Doch da war meine Reservierung im Atelier. Schon lange wurde Chef Jan Hartwig als Kandidat für die begehrten drei Sterne des Guide Michelin gehandelt, und vor ein paar Monaten war es dann so weit.
Vor dem Bayerischen Hof das übliche Samstag-Abend Spektakel: Elegante Limousinen, dazwischen ein prolliger Lamborghini, von neureichen Bitcoin-Milliänären auch liebevoll Lambo, genannt. Teure Uhren, kurze Röcke, und erfrischend belebt ist die Lobby des Hauses. Der Bayerische Hof ist nicht nur ein grossartiges Hotel, sondern auch ein Place to be, wenn das Wochenende seinem Höhepunkt zustrebt.
Das Restaurant Atelier liegt etwas versteckt wie in einem wunderbaren Kokon. Hier ist es auch am Samstag Abend ruhiger, vielleicht gediegener; doch keinesfalls förmlich oder gar steif. Holz und erdige Töne geben dem Raum eine gemütliche Anmutung, der Service schafft eine Wohlfühl-Amtosphäre. Endlich kann ich eintauchen in einen genussvollen Abend.
Dinner im Restaurant Atelier im Hotel Bayrischer Hof in München
Doch was ist das? Wo ist die Kohlensäure? Champagner, im Englischen auch mal salopp als Bubbles bezeichnet, soll auch mit den kleinen, prickelnden Bläschen brillieren. Doch der vom Service angepriesene Dom Perignon hat zu wenige von diesen, er schmeckt lasch und langweilig. So wie er normalerweise schmeckt, wenn er an einem der Vortage geöffnet wurde. Ein No-Go, gerade auch in einem drei-Sterne Restaurant, welches einfach zu vermeiden wäre. Soviel zum kurzen Ärger.
Egal, ich möchte gut essen (und ein zweites Glas Champagner zu einem späteren Zeitpunkt ist dann auch aus einer frisch geöffneten Flasche und vorzüglich). Und genau jetzt beginnt die lange Freude. Zwei Menüs von Jan Hartwig werden mir angeboten, das Atelier Fünf und das Atelier Sieben, beide können auch kombiniert oder verkürzt werden.
Grüsse aus der Küche
Freude schon bei den ersten Grüssen: Daidai-Baiser mit Fjordlachstatar, Profiterole mit Kalbstafelspitz, Röstzwiebelmayonnaise und Pilzduxelles und eher süsslich eine Geflügellebercreme mit Walnuss und Blutorange im Frühlingsrollenteig. (9/10)
Bei der Gelbschwanzmakrele mit Passionsfrucht, Limette, Miso und Jalapeno gefällt mir die Zitrusaromen, die Frische, die Kombination mit dem tollen Fisch – ein sommerlich-asiatisches Gericht im noch winterlichen München. (8+/10)
Beim in der gehobenen Gastronomie seltenen Kaninchenrücken zeigt Jan Hartwig, dass dieser in Kombination mit Nashibirne und einer Pommerysenfsauce wunderbar brillieren kann. (8+/10)
Garnelen aus Bayern – roh mariniert, Rinderfilet Carpaccio, Nori Alge, Chorizo, Mandel & Cocktailsauce
Im ersten Gang hat die Küche ein relativ grob geschnittenes und gerade dadurch von der Konsistenz wehr feines Garnenelentatar (die Garnele in Bayern gezüchtet) mit Chiorzo und einem Carpaccio umhüllt. Am Boden dess Tellers ein Krustentiergellee, dazu verschiedene Tüpfchen und Elemente: süssliche Cocktail-Sauce, Salzmandel, Chiorizo, Nori-Alge, zuoberst laut Service ein Cracker aus Krustentiermayonnaise, eine wunderbare Kombination. (9/10)
Geflämmter Thunfischbauch, Gurke, geräucherte Shiitkaecreme, Avocado, Ingwer & Ponzu
Schlicht und einfach grossartig dann der Thunfischbauch, das Fett wunderbar integriert, kurz angeflämt – das ist das Wagyu des Meeres! Ingwer, Ponzu wie auch Gurke, Avocado und eine geräucherte Shitakecreme umschmeicheln den Fisch und heben ihn auf ein aussergewöhnliches Podest. (10/10)
Sankt Jakobsmuschel & Perigord Trüffel, Topinambur, Haselnuss & Vin Jaune
Nun folgte Jakobsmuschel mit schwarzer Périgord-Trüffel und Topinambur, welche dem Gericht eine erdige Note gaben, dazu Haselnuss und eine Haselnusscreme und einer Sauce mit Vin Jaune, einem lang gereiften Dessertwein aus dem Jura. Ein ungewöhnliches und spannendes Gericht mit intensiven Geschmäckern, welche aber perfekt aufeinander abgestimmt waren. (9/10)
Schweinekinn & Kaviar „N25“, Kartoffel, Lardo di Colonnata & Schnittlauch
Stark dann auch der nächste Gang: Schweinekinn in einem Schnittlauchsud und Kartoffeln, darüber eine Scheibe Lardo, darauf dann N25 Kaviar. Letzterer wird laut Service von einem 21-jährigen Münchner produziert, die Eier von 30 jahre alten Stören, welche dann zwischen sechs Wochen und 3 Monaten ohne Zugabe von Schwefel – und dadurch nicht ‚schmierig‘ – gelagert werden. Im Mond ist das alles eine tolle Kombination. (9/10)
Glasiertes Kalbsbries, gebrannter Wirsing, Rieslingkraut & Kapern-Rosinensauce
Das Kalbsbries ist wunerbar kross gebraten und glasier,t darauf ein grosses Stück Wirsing. Die Kapern-Rosinensauce Sauce gefällt mit guter Säure; die Geschmäcker in diesem Gericht sind intensiv, aber perfekt ausbalanciert. Eines der besten Kalbsbriesgerichte! (10/10)
Schon ein Klassiker ist vor dem Hauptgericht dann der Radler – Granité mit Yuzu, Ingwer und Vanille kombiniert mit einem Untergiesinger Erhellung Bier.
Challans Entenbrust mid geräuchert, Boudin noir, Kren, Bete, Parmesan & Feige
Die Brust von der Challansente wurde mild geräuchert und mit Tupfern von Blutwurst, Rote Beete, Meerrettich und Feige wie auch einem Parmesanchip, begleitet von einem tiefgründigen und hervorragenden Entenfonds. Die Geschmäcker sind nun wieder einen Tick zarter und filigraner, das Gericht gefällt mir gut. (8+/10)
Tallegio, Capocollo, Maroni & Barolo
Spannend dann auch der Käsegang mit Tallegio, darauf Capoccollo (einer italienischen Wurst mit gepöckeltem Schweinenacken), Maroni und einem dünnen, mit Blüten bedeckten Schüttelbrot-Chip und einer Barolosauce. Das ganze ist eine spannende Kombination, wenn auch mengenmässig etwas vom Käse dominiert; mit kräftigen, doch in sich ruhenden und sich gut ergänzenden Geschmäckern (8+/10)
Pre-Dessert
Als Pre-Dessert dann ein Preiselbeereis mit Sandelholz, Sanddorn, Quinoa und Petersilie, mit vielen grünen Aromen und eher zurückhaltend von der Süsse. Geschmackssache – meinen hat es nicht ganz getroffen. (8/10)
Grüner Apfel, Fichtennadeln, Gerste & Vanille „noir“
Das eigentliche Dessert ist gleichfalls nicht klassischer Mainstream, sondern bewegt sich mutig in der Welt der modernen Desserts: Grüner Apfel wird mit Fichtennadeln, Vanille und Gerste in verschiedenen Texturen kombiniert. Was anfänglich im Mund fast ein wenig verwirrt, ist dann im Nachgeschmack wunderschön. (8+/10)
Petit Fours
Ein freudiger Abschluss eines Abends mit langer Freude dann die Petit Fours, unter anderem der Schaumkuss-Schneemann und Macarons. (9/10)
Dieses Essen hat Spass gemacht, und es hat mich beeindruckt. Und es hat mich, um zum Anfang dieser Geschichte zurückzukommen, nach einen langen Tag dann so richtig entspannt und genießen lassen! Und auch der anfänglich kurze Ärger ist längst verflogen..
Unser Küchenreise-Rating
Die Küche im mit drei Sternen im Guide Michelin ausgezeichneten Restaurant Atelier ist nah an der Perfektion; Technisch erstklassig umgesetzte Gerichte, keine Scheu auch vor intensiveren, doch stets im Gesamtkontext wohl proportionierten Geschmäckern, beste Zutaten, kreative Kombinationen. |
Restaurant Atelier im Hotel Bayrischer Hof in München (D)
Bewertung Essen (?): | 9 / 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 5 – unbedingt wieder |
Guide Michelin: | *** |
Gault Millau: | 18 / 20 |
Gusto: | 10 Pfannen |
Küchenchef: | Jan Hartwig |
Adresse: | Hotel Bayrischer Hof Promenadenplatz 2-6 D-80333 München |
Telefon: | +49-89-2120 743 |
Web: | bayrischerhof.de |
Kosten: | EUR (2 Personen) |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |