Vor den hohen Fenstern zieht das hektische Leben von Piccadilly an mir vorbei: Britische Limousinen und rote Doppeldeckerbusse, Gentlemen in feinem Zwirn und Jungendliche in bauchfreien Klamotten, welche noch vom vor-abendlichen Binge-Drinking verkatert wirken.
Mich kümmert das wenig. Unglaublich entspannt ist die Atmosphäre am Samstag Mittag im 1. Stock des Restaurants. Und auch wenn das Restaurant einem exaltiertem russischen Ex-Milliardär und seiner ebenfalls russischen Geschäftspartnerin gehören soll, so wirken die Räumlichkeiten eher nordisch-zurückhaltend denn voll Bling-Bling.
In der Karte werden ein Mittagsmenü sowie ein Menü mit fünf oder acht Gängen aus der mit einem Guide Michelin-Stern ausgezeichneten Küche von Chef Ollie Dabous angeboten; diese sind jeweils auch in einer vegetarischen und einer veganen Ausführung erhältlich.
Und neben der Weinbegleitung aus gut gefülltem Keller (und einer wunderschönen Holztreppe in das Untergeschoss) kann sich der Gast auch aus der denselben Eigentümern gehörenden, nahen ‚Hedonism Wines‘ Weinhandlung jede beliebige Flasche holen lassen. Das könnte etwa ein Chateau Yquem 1847 um bescheidene 96’400 Pfund sein; doch auch hier: Die Karte gefällt mit einer Vielzahl an auch in günstigen Regionen gut gewählten Weinen.
Nicht nur Instagram-tauglich angerichtet, sondern sehr wohlschmeckend ist der erste Gang: Ein hervorragender Rohschinken auf Zimmertemperatur, dekorativ angerichtet auf Federn und Knochen aus Porzellan. Dazu verschiedene Salate und Gemüse, ein Tip und ein Erdbeer-Drink. Das ist alles perfekt abgeschmeckt und zubereitet, eine Freude! (8/10)
Danach folgt eine blanchierte Zwiebel; alle scharfen Aromen hat ihm die Zubereitung genommen, doch texturell ist da noch Knack vorhanden. Kombiniert wird er mit einer gekühlten Pinieninfusion, Basilikumöl und ein wenig Aioli. Das ist Sommeressen, welches Spass macht! (7/10)
Ansprechend dann auch der auf Holzkohle gegrillte Spargel mit frischem, selbst gemachtem Ricotta, Basilikum-Pesto, einem Parmesanchip mit schwarzer Olive und Estragon. Doch der Ricotta wirkt trotz seiner Kühle sehr süss, die Elemente wollen sich hier nicht so wirklich zu einem Ganzen verbinden. (7/10)
In einer Schale mit Stroh und Räucheraromen wird dann ein Signature Dish von Ollie Dabbous, das ‚Nest Egg‘, eine Eierschale mit erhitztem Ei, geräucherter Butter und Pilzen gebracht. Das ist nicht übermässig komplex, dafür umso mehr voll glückseligem Umami in Verbindung mit viel Yummie! (7/10)
Die Instagrammerin nebenan hat mittlerweile die im Tisch integrierten Holzladen entdeckt, welche es erlauben, das Handy mit Strom zu versorgen. Nicht nur für diesen Zweck sehr hilfreich!
Und am Teller nun eine grossartige angebratene Jakobsmuschel auf einem Süssholzspiess, einem Püree von Hülsenfrüchten und einer wohlschmeckenden Sauce mit Buttermilch. (8+/10)
Die im Tempurateig herausgebackene Goldbrasse mit Auster und rohem Sellerie und Selleriecreme ist gleichfalls ein gefälliger Gang. (7+/10)
Pefekt von Konsistenz und Geschmack ist dann das Kalbsbries, welches von schwarzem Rettich, Estragon, Fenchel und einer herrausragend guten Sauce mit Kaffee perfekt begleitet wird. (8+/10)
Auch das Lammfleisch ist von sehr guter Qualität und geschmacklich hervorragend, mit schöner, gerösteter Fettschicht oben auf dem Fleisch, dazu geräucherte Muscheln, Rübe, Kapuzinerkresse und einer tiefgründigen Sauce. (8/10)
Nun wird ein Oliveneis auf einem Eisblock (mit darin gefrorenen Blumen) serviert; sehr rund und fein im Geschmack, mit ein wenig Oregano und etwas Olivenöl. (7+/10)
Walderdbeeren, weisse Erdbeeren und rote Erdbeeren – alle hervorragend mit intensivem Geschmack – ergeben mit Clotted Cream, Birkensorbet und Birkenblättern eine sehr gute Kombination. (8/10)
Ein portugisisches Pastei de Nata und eine Art Marshmellow bilden den Abschluss eines ausgezeichneten Menüs.
Restaurant Hide Above in London (UK)
Ganz London spricht über das Hide; das neue Restaurant von Wunderkind-Chef Ollie Dabbous.
Medialer Hype und viel investiertes Geld, das ist nicht immer ein Garant für aussergewöhnlich gutes Essen. Doch das Hide Above – das mit einem Stern vom Guide Michelin ausgezeichnete Gourmet-Restaurant – hat mich überzeugt. Nicht nur optisch, sondern vor allem auch geschmacklich überzeugende Gerichte; eine beeindruckende Weinauswahl auch in günstigeren Kategorien und eine wunderbare, nordisch inspirierte Wohlfühlatmosphäre.
Tipp – an einem Samstag Mittag die Aussicht auf den hektischen Piccadilly und den Green Park geniessen.
Bewertung Essen (?): | 8/ 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 4 – gerne wieder |
Guide Michelin: | * |
Gault Millau: | – |
Gusto: | – |
Küchenchef: | Ollie Dabbous |
Adresse: | 85 Piccadilly UK – London W1J 7NB |
Telefon: | +44-20-3146 8666 |
Web: | hide.co.uk |
Kosten: |
Tasting Menu GBP 135,- |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |