Freude schöner Götterfunken

Kurz vor Mitternacht in Berlin. Unser Taxifahrer liebt klassische Musik.

‚Freude schöner Götterfunken‘ rauscht es durch den Äther. Wir sehen uns an – und nicken. Ja, das passt ganz gut zum heutigen Abend!

Doch zurück zum Start. Vor ein paar Stunden sind wir mit dem Taxi (Musik: 80er Jahre Pop) vor dem Hotel Adlon vorgefahren. Sind durch die Halle gelaufen, dann mit dem Lift in den 1. Stock gefahren.

Wo wir dann vom Esszimmer-Team freundlich empfangen und zu unserem Tisch geführt wurden.

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Das Ambiente ist seit unserem letzten Besuch vor 18 Monaten unverändert. Höchst konservativ die Möblierung, und die Wilhelm II Statue wacht über dem Kamin mit strengem Blick. Vor dem Fenster das Brandenburger Tor in voller Pracht. Die Gästeschar ist altersmässig irgendwo zwischen Mitte 30 und über 80 – schön, wenn man auch in diesem Alter noch so viel Freude an gutem Essen hat!

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Und auch der ServiceMaître Boris Häbel, Sommelier Shahab Jalai und das ganze Teambrilliert wie eh und je! Mit Entertainment im besten Sinne, mit Schlagfertigkeit mit Kompetenz: Das nötige Kontrastprogramm, um dem schweren Ambiente diese Leichtigkeit zu verleihen.

Unser Dinner im Restaurant Lorenz Adlon Esszimmer in Berlin

Die Champagner-Auswahl ist gehoben – ein Glas (später dann noch ein zweites) vom Krug Grand Cuvée aus der Magnum soll es sein. Hier auch einer der ganz wenigen Kritikpunkte: Es schien uns, als hätte die Flasche am Vortag wohl noch mehr Lebendigkeit und Frische gehabt.

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Doch auf zum Studium der Karte: Zwei Menüs (4-6 bzw. 6-8 Gänge) bietet die Küche von Hendrik Otto an.

Und à la Carte noch einige grosse Klassiker: Soll es Kaviar, Bretonischer Hummer oder Seezunge, Caneton à la Presse (ja, hier gibt es noch eine Entenpresse) oder Birne Helene sein? All das wird auch für den Gast zubereitet.

Doch wir gehen in modernere Gefilde und wählen (mit einer kleinen Änderung) das 8-Gang Menü.

Grüsse aus der Küche

Und schon geht es los, die Küche schickt erste Grüsse. Ein Teller mit einem vorzüglichen ‚Toast Hawaii‘-Cannelloni (Speckcreme, Ananas-Gelee), einem ausgezeichneten Löffel mit Caprese (Büffel-Mozzarella, Basilikum geeist, eine intensive Tomate: wo bekommt man bloss solche Tomaten im Winter?), etwas Paprika mit Parmesan.

Und eine luftig-leichte Probierportion vom Tafelspitz, dazu Kräuter, irgendetwas gibt eine schöne Textur, im Abgang feine schärfe von Meerrettich: Toll! (9/10)

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Eine Brot-Auswahl wird in einer Schale mit warmen Steinen gebracht (eigentlich eine gute Idee!) und von nun an vom metallenen Vogel am Tisch sorgsam bewacht (sonst könnten ja die Nachbarn ein Stück wegessen).

Dazu flache Parmesan-Stangen (auch die getrocknete „Blumen-Deko“ dabei ist essbar; also wir haben es genossen und überlebt). Und Butter und – wenn uns unsere Erinnerung nicht täuscht – Vitello Tonnato-Creme und Trüffelmayonnaise. Alles sehr fein!

Ach ja, auf jedem der Teller finden sich drei kleine Tupfen. Wie auch auf allen späteren – haben Sie ein Auge darauf. Das ist quasi das neue Markenzeichen des Lorenz Adlon Esszimmers. Und signalisiert die Ambition auf einen 3. Michelin Stern.

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Der zweite Gruss ist nun ein Tatar vom Saibling mit Gurkencreme. Verfeinert mit ein wenig Radieschen, mit einem Hauch von Frühlingszwiebel Sowie kleine Stücke von der Fischhaut – dies gibt knusprige Aromen (für unseren Geschmack schon zu knusprig).

In Summe jedoch ist das Gericht sehr gut mit schönen feinen Bitternoten. Dazu wird uns ein Glas mit Champagner mit Limoncello-Granité und (am Tisch aus dem Isi-Spender hinzugefügten) Brombeer-Schaum angeboten. Gleichfalls mit leichten Bitternoten. Eine ungewöhliche, doch verblüffend gute Kombination! (8/10)

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Thunfisch: Getrocknete Pilze, Chorizo, Sesam, Grapefruit, Kräuter

Bei der ersten Vorspeise des Menüs haben wir variiert. Der Herr wählt die Gänseleber, die Dame den Thunfisch.

Zuerst zum Tuna: Vorzüglich die Qualität, wunderbar der Geschmack. Darauf befinden sich verschiedene gefrorene Komponenten (Pilze, Sesam, Grapefruit) und (gefriergetrocknete?) Kräuter. Ein vorzügliches Spiel der Temperaturen, Geschmäcker und Texturen – Weltklasse! Einzig der Sinn der scharfen Chorizo-Creme am Teller will sich uns nicht so ganz erschliessen. (10/10)

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Gänseleber: Kaffee, Trüffel, Briochecreme, grüner Pfeffer, Polenta, Thymian

Und wie war der Gänseleber Gang? Fast ebenso genial!

Hier ist nichts schwer, hier sind keine vordergründigen Aromen: Die Geschmäcker sind fein ziseliert, das Arrangement ist von einer schönen Leichtigkeit getragen.

Die Gabel findet ihren Weg durch die verschiedenen Zubereitung der Gänseleber, wohl kombiniert mit Kaffee, mit grünem Pfeffer und Thymian. Sowie mit Polenta und Briochecreme. Der Mund sagt wow, die Stimmbänder rufen „mehr“. (9+/10)

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Bouillabaisse: Staudensellerie, Tomate, Zucchini, Estragon

Auf nach Frankreich: Eine Bouillabaisse wird an unseren Tisch gebracht. Butterzart und schön im Geschmack sind der Hummer, die Muscheln und der Pulpo (Ja, auch der Hummer. Als bekennende Nicht-Hummer-Fans haben wir ja bei ihm fast immer etwas zu meckern).

Die Suppe selbst? Unglaublich intensiv und zum darin versinken. Würde nicht Wilhelm II über dem Kamin wachen, so könnten wir stundenlang vor diesem sitzen und einfach Bouillabaisse schlürfen. Staudensellerie, Zucchini(-kaviar), Estragon: Eine spannende Kombination an Geschmäckern, an Texturen; ein wunderbares Zusammenspiel! (10/10)

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Stör / Kaviar / Bohnenfond: Braune Butter, Borschtsch, Meerrettich, Blutampfer

Mit Fisch geht es weiter. Mit Stör, um genau zu sein. Dieser wird kombiniert mit der Jodigkeit des Kaviars, mit einem am Tisch angegossenen Bohnenfonds. Sowie mit brauner Butter (ist das der Spaghetto am Tellerboden um den Stör), mit Borschtsch, Meerrettich und Blutampfer.

Allmählich gehen uns die Superlative aus; doch auch dies ist wieder ein Weltklasse-Gericht. Perfekte Harmonie der Geschmäcker und Aromen. Bis zum letzten Tropfen löffeln wir den Teller aus.

Dazu ein „Schwamm“ (ein sehr luftiges Stück Brot), welches ganz leicht mit Senf und Kräutern aromatisiert ist. Und welches uns auf einem Wärmekissen gebracht wird. Dieses Element hätte es gar nicht gebraucht, das lenkt nur ab. Und ausserdem schien uns das Kissen nicht gewärmt. (10/10)

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Fenchel / Bauernspeck / Gewürzsud: Artischocke, konfierte Tomate, Aubergine, Zitrone, Vogelmiere

Der Mund war schneller als die Fotokamera: Am Teller eine dünne Scheibe Fenchel in Gewürzsud. Für uns eher auf der recht festen Seite und der schwächste Teil der Komposition. Darüber eine Art Flocken vom Bauernspeck: Kross, intensiv, wow.

Als weitere Mitspieler dann konfierte Ofentomate, Aubergine, Artischocke, Vogelmiere sowie eine angenehm zitronige Säure. (8/10)

Konfierter Schweinebauch / Graubrot: Linda-Kartoffel, gefrorener Ziegenquark, Gewürzöl, 5-Kräuter-Mischung

Ein Teller und eine Platte werden uns nun serviert. Auf ersterem der unerwartete Star des Gerichtes – die Linda-Kartoffel.

Was nach beliebiger Beilage klingen mag, ist hier der absolute Knaller. In geöffnetem Backpapier eine Kartoffel so intensiv im Geschmack, dass wir schwören, nur noch Linda-Kartoffeln essen zu wollen. Darauf gefrorener Ziegenquark: Ein schöner Temperaturkontrast, und im Mund entfaltet sich dann ein Hauch von Ziegenaroma. Sowie Gewürzöl und eine 5-Kräutermischung.

Die Beilage? Ein konfierter Schweinebrot, umgeben von dünnem, gerösteten Graubrot. Nun sagen wir zu Schweinebauch ja selten nein. Der Schrecken aller Diät-Fans hat ja schliesslich Geschmack ohne Ende. Und auch in diesem Fall war das ganze sehr anständig. Wenn uns der Bauch auch ein wenig zu zäh erschien. (9/10)

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Taube / Jus / Wacholder: Champignon, Karotte, Kichererbse, Rosmarin, Koriander

Brust und Keule von der französischen Taube sind nun angesagt. Es gibt geschmacklose „Langweiler“-Tauben, und es gibt jene, welche schon eine Spur zu penetrante Wildaromen haben. Diese war die perfekte Mitte. Intensiver, runder Eigengeschmack, perfekt auf den Punkt zubereitet und butterzart.

Dazu genossen wir einen wunderbar intensiven Jus mit Wacholder, Karotte, Rosmarin und Champignons. Erdig, verführerisch…

Und da man ja von der Taube nichts überlassen soll, gab es noch einen kleinen zweiten Teller. Mit einer Art Knödel aus Kartoffelmasse, aussen feines Kartoffelstroh. Und das ganze gefüllt mit den Innereien der Taube – ein Hochgenuss! (10/10)

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Lüneburger Schafskäse / Feige / Bergamotte: Reisessig, Agave, wilde Erdnüsse, gefrorene Milch mit Schinken und Senf

Nun steht Käse auf dem Programm! Lüneburger Schafkäse, um genau zu sein. Ein Frischkäse, fein, mit zurückhaltender Aromatik. Kombiniert mit Feige, mit Bergamotte. Mit gefrorener Milch mit Schinken und Senf. Und mit wilden Erdnüssen: ein schönes Geschmacksbild mit dem Käse, und texturell eine gute Abwechslung! (8+/10) DSC06803 DxOP

Pre-dessert

Der Start in die Patisserie? Eine Schieferplatte mit Vanille, gekochten Äpfeln und mehr. Nett, doch für uns nicht so beeindruckend wie manch anderer Gang an diesem Abend. (7+/10) DSC06811 DxOP

Luft-, Krokant- und Creme von Schokolade: Dilleis, Sanddorn, Joghurt, Jus von Karotte und Apfel

Da ist das eigentliche Dessert wieder von anderem Kaliber. Weisse Schokolade als Luft, als Krokant und als Creme. Ein wunderbar cremiges Dilleis. Sanddorn und Joghurt. Sowie ein Jus mit Apfel und Karotte – eine vorzügliche Kombination! Wie auch das Glas Dom Périgonon 2004 dazu wunderbar passte. (9/10)

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Petit Fours

Auch die Petit Fours zum Kaffee haben uns gefallen! Viele Einzelheiten haben wir in diesem Bericht schon aufgezählt, nun wollen wir es beim „tolle Kleinigkeiten, sehr gut!“ belassen.

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So, soweit unser Rückblick zum Abend. Die letzten Takte von „Freude schöner Götterfunken“ verklingen gerade im Radio unseres Taxis. Ja, das Musikstück passt eigentlich gut zum Dinner.

Vor nicht viel mehr als 18 Monaten waren wir hier. Sind aufgrund des damaligen Erlebnisses mit hohen Erwartungen gekommen. Diese wurden nochmals klar übertroffen. Selten haben wir in den letzten Monaten so konstant ein Menü auf sehr hohem Niveau geniessen dürfen.

Erhabene Momente, irgendwie. So wie auch die „Ode an die Freude“ von Beethoven.

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Unser Küchenreise Rating:

Die Küche von Hendrik Otto basiert auf einem starken klassischen Fundament. In den Details ist sie konsequent modernisiert und keinesfalls verstaubt – ganz im Gegenteil.

Wir haben an diesem Abend präzis gezirkelte Gerichte genossen, welche in höchster technischer Perfektion bis ins kleinste Detail zubereitet waren. Wir haben spannungsgeladene, intensive Kompositionen verspeist, welche geschmacklich dennoch nie plakativ, sondern immer fein ausgewogen auftraten.

Die ausgezeichnete Produktqualität hat uns überzeugt. Die Kreativität der Gerichte, das Spielen mit dem Mix aus Luxusprodukten und aus vermeintlich „einfacheren“ Zutaten hat uns beeindruckt. Und das Ganze nicht nur bei dem einen oder anderen Gang, sondern fast durchgängig ein ganzes Menü lang!

Der Service rockt! Mit hohem Unterhaltungswert und ebenso hoher Kompetenz bringen Maître Boris HäbelSommelier Shahab Jalai und das ganze Team Leben in die alt-ehrwürdigen Räumlichkeiten.

Für uns ist das Lorenz Adlon Esszimmer momentan kulinarisch ganz vorne in Berlin (hoffentlich folgen viele andere nach!) und in der Spitzengruppe der vielleicht 10 bis 15 besten Restaurants in Deutschland angekommen.

5 – Unbedingt wieder 

(1 – nie wieder, 2 – wenn’s die Umstände erfordern, 3 – wenn es sich ergibt, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)

Wie bewerten andere?

Der Guide Michelin bewertet das Restaurant Lorenz Adlon Esszimmer in Berlin mit 2 Sternen. Der Gault Millau zeichnet das Restaurant mit 18 Punkten aus. Der Gusto vergibt die Höchstnote von 10 Pfannen.

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Blogroll – was schreiben andere?

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Die Kosten

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Das 8-Gang Menü mit Weinbegleitung, Champagner, Wasser und Kaffee für 2 Personen summierten sich auf knapp über EUR 750,-

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Die Adresse

Lorenz Adlon Esszimmer

Unter den Linden 77

D-10117 Berlin

Tel. +49-30-2261 1960

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