Der Taxifahrer nimmt eine Kurve nach der anderen. Wunderschön liegt das Akelarre auf den Hügeln nahe dem Atlantik, etwas ausserhalb von San Sebastian. Ein aufsehenerregender Bau, ja. Gross, hell und offen das Entree zum modernen Hotel und zum Restaurant.
Mir gehen die Bilder vom spektakulären Blick auf das blaue Meer durch den Kopf, welche so viele der Berichte zum vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichneten Restaurant illustrieren.
Doch heute ist es bereits dunkel. Und das Restaurant wirkt, wenn man vor den grossen Fensterfronten nur Schwarz sieht und nicht das blau-weisse Spiel der Wellen und der Gischt an den Felsen, recht kompakt. Die Wände sind mit Holz getäfelt im Stil vergangener Jahrzehnte. Ich assoziiere den Mix aus dem Setting eines James Bond Filmes und einer Jugendherberge.
Dinner im Restaurant Akelarre in San Sebastian
Doch mir geht es heute Abend ja um das Essen. Der Chef des Hauses, der mittlerweile 70-jährige Chef Petro Subijana wird, gemeinsam mit Juan Mari Arzak vom Restaurant Arzak, als einer der Begründer der New Basque Cuisine genannt welche – inspiriert von der Novelle Cuisine in Frankreich – die Küche im Baskenland in den 1970ern und 80ern modernisiert und erneuert hat, ohne den Bezug zu den dortigen Traditionen aufzugeben. 2006 hat er dann den begehrten dritten Stern im Guide Michelin erhalten.
Gerade fühlte ich mich im Arzak ‚wie im falschen Film’, war bitter enttäuscht. Werden mich die Gerichte im Akelarre heute begeistern? Jein. Der Abend hat zwar deutlich mehr kulinarische Substanz als ich bei meinem Besuch im Arzak vorgefunden habe. Doch anders als die drei Sterne implizieren, dieser Abend ist für mich noch nicht „eine Reise wert“.
Drei Menüs werden dem Gast im Akelarre angeboten, das „Aranori“, das „Bekarki“ und das „The Akelarre’s Classics“ Menü; letzteres mit den Klassikern der letzten Jahre und Jahrzehnte. Wer mag, kann auch Gerichte aus den verschiedenen Menüs kombinieren.
Später wird dann noch eine detailliertere Karte mit den ausgewählten Menüs gereicht, dort befinden sich weitere Erklärungen (ich habe sie in diesem Bericht jeweils nach den Namen der Gerichten unter den Bildern hinzugefügt).
Der Menüreigen wird mit einigen Kleinigkeiten „Just to begin“ eröffnet: Der „Bloody Mary on the Plate“, Tomaten (auch getrocknet) mit Vodkaschaum und der bitteren Note von Campari, ist ansprechend. (8+/10)
Spannend, wenn auch Geschmackssache, die Butter aus Ziegenmilch mit intensiv-ziegigem Geschmack; kombiniert mit dreifarbigem Brot.
Beim kleinen, mit Shrimps gefüllte Täschen sind die Proportionen zum reichhaltigen, mir zu hart wirkenden Teig verschoben. (7/10) Ansprechend die Miniatur-Spiegeleier auf wunderbar röstigen Kartoffeln. (8/10)
Beim Blutwurst-Keks, optisch an ein schokoladiges Produkt der Firma de Beukelaer erinnernd, war die Idee gut, doch der Keks für mich viel zu hart und zu trocken. Die Erinnerungen an Essen in Jugendherbergen werden wach. (7/10)
Doch nun wird das Setting wieder James Bond-like. „A dry Martini. One. In a deep champagne globet“ – nein, diese Worte sind hier nicht gefallen. Doch das Flambieren der Garnelen am Tisch hätte auch in Casino Royale einen würdigen Platz gefunden.
Die Garnelen werden vor dem Gast in einem Topf mit einem Alkoholika übergossen und dann gegart, dann in Kombination mit einer Creme aus grünen Bohnen und Fischeiern für den Gast angerichtet.
Das ist Showküche mit ansprechender Produktqualität und schmeckt auch ansprechend. (8/10)
Unter dem dünnen Teig aus Ei befindet sich eine Blumenkohl-Creme und Kaviar, Schnittlauch-Butter und Mandeln (?). Eine geschmacklich sehr ansprechende Kombination, technisch perfekt umgesetzt. (8/10)
Die Blätter und die Leber unter dem Regen – so die holprige deutsche Übersetzung des poetischen Namen des Gerichtes. Es handelt sich um eine Art Salat aus verschiedenen wohlschmeckenden Blättern; darunter befinden sich auch einige aus kühlem Gänselebermousse, dünn und in Blattform auf den Teller aufgetragen.
Das Dressing dazu ist ohne Olivenöl oder Essig, sondern eine „infusion of aromatics in a rain way“, daher auch das „under the rain“ im Namen (was dies auch immer bedeuten soll). Im Gericht auch einige, leider sehr harte, „crunchy“ Elemente. Wären diese nicht, so wäre das ganze ein abgerundetes, trotz Gänseleber leichtes Gericht. (7/10)
Das nächste Gericht ist eine gemüsige Creme aus Kichererbsen, Humus-ähnlich, mit Trüffeln und violetten Kartoffeln – was gar nicht so spektakulär klingt, war jedoch sehr wohlschmeckend und gut. (8/10)
Am Teller nun gemäss Beschreibung des minimalistisch agierenden Services ein Confit vom Seehecht-‚Kokotxa‘, Kürbis-Brunoise, eine Emulsion aus Eidotter und Kürbiskernöl (die unter dem Bild erwähnten, genaueren Beschreibungen der Gerichte erhält der Gast erst in einem detaillerteren Kartenausdruck am Ende des Abends).
Das ganze wirkt vom Geschmack sehr eindimensional-fischig auf mich und hat immer wieder sehr unangenehm „bissfeste“, harte Elemente. Nein, dieses Gericht verstehe ich nicht, und es schmeckt mir auch nicht. Die Jugendherberge schwirrt wieder durch meinen Kopf. (6/10)
Geschmacklich wieder auf den richtigen Pfad zurück dann der nächste Gang – gebratener Oktopus unter einer schwarzen Sauce aus seiner Tinte. Nicht, dass mir die später auf der ausführlichen Karte ausgeändigte Beschreibung des Gerichtes klar ist, doch am Gaumen ist dieser Teller unkompliziert und geschmackvoll. (7+/10)
Am Teller nun dünne Scheiben von geräuchertem und rohem Seeteufel, Scampi und einer grünen Brühe/Infusion mit Kräutern, etc. – ansprechend, handwerklich gut umgesetzt, schöne leichte Rauchnote. (8/10)
Das Tatar ist unglaublich fein geschnitten oder zerteilt und hauchdünn auf den Teller aufgebracht; an den Ecken Miniatur-Kapern und Miniatur-Eidotter (Tupfen vom Eidotter), darauf ein Pommes Soufflées. Zu filigran für einen toughen Agenten? Nein, James Bond hätte das rohe Fleisch auch solcherart präsentiert genossen, da bin ich sicher.
Dazu gereicht wurden weitere Pommes Soufflées und einige Kräutercracker. Das Tatar gefiel mir von Konsistenz und Geschmack ausgezeichnet, die recht harten Cracker waren ein fast zu starker Kontrast zur Feinheit des Fleisches. (8+/10)
Ein spannender Gang, das wohlschmeckende und auf den Punkt zubereitete Fleisch des Seehechts wird kombiniert mit einer Creme mit Plankton; geschmacklich perfekt abgestimmt. (8+/10)
It‘s showtime again, der Kabeljau wird in einer Holzkiste mit Holzspänen (die sich dann als essbar herausstellen) an den Tisch gebracht. Der Fisch ist grossartig, der Fonds vielschichtig und spannend, einzig die falschen ‚Holzspäne‘ sind ein wenig verwirrend und verbessern das Gericht nicht. (8+/10)
Ein grossartiges „Risotto“ aus reisgrossen Tintenfisch-Stückchen, Butter, Parmesan, schwarzer Tinte; das ganze ist von toller Konsistenz und grossartiger Geschmack! Endlich ein Gericht auf drei-Sterne Niveau! (9/10)
Und weiter geht es auf hohem Niveau! Der tolle Seebarsch wird mit einer vollmundigen, intensiven Umami-Sauce (mit Artischocke, Tomate, …) kombiniert; wow! Zum Abschluss wird dann noch ein Tatar vom Sebarsch gereicht. (8+/10)
„Pojarski“ erinnert an den Erfinder von russicher Kalbsfleisch-Bällchen, welche Zar Nikolas sehr geschätzt haben soll. Ob das so war, kann ich nicht beurteilen; weder Herr Pojarski (nein, kein Bösewicht aus einem James Bond Film, sondern ein russischer Gaststättenbesitzer), der Erfinder des ‚falschen Kalbskotlettes‘ noch der Zar sind mir persönlich bekannt oder haben mir in ihrem Nachlass diesbezügliche Aufzeichnungen hinterlassen.
Doch es gilt festzuhalten, die an das falsche Kotelett angelehnten Bällchen sind wunderbar zart, sie sind voll im Geschmack, perfekt abgeschmeckt und die feine Schärfe des Sudes hebt sie auf ein würdiges Podest, sehr gelungen. (8+/10
Perfekt zubereitet dann das nächste Gericht, ein Klassiker im Akelarre, das Spanferkel mit wunderbarer Kruste, dazu eine intensive Iberico-Emlsion und dreierei vom Knoblauch. Mehr ein Gag der „essbare“, doch viel zu süsse „Knochen“ dazu.
Nicht das komplexeste Gericht, doch die Zutaten und die technisch perfekte Umsetzung (abgesehen vom „Knochen“) überzeugen! (8+/10)
Eine Art Burrata aus dem spanischen Idiazabal-Käse in einer grünen Sauce mit Walnüssen, wohlschmeckend und fein. (8/10)
Eine Auswahl vom Käse, mit spanischem Idiazabal-Käse und verschiedenen anderen Sorten, alle gut gereift und geschmacklich intensiv und gut (8/10)
Als süsser Gang dann eine Art „auf den Kopf gestellter“ Apfelkuchen. Sehr gut ist die Apfelcreme, oben darauf befindet sich zerbröckelt der Teig – das ist schon gut, doch in Summe eher trivial. (7/10)
Eine Kombination von Zitrusfrüchten, Minze und Basilikum in verschiedenen Temperaturen und Texturen, sehr erfrischend, leicht und wohlschmeckend. (8+/10)
Das Küchenreise-Rating
Die Küche im vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichneten Akelarre gefällt mit kreativen Gerichten, qualitativ hochwertigen Zutaten, präziser Umsetzung und fein abgestimmten Aromen. Man spürt, der Gast soll hier mit ‚James Bond‘-mässigem Auftritt beeindruckt werden, bekommt aber das Gefühlt, dass ein grossartiger James Bond der 60er mit dem weniger ambitionierten Anspruchsniveau einer Jugendherrberge kämpft.
Die Räumlichkeiten des Restaurants in San Sebastian erwecken den selben Eindruck: Was einst eine hypermoderne, einem James Bond Film würdige Location mit spektakulärem Blick auf das weite Meer war, wirkt heute auch ein wenig wie eine Jungendherberge.
Der Service schien mir der unpersönlichste von den drei-Sterne-Restaurants in San Sebastian: Viele junge, zurückhaltende Mitarbeiter, welche technisch gesehen die relevanten Informationen zu den Speisen weitergeben, doch nicht begeistern. Einzig der Maitre D führt zu Beginn ein wenig Konversation, fragt etwa nach der Herkunft des Gastes.
Restaurant Akelarre, San Sabastian Donostia
Bewertung Essen (?): | 8/ 10 |
Küchenreise-Rating (?): | 3- wenn es sich ergibt wieder |
Guide Michelin: | *** |
Gault Millau: | – |
Gusto: | – |
Küchenchef: | Pedro Subijana |
Adresse: | Padre Orkolaga Ibilbidea 56 ES-20008 Donostia |
Telefon: | +49-8022-669 29 22 |
Web: | akelarre.net |
Kosten: |
Menü EUR 230 |
Angekündigter Besuch (?): | Nein |
Einladung (?): | Nein |
Extras (?): | Nein |
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung. |