Erlösung naht am Ende des Ganges: ich betrete das vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnete Restaurant Memories. Und ein kulinarischer Abend, welcher bei mir Erinnerungen weckt, Erinnerungen für die Ewigkeit, beginnt.

Gerade noch bin ich die langen Hallen mit Boutiquen voll mit Kitsch für Möchtegern-Reiche geschritten, habe die schwefelgeschwängerte Luft aus dem nahen Hallenbad aufgesogen. Ein selbsternanntes „Leading Hotel of the World“ ist das Grand Ressort Bad Ragaz, doch unter „Leading“ und „Grand“ stelle ich mir etwas anderes vor.

Jetzt erhasche ich den Duft weisser Trüffel, er lässt mich den Schwimmbad-Chlorgeruch vergessen. Ich freue mich auf das Menü von Chef Sven Wassmer und seinem Team, welches auf alpine Küche, auf kulinarische Erinnerungen und auf Reduktion am Teller fokussiert, nicht auf lautstarken Bling-Bling.

Zum Ankommen überrreicht mir der freundliche Service zunächst ein mit Kiefer aromatisiertes Tuch und ein Glas mit Thermalwasser. Dann die Karte, welche ich neugierig bei einem Glas perlendem Champagner studiere.

Angeboten werden ein – wie sich zeigen wird, erinnerungswertes Menü mit sechs, acht und zehn Gängen, als Extra kann der mir eben schon begegnete weisser Alba-Trüffel geordert werden. Dazu gibt es jeweils eine alkoholische Begleitung, um Menories zu wecken, wie auch alkoholfreie Getränkebegleitung für jene, welche auch ohne Promille voller schöner Erinnerungen sind.

Im Hintergrund ist die Küchenchrew konzentriert am arbeiten. Ich beobachte sie bei den präzisen Abläufen, bei den wohl einstudierten Bewegungen. Bereue es für einen Moment, nicht am Chefs Table direkt am Küchentresen reserviert zu haben. Und beschliesse, meine Beobachtungen mit einem „All-In“ zu honorieren, alle 10 Gänge sollen es sein. Dies werde ich nicht bereuen.

Snacks:
Langos / Bergkäsecreme / Dillpollen
Topinambur / Knollensellerie / Koji
Blumenkohl / Eigelb / Mandel
Tatar von der alten Milchkuh / Rhabarber / Liebstöckel

Präzise gearbeited sind die Snacks zum Einstieg: So gefällt mir etwa der alpine Langos mit Bergkäse und eingelegten Cornichons mit schöner Aromatik des Käses, einem Hauch von Knoblauch und auflockernden Säurekontrasten, das Tatar von der alten Milchkuh mit dezentem doch klarem Fleischgeschmack.

Topinambur / Knollensellerie / Koji
Hausgemachtes Sauerteigbrot / Butter

Zum hausgemachten Sauerteigbrot mit Butter könnte man vieles scheiben, und auch der Service teilt Geschichten zum Brot. Erinnert sich, dass die verwendete Sauerteigmutter nun bereits über 5 Jahre alt ist, seit der Eröffnung des Restaurants wird sie nun gepflegt, gefüttert und verwendet. Doch jetzt, als meine Nase dessen Duft aufsaugt, als ich hineinbeisse, denke ich nur „ja, so muss Sauerteigbrot schmecken“. Und wären nicht noch 10 Gänge vor mir, so würde ich ein Stück nach dem anderen, dick mit Butter bestrichen, verschlingen.

Le Mont Benoit, Emmanuel Brochet, Montage de Reims, Frankreich, N.V.
(Retail-Preis 0.75l ca. CHF 110)
Oona Alpenkaviar „Memories Edition“ / Meerrettich / Rande

Kaviar aus den Schweizer Bergen, das mag überraschend klingen. Doch Oona züchtet Störe im warmen, kontinuierlich fliessenden Wasser des Lötschberg-Basistunnels und produziert einen sehr höchwertigen Kaviar. Auf meinem Teller werden die nur zurückhaltend gesalzenen Fischeier der Oona „Memories Edition“ mit roter Beete inspiriert von Sven Wissmers Grossmutterund und einer Meerrettichcreme/sauce mit Dillöl. Für mich eine starke Kombination, auch wenn die Präsenz des Kaviars durch die Intensität der roten Beete ein wenig in den Hintergrund gedrängt wird.

Chardonnay, Weingut Fromm, Malans, Schweiz, 2021
(Retail-Preis 0.75l ca. CHF 42)

Für den nun folgenden Signature Dish des Restaurants wird zunächst aussergewöhnlich eingedeckt: Messer und Gabel sind Originalbesteck von der Eröffnung des Hotels im Jahre 1869, erklärt mir der Service.

Bergsaibling aus dem Val Lumnezia / Karamellisierter Sennenrahm / Tanne

Und schon wird der Bergsaibling an meinem Tisch gebracht, begleitet mit einer Sauce aus karamellisiertem Sennenrahm. Eine Menge Sauce – fehlt da kein Löffel? Nein, erklärt mir der Service, denn dafür gibt es ja das Brot, mit welchem man die Sauce wunderbar auftunken kann.

Dies, so zeigt sich, ist ein guter Ratschlag.Der Bergsaibling aus dem graubündnerischen Val Lumnezia ist leicht in Heu und Tannenzapfen geräuchert und gefällt mir mit seiner zarten, doch festen Struktur und seiner schönen Aromatik. Die mit Tannenöl verfeinerte Sauce aus karamellisierter Molke vom Sennenrahm ist rund, intensiv, etwas süsslich und karamellig. Die Kombination von Fisch und Sauce ist harmonisch, die Sauce allein mit dem Brot genossen uns wunderbar intensiv.

Ich beginne, mich so richtig an der reduzierten, ja minimalistischen Interpretation der Alpenküche von Sven Wassmer zu erfreuen.

Chenin Blanc Brézé, Domaine Guibertau, Loire, Frankreich, 2018
(Retail-Preis 0.75l ca. CHF 65)
Knirps Kürbis, Nougat, Rosmarin

„Wenn Veggi so schmeckt, brauche ich dann überhaupt noch Fleisch“, denke ich mir beim Verzehren des nächsten Gerichtes. Ein Stück Warmer Kürbis, darauf Crunch und Textur, eine Creme, ein runder etwas süsslicher Fonds, ich erschmecke Nougat, ich spüre Rosmarin – das ist genausogut, wenn nicht besser als so manches Stück Fleisch!

Grüner Veltliner Ried Schütt, Emmerich Knoll, Wachau, Österreich, 2016
(Retail-Preis aktueller Jahrgang 0.75l ca. CHF 54)
Entenschenkel, Sellerie, Truffle

Es ist Trüffelzeit, es ist Zeit für ein Wohlfühlgericht. Entenragout von Ente aus den französischen Alpen, das ist der Alpenküche geschuldet, hier kombiiert mit crispy Entenhaut, Perigord-Trüffel und Selleriechaum. Klare Aromen, schmeichlerisch der Schaum und erfrischend-betörend in der Kombination mit dem erdigen Trüffel und der Ente – auch dieses Gericht werde ich nicht so schnell vergessen.

Tiara, Niepoort, Douro, Portugal, 2022
(Retai-Preis 0.75l ca CHF 36)
Alpen Zander / Blütenpollen / Verjus Buerre Blanc

Der Alpenzander im nächsten Gang ist zart und wunderbar, die Buerre Blanc dazu ist ein zunächst zurückhaltender, doch auf den zweiten Löffel total spannender Begleiter: ein Tick Süsse, etwas karamell, ein Hau bitter, etwas Säure – spannend!

Barbera D’Alba, Luca Roagna, Castiglione Falletto, Piemont, Italien, 2018
(Retail-Preis 0.75l ca CHF 65)
Challans Ente / Tasty Paste./ Preiselbeeren

Auf ganz hohem Niveau geht es dann weiter: Challans Ente mit einer wunderbaren Sauce aus den Karkassen dieser, dazu Bittersalate, die herben und süssen Noten der Preiselbeere und eine Hoisin-Creme gibt noch einen asiatischen Touch.

Gran Reserva, Miguel Merino, Rioja, Spanien, 2018
(Retail-Preis 0.75l ca. CHF 48)
Alte Milchkuh von der Hinterhofmetzgerei / „Weisse Lötschtaler“ Kartoffel

Wunderbar fleischig im Geschmack dann das Filet von der 12-jährigen Milchkuh, dazu Kartoffelstock mit Joël Robuchon-mässigen 50% Butter und Alba-Trüffel darübergehobelt. Es fällt mir schwer zu glauben, dass in den Tälern Graubündens früher so gekocht wurde, doch die (meisten der) Zutaten sind lokal, und die Kombination ist reduziertes, doch oplulent – ein tolles Erlebnis!

Fassgereifter MO-Negroni

Zum gleich folgenden Preiselbeeren-Sorbet wird nun ein Memories-Negroni aus dem Fass serviert: Züricher Gin, mit gronen Oliven und sizilianischen Blugorangen infusioniert. Nach dem Solera-Prinzip wird das Fass immer wieder nachgefüllt.

Preiselbeeren vom „Hof Räss“
Sauerklee / Arve / Joghurt

Wein (ohne Bild): Riesling „Marienburg“ Spätlese, Weingut Clemens Busch, Mosel, Deutschland, 2022
(Retail-Preis 0.75l ca. CHF 36)

Der Dessertreiben startet mit einem Schälchen mit einer Joghurtceme, Arve (Zirbel) und Sauerklee. Wunderbar der Sauerklee-Geshcmack, die Creme ist scheichelnd fein, rund, ja fast schon erotisch und perfekt. Toll!

Millefeuille / Kirsche / Cassis

Wein (ohne Bild): Ornus, Tenuta Dell’Ornellaia, Toskana, Italien, 2020
(Retail-Preis 0.375l ca. CHF 75)

Wir alle lieben doch Cremeschnitte, und zum Abschluss serviert das Team von Sven Wassmer im vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichneten Restaurant Memories eine solche: ein Millefeuille mit Kirsschsorbet, Milchhaut-Eis, Johannesbeerensud – das weckt bei mir Erinnerungen, Erinnerungen für die Ewigkeit!

Bei Kaffee und einer kleinen Süssigkeit rekapituliere ich den Abend: eine spannende, sehr reduzierte Küchenlinie mit starker Handschrift. Grossartige Produkte aus der Region, technisch perfekte Umsetzung am Teller, klare Aromatik. Ein herausragender Service, und das eine oder andere Gericht wird auch von der Kochmannschaft serviert. Die Portionsgrösse ist genau richtig, das Timing ist perfekt, die Weinbegleitung ist spannend und hochwertig. Die Küche von Sven Wasser weckt Erinnerungen, der Abend ist eine Erinnerung für die Ewigkeit!

Das Küchenreise Rating

Mit starker Handschrift, regionalen kulinarischen Erinnerungen und reduzierten Gerichten erschaffen Sven Wissmer und Team ein ausserordentliches Erlebnis!

Restaurant Memories in Bad Ragaz (CH)

Bewertung Essen (?): 9.5 / 10
Küchenreise-Rating (?): 5 – unbedingt wieder
Guide Michelin: ***
Gault Millau: 18 / 20
Gusto:
Küchenchef:

Sven Wassmer

Adresse:

CH-7310 Bad Ragaz, Bernhard-Simonstrasse 14

Telefon: +41-81-303 30 36
Web: memories.ch
Kosten:

10 Gang Menü CHF 379 (+3 Gramm Alba Trüffel CHF 69)
Getränke Begleitung CHF 229, alkoholfrei CHF 189

8 Gang Menü
CHF 329 (+3 Gramm Alba Trüffel CHF  69)
Getränke Begleitung CHF 189, alkoholfrei CHF 159

6 Gang Menü CHF 279 (+3 Gramm Alba Trüffel CHF 69)
Getränke Begleitung CHF 169, alkoholfrei CHF 129

Klassiker:
Chnöpfli / Geröstete Hefe / 3g weisser Alba Trüffel CHF 69
Käsegang „Memories Chäschüechli“ CHF 34

Angekündigter Besuch (?): Nein
Einladung (?): Nein
Extras (?): Nein
Alle Bewertungen beziehen sich auf den Zeitpunkt des Besuches. Unsere Wertungen reflektieren einzig unsere persönliche Meinung.

Vorheriger ArtikelLocal Hero: Schloss Schauenstein by Andreas Caminada *** – Fürstenau (CH)

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..